Mit drei neuen Themenportalen hat das Deutsche Musikinformationszentrum (MIZ), ein Projekt der Deutscher Musikrat gGmbH, in jüngster Zeit auf sich aufmerksam gemacht, zuletzt in den Bereichen „Musik und Integration“ sowie „Fort- und Weiterbildung“. Juan Martin Koch hat mit Projektleiter Stephan Schulmeistrat gesprochen.
neue musikzeitung: Vor zwei Jahren haben Sie die Leitung des MIZ übernommen. Was waren seitdem die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Stephan Schulmeistrat: Das MIZ hat ein enormes Aufgabenspektrum bewältigt. Allein drei neue Großprojekte wurden seit 2017 aus der Taufe gehoben: Mit dem Themenportal „Kirchenmusik – Musik in Religionen“ konnten wir eine lang klaffende Lücke im Informationsangebot des MIZ endlich schließen. Den Ansatz der kulturellen Vielfalt, den wir mit der Kirchenmusik begonnen haben, wo eben explizit auch andere in Deutschland vertretene Religionen betrachtet wurden, konnten wir mit dem Thema „Musik und Integration“ dann folgerichtig und systematisch ausbauen. Zuletzt haben wir ein neues Informationsportal zur musikalischen Fort- und Weiterbildung eröffnet. Darüber hinaus entstanden aber auch kleinere Formate, so haben wir beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Deutschen Konzerthauskonferenz eine erste umfassende Bestandsaufnahme zur Konzerthauslandschaft in Deutschland vorgelegt oder die Rolle der Musikberichterstattung in Print- und Onlinemedien beleuchtet.
nmz: Daneben läuft aber das Tagesgeschäft weiter…
Schulmeistrat: So ist es. Wir arbeiten ununterbrochen an der Fortschreibung und Weiterentwicklung unseres Informationsangebots: darunter die Institutionendatenbank mit mittlerweile über 10.000 Einrichtungen des Musiklebens, die umfassende musikstatistische Datensammlung oder auch die Vielzahl an Fachbeiträgen zum Musikleben, die auf der Grundlage unserer Quellen die einzelnen Teilbereiche in ihren Strukturen und Entwicklungen in den Blick nehmen.
nmz: Wie ist die Konzeption zum neuen Portal „Musik und Integration“ entstanden? Als schnelle Reaktion oder als langfristige Planung?
Schulmeistrat: Wir konnten auf Vorarbeiten zurückgreifen, die wir schon 2015 gemeinsam mit dem Generalsekretariat des Deutschen Musikrats präsentiert haben. Damals hatten wir das Thema auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung quasi aus dem Stegreif auf die Tagesordnung gesetzt und die vielen Hilfsangebote, die für Flüchtlinge initiiert wurden, sichtbar gemacht. Zum Vorschein kam eine bundesweit beeindruckende Fülle an Projekten, die die spezifischen Möglichkeiten der Musik für die Begegnung mit Geflüchteten nutzten – von Instrumentenspenden und Musikunterricht über gemeinsame Musizier- und Patenschaftsprojekte bis zu musiktherapeutischen Angeboten. Dies war eine Grundlage, auf die wir bei der Entwicklung des neuen Portals aufbauen konnten. Wir sind allerdings einen großen Schritt weiter gegangen, indem wir in enger Abstimmung mit der Praxis verstehen wollten, wo die heutigen Herausforderungen der Integrations- und interkulturellen Verständigungsarbeit liegen und was die Akteure benötigen, um die Qualität ihrer Angebote weiter zu stärken. Wir möchten die Szene mit dem neuen Angebot besser vernetzen und gleichzeitig ein zentrales Forum des Austauschs anbieten. Wir sind sehr glücklich, dass das MIZ ein solch aktuelles gesellschaftspolitisches Thema nun abbilden kann.
nmz: Das Journal, die Fachbeiträge und das Forum sind zentrale Elemente des Portals. Welches Konzept steckt dahinter?
Schulmeistrat: Die Datenbank, in der man zielgenau, unter geografischen und inhaltlichen Gesichtspunkten nach Projekten recherchieren kann, bildet zwar einen Kern des Angebots. Wir wollen aber breiter auch über Hintergründe informieren. Deshalb haben wir im Journal Kurzporträts zu Projekten versammelt, bei denen die Akteure zu Wort kommen und von ihren Erfahrungen erzählen. Die unterschiedlichen Facetten von Integrationsarbeit werden dadurch sehr plastisch erlebbar. Darüber hinaus stellt das Portal aber auch Fachbeiträge bereit, die sich wissenschaftlich mit der Rolle der Musik als Medium in der Integrationsarbeit beschäftigen oder konkret die Praxis und die Herausforderungen von Projekten beschreiben.
nmz: Das Journal ist frei zugänglich, das Forum aber nicht – warum?
Schulmeistrat: Uns war es wichtig, für den Austausch von Informationen einen geschützten Raum zu schaffen. Das können die sozialen Netzwerke nur bedingt bieten. Man muss sich also als Veranstalter oder als Benutzer bei uns registrieren.
nmz: Wie wird dieses Angebot angenommen?
