Einzelne Fachgruppen der Gesellschaft für Musikforschung haben jetzt endgültig Stellung bezogen zur Veröffentlichung der „Festschrift für Siegfried Mauser“. Klare Worte werden dabei gefunden: „Wir sind über diese im Vorwort des genannten Bandes evidente Verharmlosung der Taten eines verurteilten Straftäters bestürzt. Es fügt dem Fach Musikwissenschaft in der Öffentlichkeit Schaden zu.“
Stellungnahme der unterzeichnenden Fachgruppen in der Gesellschaft für Musikforschung zur „Festschrift für Siegfried Mauser“. Zur kürzlich im Verlag Königshausen & Neumann erschienenen Publikation Musik verstehen – Musik interpretieren. Festschrift für Siegfried Mauser zum 65. Geburtstag möchten die unten genannten Fachgruppen in der Gesellschaft für Musikforschung folgende Stellungnahme abgeben:
Im Vorwort des genannten Bandes formulieren Herausgeber und Herausgeberin mit Bezug auf Mauser: „Seine Visionen und sein unbändiger Tatendrang, die ansteckende Spontanität und begeisternde Vitalität haben ihm manche Kritik eingetragen – und sein bisweilen die Grenzen der bienséance überschreitender weltumarmender Eros hat für ihn schwerwiegende rechtliche Folgen gehabt.“
Um die Grenzen der „bienséance“, des Anstands oder guten Benehmens, geht es hier jedoch nicht, sondern um die Verletzung der Menschenwürde und der Gesetze. Siegfried Mauser wurde am 9. Oktober dieses Jahres wegen sexueller Nötigung in vier Fällen vom Bundesgerichtshof verurteilt. Der Bundesgerichtshof bestätigte damit in vollem Umfang das Urteil des Landesgerichts München von 2018. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Wir sind über diese im Vorwort des genannten Bandes evidente Verharmlosung der Taten eines verurteilten Straftäters bestürzt. Es fügt dem Fach Musikwissenschaft in der Öffentlichkeit Schaden zu. Um dem Eindruck entgegenzuwirken, das Vorwort oder die Herausgabe dieser Festschrift repräsentiere die Meinung des gesamten Fachs Musikwissenschaft, distanzieren sich die Unterzeichnenden mit Nachdruck. Unser Mitgefühl gilt den Opfern von Menschen, die meinen, asymmetrische Machtverhältnisse zu ihrem eigenen Vorteil ausnützen zu dürfen.
Eine Festschrift für Siegfried Mauser, wie auch immer die Motivation der einzelnen Beitragenden gewesen sein mag, erweckt den Eindruck, als solle hier „jetzt erst recht“ nicht nur der Wissenschaftler und Pianist, sondern auch der verurteilte Täter gefeiert werden; eine Festschrift ist keine private Solidaritätsbekundung, kein harmloser freundschaftlicher Akt, sondern eine Ehrung, die immer auch die gesamte Person betrifft. Die zitierte Formulierung im Vorwort – und gewisse öffentliche Stellungnahmen eines Herausgebers und der Herausgeberin – legen zudem die Interpretation wenigstens nahe, dass Mauser eigentlich zu Unrecht verurteilt worden sei.
Dass solche Einstellungen und Positionen in der Gegenwart teils implizit, teils explizit vertreten werden können, zeigt, wie sehr es zumindest in einigen Bereichen am Bewusstsein für den schwerwiegenden Tatbestand sexueller Nötigung und Gewalt insbesondere (aber nicht nur) in asymmetrischen Machtverhältnissen mangelt. Das gilt, wie wir mit Beschämung feststellen, auch für unser eigenes Fach, die Musikwissenschaft, aber offenbar auch für einige namhafte Komponisten und Vertreter anderer Kulturwissenschaften.
Diese Feststellung führt weit über den Fall Mauser hinaus. Eine Diskussion darüber muss in der Wissenschaft, in den Künsten und in der allgemeinen Öffentlichkeit geführt werden – um den Opfern ihr Recht und ihre Würde zu geben, und um Täter vor Gericht zu bringen und von künftigen Taten abzuschrecken.
Die unterzeichnenden Fachgruppen sind Neigungsgruppen innerhalb der Gesellschaft für Musikforschung und stehen für ihre Mitglieder, vertreten jedoch keine offizielle Position der GfM.
Für die Fachgruppe Frauen- und Genderstudien
gez. Cornelia Bartsch und Katharina HottmannFür die Fachgruppe Aufführungspraxis und Interpretationsforschung
gez. Dorothea Hofmann, Kai Köpp und Heinz von LoeschFür die Fachgruppe Deutsch-Ibero-Amerikanische Musikbeziehungen
gez. Diego Alonso Tomás und Christina Richter-IbáñezFür die Fachgruppe Digitale Musikwissenschaft
gez. Stefanie Acquavella-Rauch, Andreas Münzmay und Klaus RettinghausFür die Fachgruppe Kirchenmusik
gez. Irene Holzer und Dominik HöinkFür die Fachgruppe Musikethnologie und vergleichende Musikwissenschaft
gez. Michael Fuhr und Cornelia GruberFür die Fachgruppe Musikinstrumentenkunde
gez. Josef Focht, Franz Körndle und Katharina PrellerFür die Fachgruppe Musiktheorie
gez. Inga Mai Groote und Christoph HustFür die Fachgruppe Musikwissenschaft an den Musikhochschulen
gez. Dorothea Hofmann und Manuel GervinkFür die Fachgruppe Musikwissenschaft im interdisziplinären Kontext
gez. Marie Louise Herzfeld-Schild, Yvonne Wasserloos und Friederike WißmannFür die Fachgruppe Nachwuchsperspektiven
gez. Maria Behrendt, Carolin Sibilak und Tom WapplerFür die Fachgruppe Soziologie und Sozialgeschichte der Musik
gez. Wolfgang Fuhrmann und Corinna HerrFür die Fachgruppe Systematische Musikwissenschaft
gez. Veronika Busch
Lesen Sie dazu auch die Stellungnahme des Forschungsinstituts für Musiktheater Thurnau der Universität Bayreuth.