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Noten allein machen noch keine Musik

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Mit EDuR nehmen die Musikschulen den Interkommunalen Leistungsvergleich auf
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Leistungsvergleich – der Begriff erinnert an sportlichen Wettkampf oder an “Jugend musiziert“. So gesehen ist es verständlich, dass seit kurzem ganze Musikschulen an den Start gehen, um um herausragende Leistungen zu wetteifern. Bundesweit waren es in kurzer Zeit mehr als 50, die in den Interkommunalen Leistungsvergleich auf der Basis eines von der Bertelsmann Stiftung und dem Verband deutscher Musikschulen (VdM) entwickelten Programms eingetreten sind. Jeweils eine überschaubare Zahl von an Größe und Struktur ähnlichen Musikschulen tun sich in Vergleichsringen zusammen, steigen gewissermaßen in der gleichen Gewichtsklasse in den Ring. Ein freundliches Spiel unter Kollegen, um den Klassenbesten zu ermitteln?

Leistungsvergleich – der Begriff erinnert an sportlichen Wettkampf oder an “Jugend musiziert“. So gesehen ist es verständlich, dass seit kurzem ganze Musikschulen an den Start gehen, um um herausragende Leistungen zu wetteifern. Bundesweit waren es in kurzer Zeit mehr als 50, die in den Interkommunalen Leistungsvergleich auf der Basis eines von der Bertelsmann Stiftung und dem Verband deutscher Musikschulen (VdM) entwickelten Programms eingetreten sind. Jeweils eine überschaubare Zahl von an Größe und Struktur ähnlichen Musikschulen tun sich in Vergleichsringen zusammen, steigen gewissermaßen in der gleichen Gewichtsklasse in den Ring. Ein freundliches Spiel unter Kollegen, um den Klassenbesten zu ermitteln?Sieht man die öffentlichen Musikschulen in einen anderen Wettbewerb gestellt, nämlich den des Marktes, bekommt das Thema eine ernstere Seite. Musikschulen, die im öffentlichen Interesse einen Bildungsauftrag zu erfüllen haben, sind dem freien Markt ein Stück weit enthoben, und zwar sehr bewusst – damit eben dieser Bildungsauftrag nicht durch merkantile Einflüsse verfälscht oder gefährdet wird. So ermöglichen die öffentlichen Investitionen den Musikschulen, als Einrichtungen der kulturellen Grundversorgung Aufgaben zu erfüllen, welche bildungs-, kultur- und jugendpolitisch gewollt sind. Durch die fast allerorts knappen kommunalen Kassen wird dieser Schutzraum überschattet, dort zumal, wo das beständig eingeforderte größere Engagement der Bundesländer immer noch auf sich warten lässt. Bereitet der Interkommunale Leistungsvergleich also eine Entlassung der Musikschulen in den freien Markt vor?

So leicht machen die Kommunen es sich nicht, denen ein jahrzehntelanges vorbildliches Engagement für ihre Musikschulen zu bescheinigen ist. Nicht nur für Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee sind „die Musikschulen die Basis unseres Musiklebens“. Josef Deimer brachte es als Oberbürgermeister von Landshut und damaliger Präsident des bayerischen Städtetages auf den Punkt: „Eine Stadt, die etwas auf sich hält, muss eine Musikschule haben“. Dieser gesellschaftliche Auftrag der Musikschulen ist Grundlage und Ausgangspunkt für alle damit zusammenhängenden Überlegungen. Geld für Leistung ist auch im kommunalen Bildungs- und Kulturbereich ein geltendes Prinzip, und daran knüpft sich bereits eine allgemein gängige Spielregel des Wettbewerbs: Den Zuschlag erhält, wer die geforderten Qualitäten erbringen kann. Das Prinzip des Controlling, also des messenden Beobachtens, ob Ziele erreicht werden, und des Aufzeigens von Stellschrauben, an denen andernfalls steuernd zu drehen wäre, ist in reformorientierten Verwaltungen allenthalben eingeführt. Auch Musikschulen müssen sich daher ernsthaft umsehen.

Andererseits: So leicht machen es sich auch die Musikschulen nicht, deren Geschichte eine Geschichte ihres Qualitätsbewusstseins ist. Seit der Gründung ihres Verbandes mit seinen strengen Richtlinien der Mitgliedschaft einigte man sich zum Beispiel auf einen „Strukturplan“, entwickelte verbindliche Rahmenlehrpläne, sorgte für Qualifizierungsmöglichkeiten für Lehrkräfte und Leitungspersonen und vieles mehr. Und nun legt der Verband deutscher Musikschulen (VdM) gleich zwei Instrumente des Qualitätsmanagements zum Gebrauch seiner Musikschulen vor: Das „Qualitätssystem Musikschule“ auf der Basis des EFQM Excellence Models und den Interkommunalen Leistungsvergleich, dem man den klingenden Namen „EDuR“ gab. Keineswegs also ist man gewillt, die Hände in den Schoß zu legen und die beschauliche Ruhe des öffentlichen Gebietschutzes zu genießen. Dann wäre bald Feierabend.

