Nach der COVID-19-Pandemie füllen sich die Musikschulen wieder mit zahlreichen Schüler*innen und auch das Konzertpublikum ist einigermaßen zurückgekehrt. Doch bei stark kommunal bezuschussten Institutionen bereiten die Finanzen Anlass zur Sorge: Mitte letzten Jahres gibt der Deutsche Städte- und Gemeindebund eine Pressemitteilung zur „strukturellen Schieflage“ der Kommunalfinanzen heraus. Darin heißt es: „Für das laufende Jahr [2023] rechnen die kommunalen Spitzenverbände mit einem Defizit von 6,4 Milliarden Euro und für das kommende Jahr 2024 von fast 10 Milliarden Euro.“
Mit Zuversicht durch unruhige Wasser
Die Covid-Pandemie und ihre Nachfolgen scheinen längerfristig nicht das Problem der stark kommunal bezuschussten oder getragenen Bühnen und Musikschulen zu sein. Das bestätigen Vertreter*innen beider Branchen gegenüber der nmz: „Die öffentlich finanzierten und getragenen Bühnen und Orchester sind ganz gut durch die Coronapandemie gekommen, hauptsächlich weil sie Kurzarbeit anmelden konnten.“, bringt es beispielsweise Claudia Schmitz, die geschäftsführende Direktorin des Büh-nenvereins, auf den Punkt. Entspannung gibt es aber nicht, schließlich sagt sie weiter: „Dann gab es aber nicht wirklich eine Möglichkeit wieder zur beruflichen Normalität zurückzukommen, sondern es schloss sich direkt die nächste Krise an.“ – Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, mit den spürbaren Auswirkungen der Energie-krise und Inflation. Auch Dirk Mühlenhaus, stellvertretender Bundesgeschäftsführer im Verband deutscher Musikschulen (VdM), schildert, dass sich die Schüler*innen-Zahlen nach Corona wieder relativ gut erholt hätten, die Kooperationen wieder erfolgreich angelaufen wären und die Musikschulen eigentlich zuversichtlich aus der Pandemie gekommen seien, jetzt aber vor erheblichen Mehrkosten stünden. Zu den genannten Faktoren kommen in beiden Branchen steigende Löhne und bessere Personalverträge.
Gerade der letzte Punkt zeigt, wie heikel die Situation sich darstellt: Auch wenn beide Vertreter*innen betonen, dass die verbesserte Lage für die Musikpädagog*innen und Künstler*innen ein wichtiges Zeichen für die Wertigkeit ihrer Arbeit und ein notwendiger Schritt im Kampf gegen den Lehrkräftemangel an Musikschulen seien, kommen sie nicht umhin, die zusätzliche finanzielle Belastung für die jeweiligen Häuser beziehungsweise deren Träger festzustellen. Dazu kommt, dass Hilfspakete des Bundes, wie der knapp eine Milliarde schwere Sonderfonds Energie zum Auffangen der hohen Energiekosten, auch von der bekannten Bundes-Haushaltssperre vom 21. November letzten Jahres betroffen sind: Die Laufzeit dieser Förderung wurde damit um fünf Monate verkürzt, für die entsprechend kein Geld mehr ausgezahlt werden kann.
Trotzdem wirken die Bühnen zuversichtlich: Schmitz stellt fest, dass die Zeiten für alle schwierig sind, sie aber beobachtet, dass den Theatern und Orchestern viel Rückhalt aus der Gesellschaft entgegengebracht wird. So konnte auch für die Häuser, die in ihrer Substanz oder Existenz bedroht waren, zumindest für die nahe Zukunft eine Lösung gefunden werden. Um diese Stellung langfristig behaupten zu können, ist das Projekt „New Alliances“ ins Leben gerufen worden. Deutsche Theater und englische Forscher*innen beziehungsweise Berater*innen gehen dabei gemeinsam der Frage nach, wie auch Menschen abseits des Stammpublikums für die Arbeit der Bühnen begeistert werden können.
Stellung der Musikschulen
Dass es auch die Stellung der Musikschulen sind, die ihnen ihre Finanzen sichern, ist sich Markus Lentz, Leiter der Musikschule Grünwald und 1. Vorsitzender des Verbandes Bayrischer Sing- und Musikschulen sicher: „Wir haben durch die Pandemie und jetzt auch nicht nur durch die Finanzkrise, sondern auch durch die Gesellschaftskrise, den Eindruck bekommen, dass Musikschulen eine starke Bindungskraft für die Gesellschaft haben. Das ist, glaube ich, ein entscheidender Punkt für die Entscheidungsträger.“ So entscheidend, dass er auch in diesen finanziell angespannten Zeiten von neuen Musikschulgründungen berichten kann. Und auch wenn in Bayern kommunal gestützte Vereinsmusikschulen zum Sparen angehalten seien, würde gleichzeitig daran gearbeitet, die öffentlichen Zuschüsse der Vereinsmusikschulen zukünftig gesetzlich von der Höhe dieser nicht tariflich gebundenen Löhne abhängig zu machen: Bei besseren Konditionen soll mehr Geld versprochen werden.
Natürlich weiß auch er von Kommunen, in denen es finanziell so düster aussieht, dass auch die kulturellen Ausgaben in Frage gestellt werden müssen. Wie auch Claudia Schmitz kann er aber versichern, dass es sich dabei noch um Einzelfälle handelt, die seiner Einschätzung nach in den wenigsten Fällen durch die letzten Krisen entstanden sind, sondern eher dadurch verschärft wurden.
