FREO e.V. ist die neue Interessenvertretung der Freien Ensembles und Orchester in Deutschland. Der Verein verfolgt das Ziel, den von frei arbeitenden Musikerinnen und Musikern getragenen professionellen Ensembles und Orchestern eine Stimme zu geben. Zu den Initiatoren zählen das Ensemble Modern, das Freiburger Barockorchester, das Mahler Chamber Orchestra, das Ensemble Resonanz, das Ensemble Musikfabrik, die Kammerakademie Potsdam, das Solistenensemble Kaleidoskop, das ensemble mosaik und das ensemble recherche. Andreas Kolb sprach mit FREO-Vorstandsmitglied Tobias Rempe, hauptberuflich Geschäftsführer des Ensemble Resonanz, anlässlich des Kickoffs des Projekts am 26. Juni im silent green Kulturquartier in Berlin.
neue musikzeitung: Warum kommt FREO e.V., die neue Interessenvertretung der Freien Ensembles und Orchester, erst jetzt? Die ältesten Gründer-Ensembles sind schließlich schon im vierten Lebensjahrzehnt.
Tobias Rempe: Das ist richtig. In all diesen Ensembles haben Musiker ihr berufliches Leben, ihr Schicksal, die Verwirklichung ihrer Ideen in die eigenen Hände genommen, das sind alle von Musikern unternehmerisch geführte Ensembles. In ihnen haben sich Modelle herausgebildet, wie man Klangkörper, wie man auch Kunst und Kunstproduktion unternehmerisch organisieren kann. Es dauerte dann etwas, bis man zur Erkenntnis kam, dass es Gemeinsamkeiten und gemeinsame Herausforderungen gibt, die man in Einzelkämpfer-Art nicht erfolgreich bewältigen kann.
nmz: Wer hat FREO denn erfunden? Ging die Initiative von einem bestimmten Ensemble aus?
Rempe: Es gab eine Arbeitsgemeinschaft „Freie Ensembles“, in der sich die beteiligten Gründungsensembles zusammengeschlossen haben und sich zwei Jahre lang über ihre Arbeit, Herausforderungen, Erfahrungen ausgetauscht haben. Aus dieser Arbeitsgemeinschaft heraus ist dann die Gründung des Verbandes resultiert.
nmz: Es gibt zahllose freie Orchester und Kammerorchester in Deutschland. Wie haben sich gerade diese Spitzen- und Spezial-Ensembles gefunden?
Rempe: Man kann dieses Wort „frei“ natürlich auf viele Arten und Weisen interpretieren. Sowohl im früheren Arbeitskreis als auch jetzt im Verein FREO sind musikergeführte Ensembles versammelt, die hauptberuflich und vollprofessionell arbeiten und deren künstlerische Planungen und wirtschaftliche Geschicke von den Musikern getragen werden. Es gibt sicher unterschiedliche Ausformungen, von weitgehender Basisdemokratie bis zu einer mandatierten Shareholder-Funktion der Musiker. Letzten Endes ist die Verantwortlichkeit und Trägerfunktion der Musiker das Entscheidende. Es sind keine Dirigenten-Ensembles oder Telefon-Orchester dabei. (lacht) Dazu wären wir das radikale Gegenmodell.
nmz: Wie kann man Mitglied werden, wenn man sich interessiert?
Rempe: Wir haben eine Webseite und eine Facebook-Seite. Da kann man sich an uns wenden und bekunden: Wir sind auch ein freies Ensemble und möchten mitmachen. Der FREO-Vorstand entscheidet dann über die Aufnahme.
nmz: Wie kann man sich die Arbeit von FREO vorstellen?
Rempe: Wir sind ein Verein mit einem Vorstand, in dem die Manager von vier Mitglieder-Ensembles versammelt sind, und einer Geschäftsführerin, Lena Krause. Die ersten Schritte sind, dass wir jetzt an die Öffentlichkeit treten und noch weitere Mitglieder aufnehmen, so dass wir eine relevante Größe erreichen. Wir informieren die kulturpolitischen Ansprechpartner, dass wir an Dialog und Kontakt interessiert sind. Das betrifft vor allem auf Bundesebene alle Kulturpolitiker und entsprechende Verwaltungsinstanzen.
nmz: Welche Themen liegen Ihnen da besonders am Herzen?
