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Komponist Mathias Spahlinger während der Donaueschinger Musiktage 2009. Foto: nmzMedia
Komponist Mathias Spahlinger während der Donaueschinger Musiktage 2009. Foto: nmzMedia
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Musikpolitische Fallrückzieher – man hat sich abgefunden

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Mathias Spahlingers offener Brief zur Förderung durch die Ernst von Siemens Musikstiftung und die Folgen
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Eigentlich wollte der Komponist Mathias Spahlinger nur sagen, dass (seine) Kunst nicht käuflich ist zu Bedingungen, die der Käufer stellt. Eine überarbeitete Komposition Spahlingers sollte bei einem Festival in der Schweiz aufgeführt werden. Es stellte sich für den Komponisten dabei heraus, dass diese Umarbeitung mit Mitteln der Ernst von Siemens Musikstiftung unterstützend finanziert wurde. So war es dem Veranstalter möglich, Spahlingers Arbeit zu honorieren. Darüber mokiert sich der Komponist in einem offenen Brief an die Veranstalter. Denn mit dem Honorar seien Auflagen verbunden, die er, Spahlinger, nicht hinnehmen könne. Logos und Dankessätze müssen platziert werden, gegebenenfalls Ansagen vor der Vorführung gemacht werden.

Jeder, der mit Neuer Musik heute irgendwie in Berührung kommt, kennt die Ernst von Siemens Musikstiftung. Sie verteilt viel und sie verteilt breit, ihr Name ist zur Selbstverständlichkeit in der Szene geworden. Man kann sich schon nicht mehr vorstellen, wie Neue Musik „vor Siemens“ überhaupt existieren konnte. Aber ist Stiften wirklich so segensreich, wie es scheinen mag? Spahlinger missfallen mehrere Dinge. Er greift die Wurzel des Geldsegens ebenso an wie das Stiftungswesen insgesamt. 

Punkt 1: Spahlinger kritisiert, dass das Geld der Stiftung letzten Endes „braun“ getönt sei. Das in der Stiftung angelegte Privatvermögen sei nicht privat, sondern geschöpft aus „sklavenarbeit“ aus der Zeit des Dritten Reichs. Mit ähnlicher Argumentation hat sich Spahlinger 1989 geweigert, beim 

Adorno-Symposium in Frankfurt in den Räumen der Deutschen Bank aufzutreten. Und er sagt auch, dass er mittlerweile darauf verzichtet, auf diese Umstände hinzuweisen („die leute mögen es nicht mehr hören und hören einem auch nicht mehr zu“). Dabei fällt die Abwehr dieses Arguments sichtlich schwer: „Schwamm drüber“ sagen die einen, die anderen weisen darauf hin, dass letztlich die gesamte Kapitalwelt durchzogen ist mit durch Ausbeutung von Arbeitskräften erzielten und fragwürdigen Einnahmequellen auch in den öffentlichen Kassen. Ausbeuter zahlen ebenso Steuern, und die helfen Arbeitsplätze, wie auch denjenigen von Spahlinger (als Kompositions-Professor in Freiburg), zu bezahlen. Dem Kapital entkommt man im kapitalistischen System nicht. Konsequenzen in dieser Richtung zu ziehen, ist von Spahlinger nicht bekannt. 

Punkt 2: Die Frage rührt deutlich tiefer, als es geschichtsvergessene Fatalisten wahrhaben wollen. Das Arrangement mit der Welt, wie sie ist, steht höher als die Arbeit dafür, die Welt so einzurichten, dass sie weniger schuldbeladen ist. Man hat sich abgefunden: Seit mehr als 30 Jahren ist eine Umverteilung der Förderung von Kunst und Kultur vom öffentlichen Sektor auf den privater Stiftungen zu bemerken. Die öffentliche Hand schleicht sich eher gern und bequem aus der Finanzierung und freut sich über private Geldgeber, seien es nun Stiftungen oder nicht. „wer so viel geld hat, dass er stiftungen gründen kann, hat entweder zu geringe löhne und gehälter gezahlt oder zu wenig steuern“, schreibt Spahlinger, und nicht nur da macht er es sich damit zu einfach. Es gibt schließlich auch genügend Privatpersonen, die in mancher Form die Kunstproduktion fördern. Warum denn auch nicht. Überhaupt dürfte die zunehmende Menge der Privatvermögen ein Fass sein, welches erst nach und nach aufgehen könnte. 

