New York - Ob die Beatles, Leonard Bernstein, Billie Holiday oder George Gershwin - sie alle standen auf der berühmten Bühne der New Yorker Carnegie Hall. Jetzt wird die Konzerthalle 130 Jahre alt - aber musste wegen der Pandemie zum ersten Mal eine ganze Saison absagen.
Die Betreiber versuchen es mit Humor zu nehmen. «Wie komme ich zur Carnegie Hall? Geduld, Geduld, Geduld», hieß es vor kurzem auf dem Twitter-Profil der berühmten New Yorker Konzerthalle - in Anlehnung an eine in den USA sehr berühmte Anekdote: «Wie komme ich zur Carnegie Hall?», soll ein Spaziergänger einst den Violinisten Jascha Heifetz in Manhattan gefragt haben. Dessen Antwort: «Üben, Üben, Üben.»
Derzeit bringt Üben wenig, Geduld ist gefragt, denn in der Corona-Pandemie mussten die Betreiber der Carnegie Hall zum ersten Mal seit deren Eröffnung am Mittwoch (5. Mai) vor genau 130 Jahren eine ganze Saison absagen. Seit März 2020 ist die Konzerthalle in Manhattan, die als einer der bedeutendsten und akustisch besten Musik-Tempel der Welt gilt, schon geschlossen - und auch der Geburtstag werde deswegen nicht speziell begangen werden, teilten die Betreiber der Deutschen Presse-Agentur mit. Immerhin die Eröffnung der 130. Saison konnte im Oktober doch gefeiert werden - wenn auch nur online, aber mit Star-Musikern wie Gustavo Dudamel, Renée Fleming, Lang Lang und Wynton Marsalis.
Zur Eröffnung der allerersten Saison war einst 1891 Star-Komponist Peter Tschaikowsky höchstpersönlich erschienen und hatte fünf Abende lang Orchester und Chor durch einige seiner Werke dirigiert. «Sie hat den Test bestanden», urteilte danach die «New York Times» über die neue Konzerthalle.
In der ersten Reihe saß damals Ehrengast Andrew Carnegie - der Stahlmogul, der die rund eine Million Dollar zum Bau der Halle mit 2804 Sitzen gespendet hatte. «Music Hall founded by Andrew Carnegie» (auf Deutsch etwa: Musikhalle gegründet von Andrew Carnegie) lautet bis heute der über der Markise stehende offizielle Titel, weltbekannt aber ist der Tontempel in Manhattan unter dem Namen Carnegie Hall. «Es ist wahrscheinlich, dass sich diese Halle mit der Geschichte unseres Landes verbinden wird», prophezeite der Namensgeber.
Die Idee zu der Konzerthalle hatte der deutschstämmige Dirigent Walter Damrosch (1862-1950). Auf einer Schiffsreise über den Atlantik traf er Stahl-Mogul Carnegie (1835-1919), der gerade auf Hochzeitsreise in seine schottische Heimat unterwegs war, und überredete ihn zum Bau. Weil Carnegie mit Erfinder Thomas Edison befreundet war, wurde sein Bauwerk zu einem der ersten mit elektrischem Licht in der Stadt.
Im Mittelpunkt stand immer die Musik: Neben Klassik-Stars wie Leonard Bernstein, Maria Callas, Enrico Caruso, Vladimir Horowitz, Gustav Mahler, Sergej Rachmaninoff und Arthur Rubinstein standen auch Größen aus anderen Genres auf der berühmten Bühne: Duke Ellington, Ray Charles, Judy Garland, Harry Belafonte, Bob Dylan, Ike & Tina Turner, Nina Simone, Shirley Bassey, Edith Piaf, Pete Seeger, Led Zeppelin, die Beatles und die Beach Boys beispielsweise. Liza Minnelli hält mit siebzehn aufeinanderfolgenden Konzerten den Rekord.
Aber Carnegie hatte auch von Anfang an festgelegt, dass sein Bauwerk nicht nur Musiktempel, sondern Mehrzweckhalle sein sollte. Unter anderem Albert Einstein, Winston Churchill und Mark Twain hielten in der Halle Vorträge.
Die Umgebung der Carnegie Hall galt bei der Eröffnung 1891 als verlassen und uninteressant, auch wenn der nördlich davon gelegene Central Park seit einigen Jahren fertiggestellt war. In den 50er Jahren stand die Halle kurz vor dem Abriss. Dann kaufte die Stadt das Gebäude, die es bis heute den Betreibern vermietet - für einen Dollar pro Jahr. Heutzutage ist die 57th Street als «Milliardärsstraße» bekannt, rund um die Carnegie Hall entstanden einige der höchsten Wolkenkratzer der Stadt.
Auf den Straßen herrscht dieser Tage schon wieder reges Leben, seitdem das Infektionsgeschehen in New York sich stabilisiert hat und die Impfkampagne rasch vorankommt. Restaurants und Geschäfte sind geöffnet. Spätestens im Oktober werde auch die Carnegie Hall hoffentlich ihre Türen wieder öffnen können, sagt Direktor Clive Gillinson. «Wir werden weiter mit Medizin- und Gesundheitsexperten sprechen um die beste Herangehensweise und den besten Zeitplan herauszufinden, um Live-Musik sicher zurück in die Hall zu bringen.»