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Monheim Triennale Pressegespräch mit Edith Langgartner, Daniel Zimmermann, Reiner Michalke und auf den Monitoren links Julia Úlehla und rechts Yuniya Edi Kwon. Foto: Niclas Weber für Monheim Triennale

Monheim Triennale Pressegespräch mit Edith Langgartner, Daniel Zimmermann, Reiner Michalke und auf den Monitoren links Julia Úlehla und rechts Yuniya Edi Kwon. Foto: Niclas Weber für Monheim Triennale

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Morgenrot oder Fata Morgana?

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Vom wirklichen Aufstieg und möglichen Fall der „Monheim Triennale“
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Corona ließ Festivals sterben und verunmöglichte Neugründungen. Aktuell wird vielerorts massiv bei Kunst und Kultur gekürzt. Landesweit verdorren Ensembles, Spielstätten, Vereine, Veranstalter. In Köln etwa gibt es kein städtisches Geld mehr für das Festival ACHT BRÜCKEN. Doch nur wenige Rheinkilometer abwärts liegen die Verhältnisse anders. Die kleine Stadt Monheim nördlich von Leverkusen zauberte 2020 eine eigene Triennale aus dem Hut. Ein Wunder? Eine Insel der Seligen? Oder nur die Fata Morgana einer auf Steuersenkung, Pump und Sand gebauten Boomtown?

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Statt nur alle drei Jahre aufzutauchen und dann wieder zu verschwinden, umfasst die „Monheim Triennale“ einen kompletten Dreijahreszyklus. Im ersten Jahr gibt es „The Sound“ mit Klanginstallationen im öffentlichen Raum. Das zweite Jahr bietet „The Prequel“ mit international gastierenden Künstlerinnen und Künstlern. Diese lernen sich vor Ort gegenseitig kennen, entwickeln Projekte und vernetzen sich dank des permanenten Residence-Artists, des Jazzbassisten Achim Tang, bei Workshops mit lokalen Initiativen, Chören, Bläsern, Schulband, Musikschule und allgemeinbildenden Schulen. So werden jung und alt der Stadtgesellschaft integriert. Im dritten Jahr werden schließlich die Ergebnisse bei „The Festival“ präsentiert.

Die zweite Monheim Triennale findet ihren Höhepunkt nun vom 2. bis 6. Juli. Gemeinsam mit Bürgermeister Daniel Zimmermann und Edith Langgartner von der Musikschule Monheim stellte Triennale-Intendant Reiner Michalke bei der Pressekonferenz in der Villa am Greisbach die insgesamt 25 Veranstaltungen vor. Der vormalige langjährige Leiter des Stadtgarten Köln und Moers-Festivals hat sechzehn „Signature Artists“ eingeladen. Sie wurden 2024 bei Proben und Auftritten vom finnischen Regisseur Mika Kaurismäki im Dokumentarfilm „Every Note You Play“ porträtiert, der im Sommer in Kinos und bei Arte gezeigt wird. Nun kehren diese Künstlerinnen und Musiker mit rund hundert weiteren Kunst- und Musikschaffenden aus der halben Welt nach Monheim zurück, um ein Länder- und Genregrenzen übergreifendes Festivalprogramm zu realisieren.

Statt Weltstars setzt Michalke auf Entdecker- und Abenteuerlust in transkulturellen Bereichen zwischen Jazz, Improvisation, Elektronik, Neuer und Globaler Musik. Der fantastische Trompeter Peter Evans aus den USA präsentiert ein großes zweiteiliges Werk für Opernstimmen und Anleihen bei Johann Sebastian Bach. Die aus Australien stammende Shannon Barnett erarbeitet ein Stück mit dem Kölner EOS-Kammerorchester. Darius Jones komponiert für vier Singstimmen, Glocken, präpariertes Vibraphon, Kostüme und Visuals. Einige multidisziplinäre Projekte von Heiner Goebbels, Brighde Chaimbeul oder Peni Candra Rini verbinden Musik, Tanz, Performance, Elektronik, Robotik und Schattentheater.

Julia Úlehla aus Vancouver erforscht die von ihrem Urgroßvater gesammelte morawisch-slowakische Folklore, um unter dem Stichwort „Hospitality“ die Beidseitigkeit von Gastfreundschaft und der verwandten Begriffe „Host“, „Ghost“ und „Gast“ zu thematisieren. Yuniya Edi Kwon aus New York kreiert ein Re-enactment buddhistischer Riten und schamanischer Heilpraktiken, um eine persönliche Leidensgeschichte allgemein erfahrbar zu machen. Das seit Juni 2024 mit samt Begleitpersonal und Familienangehörigen als Residenzorchester in Monheim ansässige Kyiv Symphony Orchestra ist bisher nicht Bestandteil der Triennale, was sich Michalke aber für die Zukunft vorstellen kann.

Hauptveranstaltungsort des Festivals ist die „MS RheinFantasie“ der Köln-Düsseldorfer-Rheinschifffahrt. Hinzu kommen Marienkapelle, Altstadtkirche, das soziokulturelle Zentrum „Sojus“ und die Organisations- und Residenzzentrale „Villa am Greisbach“. Statt wie ursprünglich geplant im Herbst 2024 wird die neue „Kulturraffinerie K714“ wohl erst im Sommer 2026 eröffnet. Dazu wird an der Uferpromenade bei Rheinkilometer 714 die denkmalgeschützte „Alte Fassabfüllhalle“ aus dem Jahr 1914 zur multifunktionalen Spielstätte für Konzert, Theater, Kabarett, Party und Kongress um- und ausgebaut, samt Café, Restaurant, Sonnenterrasse, Parkhaus.

Seit Daniel Zimmermann 2009 Bürgermeister von Monheim wurde, hat die Stadt den niedrigsten Gewerbesteuer-Hebesatz in ganz NRW. Durch neue Unternehmen, Forschungseinrichtungen und kurzerhand ins Steuerparadies verlegte Firmensitze flossen seitdem reichlich Einnahmen in den Stadtsäckel.

Durch Investitionen in Neubauten, Bildung, Sport, Kunst, Verkehr, Vereine, Natur, Energie und vieles mehr hat sich die zwischenzeitlich schuldenfreie Stadt nun jedoch wieder verschuldet und muss sparen. Zimmermann wurde 2014 mit fast 95 und 2020 mit 68 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Bei der nächsten Kommunalwahl im September will er nun nicht mehr antreten. Was wird dann ohne den Macher von Monheim aus der von ihm angestoßenen Triennale?

Bei der Pressekonferenz in der Villa am Greisbach gab sich Zimmermann zwar sicher, dass das Festival auch über 2026 hinaus bestehen bleibt. Doch die Situation ist inzwischen auch in Monheim politisch und wirtschaftlich unsicher. Der bis 2029 laufende Zehnjahres-Vertrag mit Intendant Reiner Michalke umfasst noch einen dritten Dreijahreszyklus. Doch fraglich ist, ob und in welcher Höhe das einst raketenhaft aufleuchtende Moneyhome dann noch Geld für die Triennale ausgibt. Vielleicht wird das Festival-Wunder dann wie die Traumstadt Mahagonny wieder vom Winde verweht.

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