Ein solches Beispiel ist die Musikschule in Ludwigshafen. Ludwigshafen ist eine dieser Kommunen, die sich jetzt, Anfang des Jahres für das der Deutsche Städte- und Gemeindebund mit einem Defizit der Kommunalfinanzen von knapp 10 Milliarden Euro rechnet, wegen kritischer Finanzen in einer Haushaltssperre befinden: Das heißt, dass so lange kein Haushaltsplan vorliegt, der die finanzielle Situation ausreichend zu verbessern verspricht und die Sperre nicht aufgehoben wird, keine kommunalen Ausgaben – neben den Pflichtaufgaben – getätigt werden dürfen.
Ambivalente Situation
Die Spuren davon sind sogar bei rein städtischen beziehungsweise kommunalen Institutionen, wie der Musikschule in Ludwigshafen zu spüren. Zwar ist die Bezahlung von deren Personal gesichert, da deren Lohn als Angestellte des öffentlichen Diensts zu den weiterlaufenden Pflichtaufgaben gehört, andere Ausgaben sind aber gesperrt, dazu gehören unter Anderem beispielsweise neue Werbung, Veranstaltungen mit externem Personal oder dafür anzumietende Räume.
So kommt es zu teils wenig intuitiv verständlichen Problemen: Einerseits berichtet Angela Bauer, Musikschulleiterin und Vorstandsmitglied des VdM, dass die Musikschule trotz wiederholter Haushaltssperre aktuell ihr Niveau halten könne, lange Wartelisten habe und als letztes großes Projekt zuletzt aus eigenen Reihen mit einer Chorkooperation die „Carmina Burana“ aufgeführt habe. Andererseits würden aber auch Instrumentenanschaffungen, -instandhaltung und -reperaturen, die Einrichtung der Unterrichtsräume, Unterrichtsmaterialien und neue Unterrichtsangebote in den Bereich der gesperrten Finanzen fallen. Die aktuelle Haushaltssperre sei auch keine Neuheit, man habe sich mittlerweile an den Zeitraum gewöhnt, in welchem der Haushalt gesperrt wird, sodass wichtige Investitionen noch vorher getätigt würden. Nicht immer sei das aber möglich, sodass die letzten beiden Großveranstaltungen, die die Musikschule gar nicht in den eigenen Räumlichkeiten ausrichten kann, letztlich privat aufgefangen werden mussten.
An den Beispielen zeigt sich auch, was die langfristig geplanten drastischen Sparmaßnahmen, mit denen sich Angela Bauer als Leiterin konfrontiert sieht, ausrichten können. Natürlich bleibt der Musikschule das Haus und das Personal erhalten. Wenn aber die Instrumente nicht mehr adäquat gepflegt werden können und auch die Musikschule nicht an ihrer Weiterentwicklung arbeiten kann, ist die Zukunft dieser offensichtlich erfolgreichen Arbeit grundsätzlich infrage gestellt. Wie auch die Theater, die ihre gesellschaftliche Stellung stärken wollen, sieht Markus Lentz von der Musikschule Grünwald die Zukunft der Musikschulen im Stärken ihrer positiven Wirkungen in den Gemeinden: „Wir sehen, dass sich das Bild von Mu-sikschule ändern wird: Dass wir noch mehr in die Breite gehen und dabei die Spitzen- und Begabtenförderung beibehalten. Aber nochmehr diese Bindungskraft, Integrations- und Inklusionskraft stärken. Wer das nicht macht, der kriegt langfristig Probleme.“ Spätestens jetzt werden die Sorgen von Angela Bauer an der Musikschule Ludwigshafen sehr nachvollziehbar.
Da mag naheliegen, die Finanzen über drastische Erhöhungen der Unterrichtsgebühren auszugleichen. Allerdings ist das nicht nur keine Lösung, sondern birgt Gefahren. Claudia Wanner, Pressesprecherin des VdM sagt dazu: „Wenn diese [Musik-schulen] sich gezwungen sehen, aufgrund unzureichender Fördermittel die Unterrichtsgebühren übermäßig zu erhöhen, kann es dazu führen, dass Musikschulunterricht nicht mehr für alle zugänglich ist. Es müssen daher weitere öffentliche Mittel bereitgestellt werden, geht es doch um die Sicherung der Qualität von Musikschulen als kommunal verantwortete Bildungseinrichtungen, die offen für alle sind.“ Das insgesamt zu beobachtende Selbstvertrauen beider Branchen speist sich aus eben dieser Offenheit und der Überzeugung, ihre Unverzichtbarkeit beweisen zu können. Entsprechend blicken sie im Großen und Ganzen auch bei knapperen Kommunalfinanzen oder kurzen Verträgen standhaft in die Zukunft. In den derzeit wenigen Fällen, in denen das Geld aber gesperrt oder stark gekürzt wird, ist dieser Handlungsspielraum nicht immer gegeben. Auch Angela Bauers Zukunftsvisionen sind gesellschaftlich motiviert: „Wir haben in Ludwigshafen einen großen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Gerne würde ich deshalb Baglama oder Saz anbieten.“ Etwas leiser muss sie aber ergänzen: „Das geht aber nicht. Ich kann niemanden einstellen.“
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