Den Preis, den man für die Förderung von privater Seite zahlen muss, ist ein anderer. Die privaten Förderer können fördern, wen und wann sie wollen, manchmal machen sie sich da auch selbst Auflagen. In jedem Fall ist die gesellschaftlich-öffentliche Kontrolle dieses Geldflusses wenig bis gar nicht umsetzbar. Das sollte auch so bleiben, will man keine Verstaatlichung. Doch diese Freiheit kann im Wechselspiel mit Öffentlichkeit und Marktsituation zu einer zunehmenden Verzerrung des Kunstraumes selbst führen. 

Daneben gibt es aber schon einige Merkwürdigkeiten bei der Ernst von Siemens Musikstiftung. Der Komponist und Autor im „Bad Blog of Musick“, Alexander Strauch, macht in einem Blog-Eintrag darauf aufmerksam, dass manche Förderleistung der Stiftung quasi im Haus bleibt, also mehr oder weniger deutlich innerhalb der Stiftung kreist. Kuratoriumsmitglieder partizipieren teils direkt, teils indirekt von Förderprojekten der Stiftung. Strauchs Blogger- und Komponistenkollege Moritz Eggert hält dem entgegen, dass man um die Komponisten des Kuratoriums der Siemens-Stiftung auch kaum herumfördern könne: Wolfgang Rihm, Peter Ruzicka, Beat Furrer und Helmut Lachenmann. Damit macht man es sich allerdings ein bisschen sehr einfach. Auf der politischen Bühne folgen solchen Verbindungen schnell Abstrafungen der Öffentlichkeit. 

Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Denn, wie Eggert zugleich bemerkt, die Ernst von Siemens Musikstiftung stiftet in so umfangreichem Maße Gutes, dass die ganze Szene davon profitiert; außer eben jenen, die nicht davon profitieren. Das freilich ist ein Punkt, der über die Stiftung selbst hinausgeht und auf den öffentlichen Sektor zurückschlägt. Dann nämlich wenn beispielsweise Einrichtungen der Öffentlichkeit wie der Rundfunk mitbeteiligt sind: „leider hat die demokratisch legitimierte kulturpolitik der öffentlichen hand und des öffentlich-rechtlichen rundfunks in deutschland durch das private sponsoren- unwesen viel macht verloren, verweist die künstler zunehmend auf sponsoren und ist selber, unter internem finanz- und legitimationsdruck, auf sie angewiesen – zum teil leider durch eigene unachtsamkeit.“ Durch die stetige Zunahme von Sponsoring – das ja nie uneigennützig ist – werden auch Institutionen in Mitleidenschaft gezogen, die ihrem Auftrag nach uneigennützig sein sollten. Wenn man aber Finanzmittel über Sponsoring einwerben muss, ist man auch vom Wohl und Wehe dieser Unternehmen zunehmend abhängig. Es muss nicht einmal offensiv geschehen, dass sich der Sponsor einmischt, sondern in dem dieser ihm genehmere Veranstaltungen fördert. Vorauseilend wird so von den öffentlichen Institutionen gegebenenfalls eine Programmpolitik verfolgt, die man, könnte alles in eigener Regie laufen, anders aussähe. Das nachzuweisen ist freilich schwierig. Aber eine offene Debatte zu dem Thema wird man kaum erwarten können. Maulkorb und Angst vor Verlust von Förderung halten den Sack geschlossen. 

Der öffentliche Brief Mathias Spahlingers im Wortlaut (in Auszügen)

 

Macht der Ökonomie demokratisch kontrollieren
Auszüge aus Mathias Spahlingers offenem Brief an das Festival „usinesonore“

[…] leider hat man als beteiligter komponist oder interpret nie einen einfluss darauf, wie und woher ein veranstalter das geld bekommt und man liest überrascht oder auch verärgert erst im programmheft, mit wem zusammen man in einem atemzug genannt wird.

[…] die siemens-stiftung knüpft an diese unterstützung verschiedene bedingungen, die ich unerträglich finde.

sie verlangt, dass in meiner partitur stehen soll „kompositionsauftrag von usinesonore“ (was den tatsachen entspricht und mir eine ehre ist) und „finanziert von der ernst von siemens musikstiftung“. niemand mehr kann bei dieser formulierung auf die idee kommen, dass ich ein heftiger kritiker bis gegner des privaten sponsorenunwesens bin und niemals auf die idee käme, die siemens-stiftung um finanzielle unterstützung eines projektes zu bitten, an dem ich beteiligt bin.