Schulmeistrat: Wir können noch keine abschließende Bilanz ziehen. Aber schon über 300 Projekte sind in der Datenbank verzeichnet, und wir hoffen, dass die Szene im MIZ einen zentralen Ort des Austauschs und der Kommunikation findet.
nmz: Haben Sie Ihr Team für das neue Portal aufgestockt?
Schulmeistrat: Wir sind sehr dankbar, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) das Projekt für einen Zeitraum von 18 Monaten finanziert hat. Wir hatten einen zusätzlichen Mitarbeiter, der in der technischen und inhaltlichen Konzeption mitgewirkt hat. Ohne diese Hilfestellung hätten wir das Thema nicht in der Weise bearbeiten können. Mittlerweile ist diese Stelle allerdings ausgelaufen, und wir sind nun in Gesprächen, das Projekt zukunftsfähig zu machen.
nmz: Die neuen Portale sind anders gestaltet als die bisherigen Seiten des MIZ. Ist da ein Relaunch im Gange?
Schulmeistrat: Ganz genau! Ein grundlegender Relaunch der Webseite ist längst überfällig – das Mädchen, das Sie auf der alten MIZ-Seite noch sehen, ist mittlerweile eine erwachsene Frau… Wir müssen uns im Zuge der zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft technisch und was die Präsentation und Dokumentation der enormen Bandbreite an Informationen angeht, ganz neu aufstellen. Mit den neuen Portalen haben wir einen ersten Schritt in diese Richtung getan, der nun konsequent fortgesetzt wird. Wir sind der BKM sehr dankbar, dass sie uns bei der Finanzierung dieses Mammutprojekts unter die Arme greift. Der Relaunch des MIZ wird uns bis mindestens 2020 beschäftigen.
nmz: Welche Neuerungen bietet das Fort- und Weiterbildungsportal? Solche Kurse und Angebote konnte man ja schon früher im MIZ finden.
Schulmeistrat: Das ist richtig. Wir haben das Thema aber mit dem neuen Portal auf eine neue Entwicklungsstufe gehoben. Die Darstellung der jährlich über 2.000 vom MIZ zusammengetragenen Kurse und Kongresse ist nun viel übersichtlicher gegliedert, die Suchmechanismen wurden grundlegend überarbeitet und den Bedürfnissen der Nutzer angepasst. Darüber hinaus bietet das Portal viele neue Komponenten. So informiert ein Fachbeitrag über Zielgruppen, Themenfelder und Vermittlungsaspekte in Fort- und Weiterbildungsangeboten; ein „Musikatlas“ verzeichnet Standorte und Angebote der über 300 öffentlichen und privaten Veranstalter, die ihre Kurse im MIZ präsentieren, und auch die Arbeit der Bundes- und Landesakademien wird ausführlich beleuchtet.
nmz: Der letzte gedruckte Musik-Almanach ist 2007 erschienen, 2011 wurde „Musical Life in Germany“ veröffentlicht. Welche Zukunft haben solche gedruckten Kompendien?
Schulmeistrat: Unser Hauptgeschäft liegt heute im Digitalen. Der Musik-Almanach wurde aus gutem Grund nicht mehr in Printform herausgegeben, weil das Internet hier einfach die besseren Möglichkeiten bietet, vor allem in Bezug auf Aktualität und Durchsuchbarkeit von Daten. Gleichzeitig sehen wir aber, dass Gedrucktes ganz wichtig ist, um unserem Dokumentationsanspruch gerecht zu werden. Wir sind dabei, für das kommende Jahr eine neue Publikation vorzubereiten, die das Musikleben in all seinen Facetten spiegeln wird. Im Vergleich zu „Musical Life in Germany“ wird der neue Band ein noch breiteres Spektrum an Themen umfassen. Es wird nicht nur viele neue Autoren, sondern auch ganz neu konzipierte Beiträge geben, unter anderem zu den Themen freie Ensembles, Jazz, Weltmusik oder Musikpublika. Wir überlegen auch, im Anschluss eine englische Fassung der Publikation herauszubringen. Das internationale Interesse am Musikleben in Deutschland ist offensichtlich, zu etwa 25 Prozent kommen unsere Nutzer aus dem Ausland.
nmz: Das MIZ ist nun schon 20 Jahre alt, wie sehen Sie dessen Zukunft?
Schulmeistrat: Das MIZ ist längst einem Projektstatus entwachsen, es hat sich zu einer festen Einrichtung etabliert, die aus dem Musikleben nicht mehr wegzudenken ist. „Wenn es das MIZ nicht gäbe, müsste man es erfinden“, wird oft bekundet. Dieser enorme Zuspruch bestärkt mein Team und mich sehr in unserer Arbeit. Was uns aber vor große Herausforderungen stellt, ist die aktuelle Finanzierungssituation. Schon länger zeichnet sich ab, dass das derzeitige Budget nicht ausreicht, um das MIZ sicher in die Zukunft zu führen. Ich bin gemeinsam mit der Geschäftsführung des DMR, dem Aufsichtsratsvorsitzenden und unserem Beirat jedoch in intensivem Dialog mit unseren Geldgebern und wir sind zuversichtlich, dass bald eine tragfähige Lösung gefunden wird.