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Anwältin der freien Ensembles und Orchester: Lena Krause. Foto: Julia Bornkessel
Anwältin der freien Ensembles und Orchester: Lena Krause. Foto: Julia Bornkessel
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Nachhaltige Strukturförderung bleibt das Thema Nr. 1

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FREO-Geschäftsführerin und neues Musikratspräsidiumsmitglied Lena Krause im Gespräch
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FREO e.V. wurde 2016 gegründet und ist somit einer der jüngeren Musikverbände aus der Vor-Corona-Zeit. Der Verein vertritt die Freien Ensembles und Orchester in Deutschland. Seit der Gründung des Ensemble Modern vor vier Jahrzehnten hat diese Organisationsform immer mehr an Beliebtheit gewonnen, nicht nur im Bereich der zeitgenössischen Musik. Die neue musikzeitung will im Gespräch mit der Geschäftsführerin Lena Krause ein erstes Fazit nach sechs Jahren Arbeit von FREO e.V. ziehen.

neue musikzeitung: Mit welchem Impetus ging man vor sechs Jahren an den Start?

Lena Krause: Eines der großen Themen war beispielsweise die Sichtbarkeit von freien Ensembles und Orches­tern. Unserer Meinung nach hat sich diese in jüngster Zeit tatsächlich deutlich verbessert. Angefangen haben wir mit neun Gründungsmitgliedern, aktuell sind wir bei 35 Mitgliedern. Aus eigener selbstkritischer Perspektive wäre es natürlich schön, wenn wir noch mehr wären, schließlich gibt es noch viel mehr frei organisierte Ensembles und Orchester. Doch angesichts unserer Ressourcen und Vorhaben sagen wir uns: Wir wachsen lieber langsam und stetig, denn wir wollen eben unsere Mitglieder stets mitnehmen.

nmz: Wer darf denn dem Verein FREO beitreten? Muggenorchester oder Telefonensembles sind sicher nicht erwünscht?

Krause: Wir haben keinen starren Kriterienkatalog. Aber ein paar Kriterien haben wir formuliert und dazu zählt zum Beispiel, dass der Großteil der Mitglieder eines Ensembles hauptberuflich selbstständig tätig sein soll. Auch sollte es einen Mitgliederstamm mit Konstanz in der Besetzung geben, sei es wirklich eine feste Stammbesetzung oder ein gleichbleibender Musiker*innenpool. Wir schauen auch darauf, dass das Ensemble oder Orchester regelmäßig aktiv und professionell tätig ist. 

nmz: Sie sind seit Januar 2019 das Gesicht von FREO. Wie sind Sie zu FREO gestoßen?

Krause: Als Geschäftsführerin bin ich jetzt seit drei Jahren bei FREO, habe aber den Verband mitgegründet, als ich noch Managerin und Büro- und Produktionsleiterin beim ensemble mosaik in Berlin war.

Während des Studiums der Musiktheaterwissenschaften an der Universität Bayreuth und Theater- und Orchestermanagement an der HfMDK Frankfurt/Main habe ich die freien Ensembles und Orchester kennengelernt, vor allem in der zeitgenössischen Musik. Seither möchte ich nichts anderes machen. Darüber hinaus engagiere ich mich als Sprecherin der Allianz der Freien Künste und mittlerweile auch im Präsidium des Deutschen Musikrats. Weitere berufliche Stationen waren: Geschäftsführerin Atelier Neue Musik HfK Bremen, Managerin ensemble mosaik Berlin und freie Mitarbeiterin bei den Darmstädter Ferienkursen.

nmz: Wie finanziert sich der FREO?

Krause: Da sind zunächst die Mitgliedsbeiträge, gestaffelt nach Jahresumsatz in drei Stufen. Projektbezogen haben wir auch immer wieder Förderungen, zum Beispiel von der Aventis Foundation oder auch von der Alfred Toepfer Stiftung für die erste FREO-Studie „Die Deutsche Orchesterlandschaft“ von Martin Rempe. Jetzt akquirieren wir auch weiter projektbezogen Gelder und stellen entsprechend Anträge, etwa für digitale Kommunikationsstrategien. In der Pandemie hatten wir auch einfach Glück: Igor Levit hatte verschiedenste Spendenaktionen durchgeführt, bei denen FREO zu den Begünstigten zählte.

nmz: Was genau machte Igor Levit?