Rempe: Zunächst wollen wir sowohl in Richtung Förderpolitik als auch Gesetzgebung über die Situation, die spezielle Arbeitsweise und spezifischen Herausforderungen freier Ensembles und Orchester informieren. Allein die drei vielleicht ältesten und berühmtesten der Spezies „Freie Ensembles und Orchester“, das Ensemble Modern, die Kammerphilharmonie Bremen und das Freiburger Barockorchester, haben zu weltweiter Ausstrahlung und Exzellenz der wie man so schön sagt ‚Deutschen Orchesterlandschaft‘ Enormes beigetragen. Gleichzeitig funktionieren sie aber ganz anders als viele andere Orchester, sie gehören den Musikern. Verfolgt man die Diskussion um die deutsche Orchesterlandschaft als UNESCO Weltkulturerbe, kommt in der öffentlichen Wahrnehmung – und ich glaube auch bei den Entscheidungsträgern – an, dass diese Landschaft in der Regel durch Institutionen gebildet wird, die ihre Musiker nach Tarifvertrag anstellen. Dass es da noch einen ganz anderen Bereich gibt, der einen riesigen Beitrag zu Qualität und Weiterentwicklung leistet und entsprechend Respekt verdient hat, ist etwas, worüber man aufklären muss. Weil die Arbeitsbedingungen, definiert durch Förderpolitik und gesetzliche Rahmenbedingungen, nicht vergleichbar sind.
nmz: Was sagt denn die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) zu FREO?
Rempe: Die DOV war und ist sehr erfolgreich darin, die Interessen tarifvertraglich angestellter Musiker zu vertreten. Die Freien Ensembles und freien Musiker haben da keinen großen Platz eingenommen, deswegen ist es gut, dass es jetzt eine Alternative gibt.
nmz: Früher dachte man, freie Ensembles seien lebenszeitbedingt endliche Projekte. Gerade bei den von Ihnen genannten älteren Ensembles stellt sich heraus, auch freie Ensembles bilden längerfristige Strukturen heraus!
Rempe: Genau. Es ist auch eines der großen Missverständnisse, mit denen wir aufräumen wollen, dass freie Arbeit und dauerhafte Strukturen ein Widerspruch wären. Sie sind im Gegenteil eine Notwendigkeit, um immer wieder die Qualität zu erreichen, die da gewachsen ist. Bei vielen ist noch im Kopf, dass Freie Ensembles „lose Zusammenschlüsse“ sind – das ist tatsächlich beinahe wörtlich so aus einer ersten Lesung der Schriftstücke über das UNESCO Weltkulturerbe Deutsche Orchesterlandschaft zitiert. Das entspricht nicht der Realität: Die Musiker sind selbstständig, haben sich aber als Unternehmerkollektiv zusammengeschlossen und sind daher Teil einer auf Dauer angelegten Struktur. Das muss auch so sein, damit diese Qualität dabei rauskommt. Darauf muss man hinweisen.
nmz: Die Ensembles haben sich vom Vorbild Kulturorchester gelöst, also ihren eigenen Klang und ihre eigene Spielkultur entwickelt …
Rempe: Ja, das ist auch kein Wunder, wenn man sieht, wofür dieses Modell der Freien Ensembles oder Orchester steht. Was waren die großen Innovationsbewegungen im 20. Jahrhundert oder in den letzten Jahren in der Orchesterlandschaft? Das sind die Bewegung der historischen Aufführungspraxis und die Entwicklung der zeitgenössischen Musik. Diese beiden sind maßgeblich von Freien Ensembles vorangetrieben oder getragen worden. Natürlich waren bei der zeitgenössischen Musik die Rundfunkanstalten und ihre Orchester auch sehr wichtig, aber die Freien Ensembles haben eine riesige Rolle gespielt! Auch die aktuellen Öffnungsbestrebungen für neue Konzertformate oder die grundsätzliche Selbstbefragung über die Bedeutung und Möglichkeiten von dem, was die Produktion von Kunst und Musik in dieser Zeit bedeuten und bewirken kann, sind Themen, die maßgeblich von den Freien Ensembles vorangetrieben werden.
nmz: Nochmals zurück zur Verbandsarbeit: Für welche Themen setzt sich FREO ein?
