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Misswirtschaft und Veruntreuung: Salzburger Festspiele erstatten Anzeige [update, 29.1.]

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Nicht feierlich geht es im Jahr des 90-jährigen Bestehens der Festspiele in Salzburg zu. Zwischen den Salzburger Festspielen und den Osterfestspielen, die formal strikt getrennt sind, gab es offenbar betrügerische Geschäfte in der Chefetage beider Institutionen. Nach der kürzlichen Ablösung des Geschäftsführers der Osterfestspiele, Michael Dewitte, wurde gestern der Technische Direktor der Salzburger Festspiele, Klaus Kretschmer, mit Zustimmung des Betriebsrates fristlos entlassen.

Das gab das Direktorium der Festspiele am Mittwoch nach einer Krisensitzung bekannt. Die Salzburger Festspiele werden eine Sachverhaltsdarstellung der Staatsanwaltschaft zukommen lassen und Anzeige erstatten. Laut einer Sonderprüfung im Büro der Osterfestspiele stehen Misswirtschaft und Veruntreuung im Raum. Aus arbeitsrechtlichen Gründen könnten keine Details über die Hintergründe der Entlassung veröffentlicht werden, teilte Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler mit. Eine Münchner Wirtschaftsprüfungskanzlei wurde mit der weiteren Prüfung des Falls beauftragt.

Wie der ORF berichtet, geht es um jahrelange größere Unregelmäßigkeiten. Angeblich handelt es sich bei den Verflechtungen zwischen Festspielen und Osterfestspielen um eine sechsstellige Schadenssumme. Neben der üblichen Kooperation zwischen Osterfestspielen und Sommerfestspielen, die sich auf die operative Abwicklung der Opernproduktion der Osterfestspiele durch Mitarbeitern der Salzburger Festspiele beschränken sollte, habe es noch andere Verträge mit Einzelpersonen gegeben, sagte die Vorsitzende des Festspiel-Kuratoriums, Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ).

"Da wurden Zahlungen - und zwar in einem beträchtlichen Ausmaß - geleistet, die unserer Meinung nach nicht in Ordnung sind. Davon haben wir die Festspiele informiert, die das umgehend überprüft und eine Entlassung ausgesprochen haben", so Burgstaller. "Nach meiner derzeitigen Einschätzung hätte einer ohne den anderen diese ganzen Geschäfte wahrscheinlich gar nicht machen können. Wir sind auf das Ganze eher zufällig gekommen - durch eine Sonderprüfung im Büro der Osterfestspiele... Wir sind der Ansicht, dass sich einige da unrechtmäßig ordentlich bedient haben. Ein endgültiges Urteil haben aber nicht wir zu fällen, sondern das Gericht", so die Landeshauptfrau. "Was wir tun können, ist, uns von den Menschen zu trennen, die das verursacht haben. Und das haben wir umgehend gemacht. Zum Zweiten versuchen wir, den Schaden wiedergutzumachen, denn es geht hier um Geld der Steuerzahler und der Sponsoren. Und da verlangen wir lückenlose Wiedergutmachung von den Personen und Institutionen, die den Schaden verursacht haben."

Heinz Schaden (SPÖ), Salzburger Bürgermeister und Mitglied des Kuratoriums, verlangt eine lückenlose Aufklärung und Informationen auch für die Öffentlichkeit in einer umgehenden Sondersitzung des Kuratoriums der Salzburger Festspiele.
 

[update, 29.1. – ddp]: Hintergrund der Unregelmäßigkeiten sind Leistungen, die von den Osterfestspielen, die selbst über keine technischen Strukturen verfügen, bei den Sommerfestspielen bestellt und bezahlt wurden. Mithin, so heißt es, könnten die Osterfestspiele zweimal gezahlt haben: einmal ganz offiziell an die Sommerfestspiele, ein zweites Mal unter der Hand an Kretschmer. Als mögliche Schadenssumme ist von einem Betrag von etwa einer halben Million Euro die Rede, die sich Dewitte und Kretschmer geteilt haben könnten.