Krause: Er hatte für einen 15-stündigen YouTube-Live-Stream von Erik Saties Klavierstück „Vexations“ die Partitur 840 mal kopiert. Diese 840 Kopien hat er in einer stillen Auktion über das Auktionshaus Grisebach versteigert und der Erlös ging zu 50 Prozent an die Stiftung Artist Relief Tree in den USA und zu 50 Prozent an uns. Dann gab es eine zweite Aktion, bei der der anonyme Käufer jedes einzelne Notenblatt weiterverkauft hat, für hundert Euro das Stück. Davon ging die Hälfte an die Musiker-Nothilfe der Deutschen Orchesterstiftung und die andere Hälfte an uns. Ganz aktuell läuft ein Projekt zum 30-jährigen Jubiläum des Black Album von Metallica. Dazu hat Igor Levit ein Cover von „Nothing Else Matters“ eingespielt, das auf dem Tribute Album „The Metallica Blacklist“ mit 52 anderen Künstler*innen erschienen ist. Alle Erlöse dieses Albums gehen an gemeinnützige Organisationen und wir sind dort auch benannt.

nmz: 2021 wurde eine neue Regierung gewählt und man blickt gespannt in Richtung neue Bundeskulturpolitik. Claudia Roth hat das Amt der Staatsministerin für Kultur und Medien von Monika Grütters übernommen. Spielt die Bundeskulturpolitik überhaupt eine Rolle für FREO?

Krause: Sicher... Innerhalb der Neustart-Kultur-Programme ist beispielsweise auch ein Förderprogramm für Freie Musikensembles entstanden – verwaltet durch den Deutschen Musikrat – an dem wir aktiv mitgearbeitet haben, was die Formulierung der Förderkriterien angeht. Wir sehen tatsächlich in diesem Neustart Kulturprogramm auch eine Chance, und zwar zweierlei Natur: Einerseits um einen Wissensstand zu bekommen über freie Ensembles und Orchester –wie arbeiten die Ensembles, wie groß sind sie oder auch für welche Projekte sie Gelder einsetzen. Andererseits als Chance, ein Programm dieser Art auch weiterzuentwickeln und zu verstetigen. Vor dem Hintergrund spielt die Bundespolitik für uns eine zentrale Rolle, ebenso vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags, der bezüglich der Kulturpolitik vorsieht, die freie Szene in ihren Strukturen zu stärken. Wir bewegen uns in Themenfeldern wie zum Beispiel internationale Besteuerung, Rücklagenbildung im Kontext vom Zuwendungsrecht oder auch die Frage sozialer Absicherung einzelner Musiker*innen.

nmz: Sichtbar wird FREO jetzt auch im Deutschen Musikrat, nämlich in Ihrer Person: Sie sind ins Präsidium gewählt worden bei der jüngsten Mitgliederversammlung. Was sehen Sie als Ihre primäre Aufgabe innerhalb dieses Verbandes?

Krause: Wir wurden gebeten, zur Wahl einen Slogan zu formulieren und mein Slogan war „Für die Freien“. Das ist der Schwerpunkt, mit dem ich in die Arbeit im Präsidium gehe, um dort insbesondere die Themen der freien Szene weiter zu bespielen, sei es mit Blick auf soziale Sicherung, sei es mit Blick auf Strukturförderung, um nachhaltige Verwaltungsstrukturen auch bei freien Organisationen zu etablieren. Ich möchte im Deutschen Musikrat die Perspektive und die Situation der Freien stärken.

nmz: Was sind derzeit die drängendsten Aufgaben für FREO?

Krause:  Die Frage, wie freie Strukturen nachhaltig und langfristig finanziert und gesichert werden können, also Strukturförderung für Freie Ensembles und Orchester.