Rempe: Strukturförderung ist zum Beispiel ein großes Thema. Es geht uns darum, auf Bundesebene aufzuklären, was es bedeutet, über Projektförderungen den Großteil seiner gesamten Tätigkeit finanzieren zu müssen. Wenn man Projekte wieder und wieder so beantragen und finanzieren muss, dass sie die Struktur dahinter mitfinanzieren, kann man in einen Teufelskreis kommen. Wir wollen zeigen, dass dauerhafte Strukturen notwendig sind und eine eigene Förderung benötigen.
Ein weiteres Beispiel betrifft etwa Rechtssicherheit für unternehmerisch arbeitende Klangkörper. Alle diese Strukturen der Freien Ensembles und Orchester, egal wie unterschiedlich sie im Einzelnen organisiert sind, ob Verein, Stiftung, gemeinnützige GmbH oder ähnliches, haben zum Beispiel die Herausforderung, vier Dinge mit ihrer eigenen Rechtsform unter einen Hut zu bringen, nämlich
1. die Erwerbstätigkeit der Musiker,
2. die Shareholder-Rolle der Musiker – gleichsam die demokratische Kontrolle der Musiker – ,
3. eine Haftungsbegrenzung und
4. die Gemeinnützigkeit der Organisation.
Es ist kompliziert, diese vier Themen innerhalb einer Rechtsform ̶ oder auch in Kombination mehrerer zu organisieren. Man kann den Kreis weiterziehen, dann kommt man zur Scheinselbstständigkeit der auch zu Fragen der Künstlersozialkasse und so weiter. Es gibt viele Graubereiche, die es für die verantwortlichen Entscheidungsträger manchmal zur Herausforderung machen, ihre Organisationen rechtssicher aufzustellen.
nmz: FREO kann auf eine zweijährige Vorgeschichte zurückblicken, wie Sie vorhin erwähnt haben. Was haben Sie bereits gemacht oder gar erreicht?
Rempe: Wir haben an den Sitzungen zur Initiative Deutsche Orchesterlandschaft Weltkulturerbe mitgewirkt, wir sind Teil der Allianz der Freien Künste und haben dort an Vernetzungen in der deutschen Verbandsszene teilgenommen. Wir haben vor allem einen besseren Austausch und das Erkennen von gemeinsamen Interessen und Positionen innerhalb der Szene der Freien Ensembles und Orchester erreicht.
nmz: Könnte FREO auch Zuwendungsempfänger sein?
Rempe: Die Arbeit von FREO wird durch Förderer unterstützt, zum Beispiel durch die Alfred Toepfer-Stiftung und die Aventis Stiftung. Wir würden aber nicht in Stellvertretung unserer Mitglieder Zuwendungen entgegennehmen und weiterverteilen.
nmz: Sie sind auch Gründungsmitglied der Allianz der Freien Künste. Was haben Sie sich dort auf ihre Fahne geschrieben?
Rempe: Es gibt einige Übereinstimmungen und Überschneidungen zwischen dem, wofür sich FREO und dem, wofür sich die Allianz der Freien Künste einsetzt. FREO selbst ist in erster Linie eine Interessensgemeinschaft von unternehmerischen Kollektiven und nicht von einzelnen freien Künstlern. Wir können aber Interessen, die einzelne freie Künstler betreffen, unter Flagge der Allianz der Freien Künste mit begleiten und FREO kann sich selbst explizit auf die spezifische Ausformung „Unternehmerkollektiv, Klangkörper“ ausrichten.
nmz: Es gibt in Deutschland eine ausgeprägte Verbandslandschaft. Gibt es da Andockpunkte oder Kontakte etwa zum Musikrat, zum Deutschen Tonkünstlerverband und anderen?
Rempe: Natürlich. Die gibt es und die werden jetzt mit dem offiziellen Erscheinen von FREO auf der Bildfläche vertieft und ausgebaut. Es ist natürlich in unserem Interesse, uns in der Verbandslandschaft gut zu vernetzen und Gemeinsamkeiten und Schulterschlüsse zu suchen.