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Moskau: Ein Jahr Hausarrest – Regisseur Serebrennikow bangt um seine Zukunft

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Vor genau einem Jahr gab es einen Aufschrei in der russischen Kulturszene: Starregisseur Serebrennikow wurde wegen angeblicher Veruntreuung festgenommen. Der Künstler steht seitdem unter Hausarrest und bangt in seiner Wohnung um seine Zukunft.

Moskau – Kirill Serebrennikow hat ein langes und einsames Jahr hinter sich. Er selbst spricht von Isolation und Mühlsteinen, die ihn zu zermalmen versuchten. Vor dem Moskauer Gericht, das alle paar Wochen über seinen Hausarrest entscheidet, legt der russische Starregisseur immer wieder sein persönliches Martyrium der vergangenen zwölf Monate dar – ein Jahr im Hausarrest.

Serebrennikow hat keinen Kontakt zur Außenwelt, darf mit kaum einem Menschen telefonieren, und die Nutzung des Internets ist tabu. Er sei eingesperrt in seiner kleinen Wohnung ohne Balkon im Moskauer Stadtzentrum, sagte der unbequeme Theatermacher bei einer Anhörung.

Der zu den bekanntesten Regisseuren seines Landes gehörende Serebrennikow darf lediglich zwei Stunden am Tag für einen Spaziergang nutzen, immer bewacht von Aufpassern. „Die Einschränkungen seiner Freiheit sind sehr belastend für Kirill“, sagt sein Anwalt Dmitri Charitonow der Deutschen Presse-Agentur.

„Deswegen arbeitet er rund um die Uhr.“ Das sei das einzige, was ihm helfe, diese Situation zu überstehen – und ihn am Leben halte. Der Jurist, die Ermittler und sein Vater seien die einzigen Menschen, mit denen der 48-Jährige kommunizieren dürfe.

Hintergrund sind schwerwiegende Anschuldigungen: Serebrennikows Produktionsfirma soll für die Inszenierung des Shakespeare-Stückes „Ein Sommernachtstraum“ über Jahre Fördergelder in Millionenhöhe erhalten haben. Nach Sicht der Ermittler habe der Starregisseur das Geld aber unterschlagen. Auch Serebrennikows Mitarbeiter und die Buchhalterin sind deshalb im Visier der Ermittler.

„Ich sehe seit meiner Festnahme nur absurde Anschuldigungen“, sagt der Theatermacher vor Gericht Mitte August. Er habe heute mehr Fragen als geklärte Antworten. Sein Anwalt ergänzt: „Es gibt keine Beweise für irgendeine Schuld, weil es kein Verbrechen gab.“ Sein Mandant hoffe noch immer, dass es am Ende nicht zum Prozess komme werde und er endlich als freier Mann seine Wohnung verlassen könne.

Ob Filme, Ballett, Oper oder Theater – Serebrennikow gilt als so vielseitig wie kein anderer russischer Künstler. Oft inszenierte der Leiter des renommierten Moskauer Gogol-Theaters im Ausland. Im vergangenen Herbst zeigte die Stuttgarter Oper Serebrennikows unvollendete Inszenierung von „Hänsel und Gretel“ – ohne den Regisseur. Sein Widerstandsfilm „Leto“ über die russische Rocklegende Viktor Zoi wurde beim Filmfestival in Cannes gefeiert – auch ohne Serebrennikow. Die weltweite Unterstützung verfolge der Künstler sehr intensiv, sagt Charitonow.

Kritiker des Verfahrens nennen die Festnahme am 22. August 2017 eine Zäsur in der russischen Kulturszene. Sie werten den Fall als Gelegenheit, Künstler wie Serebrennikow einzuschüchtern oder gleich mundtot zu machen. Serebrennikow provoziert und kritisiert mit seinen Werken, als wäre Kunstfreiheit in Russland selbstverständlich. Der Staatsführung traut er zwar nicht. Dennoch balancierte er zwischen Nonkonformismus und der Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium – das wurde ihm zum Verhängis.

Die Schauspieler des Gogol-Theaters erinnern bei ihren Aufführungen regelmäßig mit Plakaten und Schriftzügen an ihren festgesetzten Chef. Internationale Regisseure wie Volker Schlöndorff und die Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek schickten einen Brief an die russische Staatsanwaltschaft und warben für seine Freilassung – ohne Erfolg.

Noch immer gibt es keine Anklage, geschweige denn Anzeichen, dass es bald zu einem Prozess kommen könnte. Der Hausarrest wird Monat für Monat verlängert. „Das kann noch länger so weiter gespielt werden, wenn sich die Ermittler oder die Staatsanwaltschaft das so wünschen“, sagt Serebrennikows Verteidiger. Sein Mandant hoffe aber weiterhin auf einen fairen Ausgang.

Bis dahin ruft Serebrennikow im Gericht seinen Unterstützern zu: „Ich bin ein freier Mensch, und ich werde alles tun, damit die Mühlsteine mich nicht zermalmen.“

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