Im Gegenteil stellt gerade der Interkommunale Leistungsvergleich dort einen künstlichen Wettbewerb her, wo es keinen wirklichen gibt. Warum? Weil eben auch künstliche Konkurrenz das Geschäft belebt und Anreize gibt. Freilich greifen kommunale Träger und Entscheidungsträger schlicht-weg zu kurz, wenn der kommentarlose Vergleich von Kennzahlen zur schnellen Orientierung an ominösen „Benchmarks“ missbraucht wird, um die billigste Lösung zu fahren. Dann verkommt auch ein neues Steuerungsmodell schnell zum neuen Dirigismus. Um an einer „Kennzahl“ wirklich etwas erkennen zu können, bedarf es des richtigen Umgangs mit ihr, einer Kenntnis von der Sache eben auch, die sie beschreibt. Eine Zahl zum Kostendeckungsgrad etwa sagt wenig über die Dimension „Wirtschaftlichkeit“ einer Musikschule, wenn nicht andere Größen wie die der „Fachbelegungen pro Unterrichtseinheit“ hinzugenommen werden, Hinweise also auf die Binnenstrukturen der Musikschule und ihren Leistungsumfang. Auch jeder Betriebswirt wird seinen Unternehmenserfolg nicht allein an der nackten Bilanz messen, sondern an der Erfüllung der Aufgaben, für die man angetreten ist.
Daher sind vor allem auch Kenngrößen zur Dimension „Auftragserfüllung“ Bestandteil des EDuR-Projekts. Da geht es etwa um die „Vielfalt des Angebots“, den „Anteil der Musikschüler an der Einwohnerzahl“ oder um den jeweiligen Anteil verschiedener Unterrichtsangebote am Gesamtunterrichtsvolumen der Musikschule. Und dies kann – je nach kommunalpoli tischer Auftragslage eben – durchaus recht unterschiedlich sein. Solche Dimensionen sind unbedingt zusammen zu sehen, wenn über den Geschäftserfolg der Musikschulen zu befinden ist. Wird also an diesem Beispiel schon deutlich, dass auch Kennzahlen etwas für Kenner sind, dann auch ein anderes: dass festzustellende Unterschiede, Differenzen zwischen einzelnen Musikschulen nicht per se über „gut“ und „schlecht“ urteilen lassen. Vielmehr reizt es, nach den Zusammenhängen, nach Begründungen und Ursachen für die gemessenen Fakten zu fahnden. Hier nimmt von EDuR ein wünschenswerter Vorgang der Politikberatung seinen Ausgangspunkt. Wenn seitens der Gewerkschaften kürzlich kritisiert wurde, dass der Leistungsvergleich kaum den erhofften „festen Grund“ liefere, der gegen Einsparungsmaßnahmen bei Musikschulen schütze, dann wurde auch hier der vom VdM herausgegebene Zwischenbericht vorschnell und zu kurz greifend interpretiert. Der Weg ist – wie könnte es anders sein – ein mühsamer. EDuR ist keine Datenautobahn, die flott einen Computerbildschirm aufbaut, sondern ein Mosaik, dessen Einzelsteine sorgfältig und vor allem über einige Jahre zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden müssen. Noten allein machen eben noch keine Musik.

So aber könnten die Vergleichsberichte die politische Diskussion und Entscheidungsfindung qualifizieren, vor allem im kommunalen Bereich, aber auch darüber hinaus, wie das landesweit angelegte EDuR-Projekt in Sachsen-Anhalt zeigt: Hier haben die Musikschulen die Chance, mit ihren nachweislich gemessenen Leistungen das junge Musikschulgesetz samt Fördervereinbarung argumentativ zu unterbauen.

Und es nimmt von EDuR auch ein ganz unmittelbarer Prozess der Qualifizierung von Leitungskräften an Musikschulen seinen Ausgang: Ergebnisse werden bewusst gemacht, Ziele definiert und verfolgt und konkrete Maßnahmen eben zielgerichteter zur Verbesserung der Zielerreichung ergriffen. Das Kernelement in diesem Management-Kreislauf wird das Prinzip „Voneinander Lernen“ innerhalb der schon erwähnten Vergleichsringe – ein Qualitätsmoment eigener Art.

Was aber EDuR gerade für Musikschulen noch geeigneter macht: Im Spannungsfeld zwischen Auftragserfüllung und Wirtschaftlichkeit gerät eins nicht aus dem Blick, dass sich „Musikschule“ wesentlich dort ereignet, wo sich Lehrende und Lernende begegnen. EDuR berücksichtigt dies mit den beiden weiteren Zieldimensionen „Kundenzufriedenheit“ und „Mitarbeiterzufriedenheit“. Da Messgrößen hier nur indirekte Hinweise liefern, werden davon auch nur wenige erhoben – etwa die Krankheitsquote und die Fortbildungsaktivität bei den Mitarbeitern oder bei den Schülern die Verweildauer oder der Unterrichtsausfall. Zahlen, die mit größter Vorsicht zu interpretieren sind. Vielmehr spielen in diesem Feld Befragungen eine Schlüsselrolle: die möglichst direkte Auskunft der mit Musikschule Befassten. Im Moment erhebt man nur die globale Zufriedenheit, aber differenzierte Fragebögen, die dann auch eine kompatible Schnittstelle zu dem „Qualitätssystem Musikschule“ des VdM herstellen sollen, sind bereits in der Entwicklung.

Qualität hat zu tun mit permanentem Lernen und planvollem Verändern. Stillstand ist Rückschritt. EDuR ist ein Motor für Veränderungen mit Blick nach vorn. Der harmonische Name dieses Managementinstruments ist sein Programm: Vier Kreuze hat die Tonart, Erhöhungszeichen für vier Töne. Mit Berücksichtigung der vier Zieldimensionen will der Leistungsvergleich die Qualität der Musikschulen spürbar anheben: „Zukunft hoch vier“.

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