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Ohne Moos nix mehr los?

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Was muss heutzutage passieren, damit Kultur in die Schlagzeilen gerät: Pavarotti geplatzt? Mortier mit Toupet als Container-Bewohner von „Big Brother“ entlarvt? Nike Wagner entführt Jumbo in den Irak? Diesmal reichte es noch, dass eine Berliner Kultursenatorin nach 100 Tagen im Amt die Puppenlappen hinschmiss. Das war wenigstens einigen preussischen Zeitungen noch die Headline wert. Freilich geht es im Grunde gar nicht um Kultur, sondern ums Geld. Christa Thoben spürte vielleicht zum allerersten Mal am eigenen Leib, in was für einer Gesellschaft sie eigentlich lebt. Geld regiert unsre Welt, und wer keins hat, hat eben nichts zu sagen, geschweige denn zu regieren.

Was muss heutzutage passieren, damit Kultur in die Schlagzeilen gerät: Pavarotti geplatzt? Mortier mit Toupet als Container-Bewohner von „Big Brother“ entlarvt? Nike Wagner entführt Jumbo in den Irak? Diesmal reichte es noch, dass eine Berliner Kultursenatorin nach 100 Tagen im Amt die Puppenlappen hinschmiss. Das war wenigstens einigen preussischen Zeitungen noch die Headline wert. Freilich geht es im Grunde gar nicht um Kultur, sondern ums Geld. Christa Thoben spürte vielleicht zum allerersten Mal am eigenen Leib, in was für einer Gesellschaft sie eigentlich lebt. Geld regiert unsre Welt, und wer keins hat, hat eben nichts zu sagen, geschweige denn zu regieren. Sicherlich verdienen die Besonderheiten der Berliner Opern- und Theater-Situation eine differenzierte Betrachtung. Sie erfolgt deshalb auch erst in der kommenden nmz-Ausgabe, wenn sich der Schaden genauer überblicken lässt. Fest steht, dass wieder einmal über Generationen gewachsene Kultur-Strukturen zur Disposition gestellt werden. Die Opern-Intendanten, Orchester-Chefs und Schauspieldirektoren – und die meisten anderen Kultur-Schaffenden, uns eingeschlossen – sind zeitgenössisch betrachtet wohl längst zu Marionetten geraten: zerrieben im Spannungsfeld zwischen Politikern, die wahlperiodischem Erfolg hinterherhecheln oder die Probleme dickfellig aussitzen. Verschlissen zwischen kühl rechnenden Sponsoren, denen Kunst Bockwurst ist und Marketing das Heil. Missachtet von einer in ihrem Wertbewusstsein zuneh-mend absichtlich deformierten Öffentlichkeit. Von Menschen, die auf ihrem Bildungsweg zu lenkbaren Kunden optimiert werden, oder zu fachidiotisch verengten Spezialisten für irgendeinen lukrativen Job in der IT-Branche – am besten aber zu beidem. Menschen, für die Kultur zum Kult degeneriert wurde – und der definiert sich selbst stolz als Tanz ums goldene Kalb.

Was sind denn die 80 oder 100 Milliarden Mark, die wir für Bildung und Kultur ausgeben eigentlich noch wert, wenn ein einziger Bertelsmann-Deal (der Verkauf von AOL-Europe) dem Konzern 70 Milliarden Mark „in die Kriegskassen spült“ (Wortlaut der Agentur-Meldung). Dabei ist Bertelsmann nur einer von drei oder vier „Global Players“, die zur Zeit genau mit der Substanz dealen, deren gedankenlose Brandrodung etwas weiter oben bejammert wird. Es ist pervers, dass Amazon, BOL, Kirch und ihre musikalischen Konsorten mit Milliarden-Etats teils von Kleinanlegern finanziert, die nur in Geld-Spekulation ihren Lebenssinn zu sehen gelernt haben, jetzt die Früchte jenes geistigen Eigentums einheimsen, das sie eigentlich als altmodisch, feindlich aber gottlob nicht mehr lebensfähig abtun. Dagegen nimmt sich der Manchester-Kapitalismus aus wie die Bergpredigt.

 

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