nmz 2000/10 | Seite 45
49. Jahrgang | Oktober
Dossier: Musikleben in kleineren Städten
Musik in der Stadt
Zu unserer neuen Serie
Alle reden von Berlin oder von Frankfurt am Main, von Köln, von den großen Städten, in denen Kulturchaoten das Zepter schwingen, ums mager gewordene goldene Kalb herumspringen, lamentieren und mit Kündigung drohen – siehe unser Editorial auf Seite 1. Hier werden mal eben zehn Millionen Mark mehr gefordert, dort werden noch einmal zehn Millionen mehr verlangt. Währenddessen sterben in unseren neuen Bundesländern die kleinen Musikbühnen und Orchester dahin: Brandenburg, Frankfurt an der Oder, Potsdam, Senftenberg, Stendal, Wittenberg – Namen, die man sich merken sollte, um sie jeweils und immer wieder den politischen „Verantwortungsträgern” – ein schönes scheußliches Wort – vorhalten zu können, wenn diese hohlköpfig darüber nachgrübeln, warum denn nur so viele junge Leute es vorziehen, westwärts zu wandern? Oder Skinheads zu werden?
Die genannten Ortsnamen stehen menetekelhaft für einen leichtfertigen, gedankenlosen, allmählich gefährlich werdenden Kulturabbau, dem man nicht dadurch begegnet, in dem ein guter Onkel aus dem Kanzleramt jedem Zögling den Zugang zum Internet verspricht. Humane Bildung ist etwas anderes als ein Infostand via Bildschirm. Glücklicherweise jedoch leben und arbeiten in den vielen kleinen und mittleren Städten immer noch und manchmal auch schon wieder verantwortungsvolle Menschen, die es anders und besser wissen. Die in den Theatern und Musiksälen ihrer Stadt nicht nur Veranstaltungscontainer sehen, vielmehr Begegnungsstätten, Orte, an denen sich eine gleichgestimmte Bürgerschaft zu Musik, Theater, Malerei, Dichtung, zu Gespräch und Diskussion versammelt.
Glücklicherweise auch ist die deutsche Kulturlandschaft noch nicht so versteppt, wie es mitunter in Berlin oder Frankfurt am Main den Anschein hat. Deutschlands Kultur entsteht aus der Summe seiner Landschaften und vieler Städte, nicht allein der großen, sondern mehr noch aus den vielen kleinen und mittleren Orten, deren Kulturetat oft nicht einmal die zehn Millionen Mark erreicht, die große Musikbühnen oder Orchester als Zuschlag einfordern. Im folgenden werden einige dieser Städte mit ihrem Kultur-und Musikleben porträtiert: Darmstadt, Freiburg im Breisgau, Passau, Cottbus, Koblenz – dazu treten aktuelle Kulturberichte unter anderem aus Lübeck. Die Serie, zum Auftakt in einem Dossier gebündelt, wird regelmäßig in Einzelbeiträgen fortgesetzt.