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Die musikalische Landkarte Bayerns im Blick: Dr. Irmgard Schmid, Dr. Thomas Goppel und Christiane Franke (v.l.n.r.). Foto: Juan Martin Koch
Die musikalische Landkarte Bayerns im Blick: Dr. Irmgard Schmid, Dr. Thomas Goppel und Christiane Franke (v.l.n.r.). Foto: Juan Martin Koch
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Musikpläne schmieden, aber das Klappern nicht vergessen

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Irmgard Schmid, Christiane Franke und Thomas Goppel – der Bayerische Musikrat im Interview
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Seit Juli 2009 ist Irmgard Schmid neue Generalsekretärin des Bayerischen Musikrats (BMR). Mit ihr, dem seit einem Jahr amtierenden BMR-Präsidenten Thomas Goppel und mit Christiane Franke, Projektleiterin des Netzwerks Musik in Bayern, sprach Juan Martin Koch über bayerische Musikpolitik.

neue musikzeitung: Frau Schmid, Sie haben den BMR bisher wahrscheinlich eher aus der Ferne beobachtet. Von wo aus war das und wie unterscheidet sich nun die Innen- von der Außenansicht?

Irmgard Schmid: Ich komme aus dem Musikveranstaltungsbereich, habe aber auch andere Branchen kennengelernt. In den vergangenen Jahren war ich als Geschäftsführerin bei einem der großen Musikveranstalter in München tätig, habe dann für den Dirigenten Thomas Hengelbrock gearbeitet und bin jetzt sehr glücklich, beim BMR zu sein. Es war mir schon vorher bewusst, wie wichtig jegliche Art von Verbandstätigkeit ist, um die Interessen der Gemeinschaft an geeigneter Stelle zu vertreten, und dass ich genau das jetzt innerhalb des BMR tun kann, freut mich sehr. Was die Außenansicht betrifft, so hatten wir keinen direkten Kontakt, weil die Veranstalter ja im Verband der deutschen Konzertdirektionen organisiert sind, der seinerseits im Deutschen Musikrat Mitglied ist. Aber natürlich kennt man den BMR und nimmt ihn als größte Kulturorganisation Bayerns wahr.

nmz: Auch bei Ihnen, Herr Goppel, hat sich die Perspektive verändert: Vom Minister, der die Vorschläge und Forderungen eines Verbandes zu hören bekommt und politisch bewerten und verfolgen muss, zum Verbandspräsidenten, der nun seinerseits bei den zuständigen Ministerien für die Belange der Musik eintritt. Wie fühlt sich das an, als Abstieg in die Niederungen des Lobbyismus? Und wie vereinbaren Sie diese Arbeit mit dem Landtagsmandat, das Sie weiterhin innehaben?

Thomas Goppel: Ich halte Lobbyismus für nichts Mieses und Minderes, sondern ausdrücklich für eine wichtige Aufgabe, weil die Mehrzahl unserer Bürger sich mit den Themen, die ihnen vorgetragen werden, nur dann auseinandersetzt, wenn jemand sie ganz gezielt damit konfrontiert. Mit solcher Zielvorgabe habe ich diese neue Aufgabe gern übernommen. Außerdem bin ich das Ehrenamt gewöhnt und stelle fest, dass die Freundschaften, die ich in der Zeit der Ministertätigkeit in der Musik habe schließen dürfen, halten und das Fundament sind für eine neue Art der Zusammenarbeit, die – ganz klar – ein bisschen anders ist. Wir nehmen uns jetzt den Sport und seine Organisation ein Stück als Vorgabe dafür, was man erreichen kann, wenn man das Klappern nicht vergisst.

nmz: Gibt es Interessenskonflikte?

Goppel: Wenn man sich keine macht, gibt’s keine. Dem Landtag zu sagen, dass ich gleichzeitig diese Aufgabe wahrnehme, fällt deshalb nicht schwer, zumal ich dafür nichts bezahlt bekomme.

nmz: Wie empfinden Sie, Frau Schmid, die Aufspaltung des BMR in den Verein mit Sitz in München einerseits und in die Projekt-GmbH in Marktoberdorf andererseits, die ja – so zumindest der mediale Eindruck – in letzter Zeit gerade auch mit dem Netzwerk Musik in Bayern öffentlichkeitswirksamer agiert als die Zentrale?