Rabl-Stadler nannte als offizielle Gründe für Kretschmers Entlassung «Missachtung des Nebenbeschäftigungsverbotes und Vertrauensschwund». Der frühere Technikchef war laut «Salzburger Nachrichten» schon 2001 vom Direktorium der Festspiele gerüffelt worden, weil er ohne Genehmigung seines Arbeitgebers eine eigene Bühnentechnikfirma unterhielt. Wenig später habe Kretschmer dann mitgeteilt, dass er keine eigene Firma mehr besitze. Nach Recherchen des Österreichischen Rundfunks (ORF) war er trotz des Verbots aber weiter an Firmen beteiligt.

Seit seiner Berufung zu den Salzburger Festspielen im Jahr 1991 sorgte Kretschmer als Technischer Direktor zusammen mit mehr als 400 technischen Mitarbeitern dafür, dass beim bedeutendsten Musik- und Theaterfestival der Welt alles glatt über die Bühne ging.

Neben seinem Hauptberuf wirkte Kretschmer auch als Bühnenbildner. 2004 entfachte er in der Inszenierung von Henry Purcells «King Arthur» an der Seite von Regisseur Jürgen Flimm ein wahres Feuerwerk der Bühneneffekte mit Bildprojektionen, einem «Zaubersofa» und von Hand betriebenen Fluggeräten. Als sein organisatorisches «Meisterstück» galt die Aufführung sämtlicher 22 Mozart-Opern bei den Salzburger Festspielen im Mozartjahr 2006.

Als Ersatz für den gefeuerten Technikchef soll nun zunächst ein Interimsdirektor gefunden werden. Zugleich kündigte Rabl-Stadler an, im Rahmen einer Sonderprüfung durch eine Wirtschaftskanzlei das gesamte Bestellwesen der Sommerfestspiele, das Japan-Gastspiel im Jahr 2008 sowie die geschäftlichen Beziehungen zwischen Oster- und Sommerfestival zu kontrollieren. Rabl-Stadler und Burgstaller sprachen sich für eine «lückenlose Aufklärung» aus. Schließlich haben die beiden Salzburger Hochglanzfestivals einen Ruf zu verlieren.

Inzwischen hat Klaus Kretschmer die gegen erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. "Es stimmt, dass ich für die Osterfestspiele tätig war. Es stimmt, dass ich das teilweise nicht kommuniziert habe", sagte Kretschmer am Freitag den "Salzburger Nachrichten". "Aber es stimmt sicher nicht, dass ich Geld bekommen hätte, ohne dafür eine Gegenleistung erbracht zu haben." Er vermutet eine Intrige gegen Dewitte. "Die Stoßrichtung ging gegen Dewitte und ich bin der Kollateralschaden", sagte er. Kretschmer betonte, dass er immer zum Wohle sowohl der Sommer- als auch der Osterfestspiele gearbeitet habe.

Seine Tätigkeit für die Osterfestspiele habe Mitte der 90er Jahre begonnen, als das Festival keinen eigenen Technischen Direktor mehr hatte. Für seine beratende Tätigkeit habe er "Honorarnoten" geschrieben. Deren Höhe wollte er nicht beziffern. Dass er einer unerlaubten Nebentätigkeit nachgehe, sei ihm dabei nicht bewusst gewesen: "Ich hatte den Eindruck, das sei längst bekannt gewesen und werde geduldet." Beide Festivals seien sich "sehr nahe". "Praktisch jeder Mitarbeiter der Salzburger Festspiele hat in irgendeiner Weise mit den Osterfestspielen zu tun." Ein strafrechtlich relevantes Verhalten könne er sich im Zusammenhang mit seiner Nebentätigkeit nicht vorstellen.
Kretschmer will sich vorbehalten, juristisch gegen die seiner Meinung nach ungerechtfertigte Entlassung vorzugehen und möglicherweise Schadenersatz zu verlangen.


 

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