Das Thema der Honorarstandards bewegt uns auch immer stärker. Natürlich vertreten wir zuerst die Organisation, aber da die einzelnen Musiker*innen in unseren Organisationen so eine besondere Rolle spielen, widmen wir uns auch sehr intensiv diesem Thema. Eine weitere Aufgabe stellt die Krisenfestigkeit im Kontext Rücklagenbildung dar, welche wiederum im Zusammenhang steht mit Zuwendungsrecht, Gemeinnützigkeitsrecht und anderem. Das sind riesige Bretter, die wir da anbohren.

Weiterhin wünschen sich unsere Mitglieder Sichtbarkeit, Aufklärung und Wissensvermittlung. In dem Kontext arbeitet FREO an der Entwicklung eines großen Studienprojekts, das die Szene erstmalig auch ganzheitlich erfassen soll. In der Folge sollen Kriterien entwickelt werden, um diese freien Ensembles & Orchester besser zu beschreiben, besser zu definieren und auch vielleicht von anderen freien Organisationen abzugrenzen.

nmz: Sind Sie denn ein Verein speziell für zeitgenössische Musik?

Krause: Nein. Wir haben uns von Anfang an als nicht spartenspezifischer Verein gesehen. Uns geht es um die Organisationsform. Unsere Gründungsmitglieder sind auch nicht nur aus der zeitgenössischen Musik, wie zum Beispiel das Mahler Chamber Orchestra oder das Freiburger Barockorchester.

nmz: Mit welchen Verbänden und Vereinigungen arbeitet man zusammen?

Krause: Wir arbeiten eng zusammen mit dem Deutschen Musikrat und mit dem Deutschen Kulturrat. Gemeinsam mit Letzterem haben wir uns auf bundespolitischer Ebene sehr stark für die Veränderung der Corona-Einreise-Verordnung eingesetzt. Dann ist ein sehr wichtiges Netzwerk für uns die Allianz der freien Künste, die wir mitgegründet haben. Darin sind aktuell 19 Bundesverbände der freien Szene von der Bildenden Kunst, über die darstellenden Künste, Jazz, Zirkus bis hin zur Alte Musik organisiert. Die Allianz, deren Sprecherin ich bin, ist sehr wichtig für uns – gerade mit Blick auf die Bearbeitung von Fragestellungen im Bereich Sozialpolitik. Auch die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) ist ein wichtiger Partner. Wir sind in einem regelmäßigen Austausch, insbesondere weil die DOV auch für das Thema der Honorarstandards die Aufmerksamkeit erhöht hat.

nmz: Die Freien wollen, sollen und müssen kein Dumping betreiben, was die Honorarstandards angeht?

Krause: Auf jeden Fall. Es ist sehr schwierig, hier einen gemeinsamen Nenner zu finden, weil der Jazz ganz anders als Alte Musik oder Neue Musik arbeitet. Die Sparten funktionieren so unterschiedlich. Und häufig sind sozusagen die Freien Ensembles und Orchester auch Opfer der Rahmenbedingungen. Wenn beispielsweise bei Projektförderung die beantragte Fördersumme auf 75 Prozent gekürzt wird, dann geht das häufig zulasten der Honorare.

Es ist sehr schwierig, wenn man so viele Abhängigkeiten in diesem System hat. Wir müssen zu dem Punkt kommen, an dem einfach klar wird: Musik machen ist Arbeit, das ist für diese Menschen deren Lebensunterhalt und das muss angemessen bezahlt werden. Punkt.

nmz: Es werden trotz aller Fragen viele neue freie Ensembles gegründet. Also doch ein Erfolgsmodell? Worin liegt die Attraktivität?

Krause: In der Kombination aus Verschiedenem. Das Attraktive ist tatsächlich, dass für viele, die jetzt aus den Hochschulen kommen, das Arbeiten in der Festanstellung nicht mehr unbedingt das oberste Ziel ist. Auch Fragen der Work-Life Balance, das Gestalten des Arbeitsumfelds, die Umsetzung eigener Kreativität spielen eine Rolle. Da hat man mehr künstlerische Freiheit als bei der Festanstellung im Kulturorchester.

Das Interview führte Andreas Kolb

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