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ARD-Fernsehen in Gefahr? Foto: Hufner
Nach dem Schweizer Volksentscheid - Wie weiter mit ARD und ZDF? Foto: Hufner
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Nach dem Schweizer Volksentscheid - Wie weiter mit ARD und ZDF?

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Berlin (dpa) - Die Schweizer wollen die Rundfunkgebühr nicht abschaffen. Eine deutliche Mehrheit hat beim Volksentscheid am Sonntag dagegen votiert. Monatelang hatte es darüber heftige Diskussionen gegeben. In Deutschland dürften die Diskussionen um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk trotzdem weitergehen. ARD und ZDF stehen noch vor einigen Aufgaben.

Er sei über die Schweizer Entscheidung erleichtert, sagte Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). «Auf der anderen Seite muss uns zu denken geben, dass rund ein Drittel der Menschen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk so kritisch gegenübersteht, dass sie ihn abgeschafft wissen wollen.»

Die Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist jedenfalls nicht nur in der Schweiz gewachsen. Und das Spektrum der Kritiker ist in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich breiter geworden. Dabei ist der Rundfunkbeitrag hier mit 17,50 Euro pro Haushalt und Monat, also 210 Euro jährlich, deutlich niedriger als in der Schweiz mit umgerechnet rund 390 Euro.

Doch bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag) sprachen sich immerhin rund 39 Prozent der Teilnehmer für eine Abschaffung von ARD und ZDF aus. Rund 55 Prozent waren dagegen. In Ostdeutschland befürworten sogar mehr als 43 Prozent eine Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Sender, in Westdeutschland nur 37 Prozent.

ZDF-Intendant Thomas Bellut räumte am Sonntag in einer Stellungnahme zur Schweizer Entscheidung ein: «Auch in Deutschland müssen sich ZDF und ARD richtigerweise immer wieder einer Legitimationsdebatte stellen und um die Akzeptanz bei den Beitragszahlern kämpfen.»

Tatsächlich ist auch in Deutschland selten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so gestritten worden wie zuletzt. Dabei hatten die Ministerpräsidenten und übrigen Länderchefs erst im Herbst 2016 über die Höhe des Rundfunkbeitrags entschieden, der üblicherweise am meisten Zündstoff bietet. Sie waren sich einig, den Beitrag bis 2020 unverändert bei 17,50 Euro zu belassen. Kein Grund zur Aufregung also, könnte man meinen, denn noch fast drei Jahre bleibt er so, wie er ist. Und das hat die unabhängige Expertenkommission KEF, die das in ihrem aktuellen Zwischenbericht zu prüfen hatte, gerade erst bestätigt.

Diskussionen über den Rundfunkbeitrag danach gibt es trotzdem längst. Auch, weil zum Beispiel der neue ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm einen «Teuerungsausgleich» verlangt - also eine Beitragserhöhung ab 2021. Am Sonntag wertete Wilhelm die Schweizer Entscheidung als ein «wichtiges Signal für unabhängigen Qualitätsjournalismus auch über die Schweiz hinaus».

Doch viele Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wollen aus Prinzip nicht, dass die Sender mehr Geld bekommen als bisher. Solche Kritik gibt es inzwischen von vielen Seiten, auch von der FDP. Nur mit Werbung oder Steuermitteln lasse sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht finanzieren, weil die Sender sonst in Abhängigkeiten geraten würden, sagte FDP-Chef Christian Lindner der «Passauer Neuen Presse» (Online-Ausgabe am Samstag). Allerdings fügte er gleichzeitig hinzu: «Die Gebühr kann in den nächsten Jahren sinken, da gibt es noch erhebliche Sparreserven. Auf keinen Fall dürfen die Gebühren steigen.»

Patricia Schlesinger, Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, hat allerdings auf die schwierige Situation der Sender hingewiesen: «Egal, wie hoch der Beitrag ausfällt, wir ernten immer Häme», sagte sie der «taz» (Samstag). «Senken wir die Gebühr, heißt es: Das sind doch Peanuts. Wollen wir ihn erhöhen, heißt es: Das ist viel zu viel.» Da dürfte es noch viele Diskussionen geben.

Und es sind noch einige dicke Bretter bei ARD und ZDF zu bohren. Eines davon ist die mögliche Neufassung des Telemedienauftrags. Das ist die gesetzliche Grundlage, mit der unter anderem geregelt wird, was die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet dürfen und was nicht. Ein Dauerstreitpunkt vor allem zwischen der ARD und den Zeitungsverlagen.

Mathias Döpfner, Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), hatte beim BDZV-Jahreskongress im September die öffentlich-rechtlichen digitalen Angebote als «gebührenfinanzierte digitale Staats-Presse» bezeichnet, «die den Wettbewerb verzerrt und uns Presseverlagen kaum Entfaltungsmöglichkeiten lässt». Die Verleger möchten auf keinen Fall, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio bei einer Überarbeitung des Telemedienauftrags noch mehr Möglichkeiten zugestanden bekommen.

Genau das forderte Tabea Rößner, Medienexpertin der Bundestagsfraktion der Grünen, am Sonntag, gleich nach der ersten Hochrechnung zum Volksentscheid: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse auch in Deutschland zeitgemäß reformiert werden. «Es bedarf mehr Entwicklungsmöglichkeiten seiner Angebote im Netz, damit er alle Bevölkerungsgruppen erreichen kann», so Rößner.

Und genau dagegen sprach sich nur kurz darauf der Verband Privater Rundfunk (VPRT) aus, der forderte, die Medienpolitik solle «bei den Programm- wie Onlineangeboten von ARD und ZDF klare Grenzen ziehen und auch Einschnitte ohne Denkverbote wagen». Und mehr noch: «Aus Rundfunkbeiträgen sollten nur solche Inhalte, Angebote und Verbreitungswege finanziert werden, die Zuschauern und -hörern einen Zusatznutzen zu den übrigen Medienangeboten bieten.»

Der für Medien zuständigen Kulturminister in Sachsen-Anhalt, Rainer Robra (CDU), sagt nun voraus: «Mit der heutigen Abstimmung in der Schweiz ist der Diskussionsprozess in Europa nicht beendet, sondern er fängt jetzt erst richtig an.» Es spricht viel dafür, dass er damit richtig liegt.