Schmid: Ich halte das für eine sehr sinnvolle Trennung, denn der BMR definiert sich ja einerseits durch seine kulturpolitische Tätigkeit, die hier in München geleistet wird, und andererseits genauso stark durch die konkrete Projektarbeit. Sinnvoll ist sie deshalb, weil eine sehr enge Zusammenarbeit unter anderem dadurch gewährleistet ist, dass das Präsidium des BMR die Gesellschafterversammlung der Projekt-GmbH bildet.

Goppel: Ich habe auf den Rat des damaligen BMR-Präsidenten Wilfried Anton hin schon im Ministerium entschieden, dass wir so etwas wie Marktoberdorf wollen, damit wir uns die kleinkarierte Diskussion über jedes einzelne Projekt bis hin zum Rechnungshof ein Stück weit vom Hals halten. Was den Deutschen Musikrat betrifft, so bin ich folgender Meinung: Wenn man den Verband mit einer solchen Konstruktion vor dem sicheren Bankrott und Tod gerettet hat, dann sollte man sie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

nmz: Seit eineinhalb Jahren liegt der Entwurf zum 3. Bayerischen Musikplan vor. Wie ist der Stand der Verhandlungen mit der Staatsregierung, wann wird er erlassen?

Goppel: Die Staatsregierung hat den Entwurf gerade nach einer wiederholten Abstimmung mit den Verbänden, die bei uns Mitglied sind, an den Landtag geschickt, sodass ich davon ausgehe, dass im Herbst beraten wird. Es wird wohl Frühjahr werden, bis er im Plenum abschließend behandelt wird.

nmz: Was sind die Kernpunkte des neuen Musikplans, inwiefern reagiert er auf Veränderungen der letzten zehn Jahre?

Goppel: Es sind notwendige Fortschreibungen vor allem deswegen angefallen, weil der Musikplan Nummer zwei abgearbeitet war und weil manches nun anders aussieht, als man es am Start vermutet hat. Zum Beispiel ist die Musik im Unterricht in Bayern zwar besser vertreten als in den meisten anderen deutschen Ländern, aber uns reicht das (noch) nicht aus. Wir wollen, dass sich Grund- und Hauptschullehrer wenigstens in einer Richtung aus Kunst, Musik oder Sport besonders profilieren können. Wir hätten gerne, dass mindestens ein Lehrer an der Schule das Fach wirklich studiert hat und andere beraten kann. Bei den Musikschulen und bei den Angeboten auf dem freien Markt finden wir durch die Ganztagesangebote etwas ganz Neues vor und sind an dieser Stelle zwingend veranlasst, uns auch zu rühren. Wenn wir jetzt nicht darauf achten, dass wir mit entsprechenden nachmittäglichen Angeboten an die Eltern und Schüler herantreten, dann werden wir wohl nie mehr richtig Fuß fassen in der Schule. Wir haben uns im letzten Jahr als erstes die auch Ihnen vorliegende Landkarte vorgenommen, um zu sehen, wo wir schon organisiert sind und wo noch etwas fehlt. Wir sind überrascht, dass die weißen Flächen doch relativ geschrumpft sind, aber wir sind auch deutlich darauf gestoßen worden, dass es geländeteilig noch eine Menge Nacharbeit gibt.

nmz: Stichwort flächendeckende Versorgung mit Musikschulen: Dazu hatten Sie noch als Minister den Auftrag an den BMR erteilt, einen Stufenplan zu erarbeiten. Auf welcher Stufe steht Bayern?

Goppel: Wir gehen davon aus, dass die Mitfinanzierung des Staates manche Kommune locken wird, etwas zu tun. Der wesentliche Ansatz aus dem Angebot aus meiner Zeit war: Die Kommunen können damit rechnen, dass sie nicht alleine gelassen werden und auch in Zukunft mit staatlicher Hilfe rechnen dürfen.

nmz: Die darin besteht, dass ein Viertel der Personalkosten übernommen wird …

Goppel: Wir haben da heftige Konflikte mit manchem Sonderanbieter aus diesem Bereich, der sich nicht an die Richtlinien der kommunalen Musikschulen hält. Die Betroffenen möchten gerne, dass wir ihnen den staatlichen Zuschuss genauso zahlen wie der kommunalen Konkurrenz und ihnen dann freie Hand lassen in der Verwendung der Gelder. Wir haben aber drei Konditionen festgeschrieben: 1. Die Kommune muss das ganze Angebot anerkennen, 2. sie muss es auch in entsprechendem Umfang selbst fördern und 3. sie muss bei ihren Musiklehrern zu einem nicht unerheblichen Teil darauf achten, dass sie sozial abgesichert sind.

nmz: Zieht der Anreiz dennoch entsprechend?