[…] diese art der präsentation und die instrumenalisierung von kunst und künstlern als werbeträger (nichts gegen profanierung: eine anders gerichtete art von diesseitigkeit könnte der kunst nicht schaden) läuft meiner einstellung in diesen fragen diametral entgegen und wirkt, wie ich das verstehe, rufschädigend. um eine zurückweisung dieser zumutungen möglich zu machen, verzichte ich auf jedes honorar.

[…] man hört immer wieder sagen, das geld der siemens-stiftung (analoges gilt für andere) stamme aus dem privatvermögen von ernst von siemens und habe mit der jetzt existierenden firma siemens nichts zu tun. ich sagte vorher: das geld der privaten stiftungen ist nicht privat. schon an seiner quelle nicht, denn die quelle ist die kapitalistische wirtschaftsweise, deren ziel es ist, aus geld mehr geld zu machen. 

[…] unter dem konkurrenzdruck sind die „arbeitgeber“ (die die arbeit nehmen und verwerten, sich die werte aneignen, in privateigentum verwandeln) in der lohngestaltung nicht empfindlich. von der sklavenarbeit im nationalsozialistischen konzentrations-lagersystem hat auch siemens profitiert; es fällt schwer zu glauben, dass ernst von siemens, der 1943 stellvertretendes vorstandsmitglied von siemens und halske wurde, davon nichts gewusst haben soll. das allein wäre grund genug, geld nicht haben zu wollen, das mit diesem namen verbunden ist. allerdings habe ich es mir angewöhnt, auf dieses argument zu verzichten; die leute mögen es nicht mehr hören und hören einem auch nicht mehr zu. 

[…] wer so viel geld hat, dass er stiftungen gründen kann, hat entweder zu geringe löhne und gehälter gezahlt oder zu wenig steuern. er hat darüber hinaus seine spendentätigkeit von der steuer abgesetzt, also abermals eigentlich allgemeines eigentum privatisiert, darüber nach eigenem gutdünken verfügt und sein ansehen als wohltäter zuförderst gefördert, indem er „sein“ öffentlich und gemeinschaftlich erwirtschaftetes privatvermögen der öffentlichen verfügung und der demokratischen entscheidung entzogen hat. er hat also eigentlich der demokratie entgegengearbeitet.

in deutschland ist es ein politikum (oder ich wünschte, dass es das wäre), ob und mit welchen sponsoren man etwas zu tun haben möchte. die siemens-stiftung ist nicht für die kultur da, sondern unter der regie der stiftung ist die kultur dazu da, das image des namens siemens zu verbessern. für diesen namen mache ich nicht mit meinem namen reklame. leider hat die demokratisch legitimierte kulturpolitik der öffentlichen hand und des öffentlich-rechtlichen rundfunks in deutschland durch das private sponsoren- unwesen viel macht verloren, verweist die künstler zunehmend auf sponsoren und ist selber, unter internem finanz- und legitimationsdruck, auf sie angewiesen – zum teil leider durch eigene unachtsamkeit. prominente festivals werden mit misch-finanzierung geplant, bei der es unmöglich ist aufzuschlüsseln, welches projekt von wem bezahlt wird. so ist es unvermeidlich (wenn man seinen beruf nicht aufgeben will) in einem programmbuch zusammen mit sponsoren genannt zu werden, mit denen man nichts zu tun haben möchte.

selbstverständlich kann man über fragen des privaten und öffentlichen eigentums und über verteilungsgerechtigkeit fast endlos streiten. ich bin dafür, dass das auch getan wird. und dass nicht, während des lautstarken trommelns für den status quo, alternativen garnicht erst gedacht werden.

es dürfte herausgekommen sein, dass ich den standpunkt vertrete, die macht der ökonomie muss demokratisch kontrolliert werden, dass ich der meinung bin, die siemens-stiftung und vergleichbare organisationen nutzen ihre vormachtstellung im kulturbetrieb schamlos aus zu eigenen werbe- und imagezwecken, zum schaden der kulturarbeit der politisch zuständigen und des öffentlich-rechtlichen rundfunks, und dass sie das erreicht, indem sie geld verteilt, das ihr nicht gehört. 

Der vollständige Brief ist nachzulesen unter: www.nmz.de

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