Goppel: Unterschiedlich. Das kann kein großes Tempo haben, es kommt auch auf die kommunalpolitischen Gegebenheiten an. Vielfach sind aber die Blaskapellen der Ersatz für die Musikschule, deshalb ist das mit den 40 Prozent Grundversorgung durch die Musikschulen auch nur eine relative Zahl.

nmz: Ein Pilotprojekt im Bereich Chorklassen läuft ja seit einiger Zeit im Bezirk Schwaben. Können Sie, Frau Franke, schon absehen, ob das ein Modell für ganz Bayern sein könnte?

Christiane Franke: Wir haben jetzt zum neuen Schuljahr das Projekt auf Oberbayern ausgeweitet, und es ist natürlich von den Kapazitäten und den Multiplikatoren abhängig, ob das in andere Regierungsbezirke übernommen wird. Wir planen das und haben Rückenwind aus dem Kultusministerium. Man muss allerdings einschränken, dass die Chorstunden keine zusätzlichen Stunden sind, sondern zu Lasten anderer Fächer gehen. Es ist dann die Entscheidung der Schulämter, wie das aus dem Kontingent überplanmäßiger Stunden realisiert wird. Wir haben im Moment den Auftrag, mit einem Pilotprojekt zu zeigen, dass es funktioniert. Dieses soll nachhaltig und übertragbar sein.

nmz: Herr Goppel, wie der Deutsche Kulturrat hatten auch Sie sich gegen die Verabschiedung der so genannten „Schuldenbremse“ ausgesprochen. Gibt es schon negative Auswirkungen? Ist außerdem eine Beeinträchtigung der Finanzkrise im Bereich der Musikkultur zu befürchten?

Goppel: Wenn der Kulturrat und wir in der Schuldenbremse ein Problem sehen, dann deswegen, weil die ersten, die dafür herangezogen werden zu sparen, bisher fast immer die Kulturaufgabenträger waren. Bayern ist bis jetzt eine Ausnahme: Noch ist kein Orchester, kein Theater geschlossen worden. Aber ich sehe schon, dass bei den Milliarden, die jetzt auszugleichen, also zu sparen sind, die Ziele, die wir uns für die nächsten Jahre vorgenommen haben, unter die Räder kommen könnten. Wir müssen uns viele Freunde im kommunalen Lager gewinnen. Ich habe bei meinem Wechsel in den BMR festgestellt, dass es ein wirklich kommunikatives Miteinander wie im Sport in der Musik bis jetzt nur in Ausnahmefällen gibt, dass sich das erst am Anfang befindet.

nmz: Haben Sie, Frau Schmid, Ambitionen als Konzertveranstalterin im Namen des BMR? Wilfried Hiller hatte als BMR-Präsident ja die Idee, dass der Verband sich hier stärker positionieren sollte.

Schmidt: Die Projekt-GmbH macht ja Veranstaltungen, etwa die Europa-Tage der Musik. Aus meiner persönlichen Historie kommt hier sicher kein gesteigertes Bestreben. Was wir aber tun können, um unsere Anliegen besser an die Öffentlichkeit zu bringen, sollten wir tun, letztlich ist das immer eine Frage des Geldes.

Goppel: Und das haben wir nicht. Der BMR ist ja so finanziert, dass er – wenn Sie so wollen – selbst nichts in Szene setzt, sondern den Impuls anderer, etwas tun zu wollen, mit entsprechenden Empfehlungen versieht und da und dort Pate steht, mehr sieht auch unsere Satzung nicht vor.

nmz: Sind Sie mit der Entwicklung an den bayerischen Musikhochschulen zufrieden? Sind die Baustellen Augsburg und München abgeschlossen?

Goppel: Aus Augsburg höre ich, dass man mit der neuen Struktur sehr zufrieden ist, sich jetzt damit zurechtfindet. Die Münchener müssen sich aneinander gewöhnen. Die kombinierte große Hochschule aus dem Richard-Strauss-Konservatorium und der Hochschule für Musik ist zu einer Mordseinheit geworden, die das auch in ihrer Qualität beweisen muss. Vielleicht bleiben ja am Gasteig ein paar Räume des alten RSK frei oder werden es? Liebend gerne zögen wir aus dem Vorort Solln zurück ins Zentrum der Landeshauptstadt. Dort gehören wir Musiker hin.

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