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Fürs Konzept der Selbstverpflichtung: Maximilian Norz. Foto: WAALD Creative Group
Fürs Konzept der Selbstverpflichtung: Maximilian Norz. Foto: WAALD Creative Group
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Parameter für ein faires Zusammenarbeiten

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Maximilian Norz, Teammitglied von „art but fair“, im Gespräch
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In der letzten Ausgabe der nmz wurde im Buch des DTKV ein Bericht über die Initiative „art but fair“ veröffentlicht. Mit Maximilian Norz, Teammitglied von „art but fair“, unterhielt sich nun Barbara Haack über die freiwillige Selbstverpflichtung für Akteure des Musiklebens, die die Initiative derzeit mittels einer breit angelegten Studie gemeinsam mit der Kulturpolitischen Gesellschaft entwickelt. Maximilian Norz arbeitet als Social Entrepreneur und Politikberater, unter anderem am Global Public Policy Institute in Berlin.

neue musikzeitung: Sie haben im Rahmen von „art but fair“ Selbstverpflichtungen für faire Kunst entwickelt. Worum geht es – und was wollen Sie damit erreichen?

Maximilian Norz: Am Anfang der Initiative haben Mitglieder der Facebook-Gruppe „art but fair“ die Idee aufgebracht, ein Prüfsiegel für faire Kunst zu entwickeln. Das war der Ursprungsgedanke, der hinter dem Projekt der Selbstverpflichtung steht. Das Prüfsiegel haben wir erst einmal hinten angestellt, weil das im Vergleich zur Selbstverpflichtung einen großen administrativen Aufwand mit sich bringt und sich auch nur für Unternehmen eignet, nicht für Individuen. Es besteht aber nach wie vor der Wunsch, das Thema weiterzuentwickeln. Dann hatten wir die Idee, eine Selbstverpflichtung zu formulieren. Dieses Konzept hat uns überzeugt: zu definieren, wie ein faires Zusammenarbeiten funktioniert, und die Möglichkeit zu eröffnen, sich dazu zu bekennen. Diese Selbstverpflichtung ist nicht verbindlich, sie ist eine einseitige und freiwillige Erklärung.

nmz: Wie kann eine solche Verpflichtung dann zu konkreten Veränderungen führen?

Norz: Eine Selbstverpflichtung könnte zum Beispiel lauten: Wir halten uns an Mindestgagen. Arbeitnehmer oder Selbständige würden sich dann dazu verpflichten, keine Arbeitsaufträge mehr anzunehmen, die unter diese Mindestgagen fallen. Auf der anderen Seite würden sich auch Arbeitgeber zu dieser Gagenhöhe verpflichten. Das heißt: Es gibt Selbstverpflichtungen für verschiedene Gruppen. Die Akteure in der Musik und Darstellenden Kunst haben unterschiedliche Einflussmöglichkeiten auf die Arbeitsbedingungen. Deshalb ist es sinnvoll, dass man getrennte Selbstverpflichtungen formuliert und sie an die jeweiligen Möglichkeiten anpasst.

nmz: Die Selbstverpflichtungen, die Sie jetzt ins Netz gestellt haben, sind aber eine vorläufige Version.

Norz: Ja, wir arbeiten derzeit gemeinsam mit der Kulturpolitischen Gesellschaft an einer Studie, die von der Hans-Böckler-Stiftung finanziert wird. Diese Studie soll das ganze Thema wissenschaftlich untersuchen: Wie könnte eine Selbstverpflichtung ausschauen? Was könnte sie beinhalten? Welche Zielgruppen könnte sie haben? Welche empirischen Belege gibt es, um so eine Selbstverpflichtung zu rechtfertigen? Ziel ist, dass wir am 1. Mai 2015 finale Selbstverpflichtungen für faire Kunst veröffentlichen können.

nmz: Kritisch lässt sich anmerken, dass solche Selbstverpflichtungen, selbst wenn sie schriftlich gegeben werden, doch eher Lippenbekenntnisse sind. Wie können Sie reagieren, wenn die Menschen sich daran nicht halten und so weitermachen wie vorher?

Norz: Diese Kritik gibt es immer wieder gegenüber solchen Selbstverpflichtungen: Sie sind unverbindlich und ein Zuwiderhandeln lässt sich nicht streng sanktionieren. Es gibt positive Beispiele in anderen Sektoren, bei denen solche Verpflichtungen etwas gebracht haben. Es gibt aber auch Fälle, in denen es nicht so gut geklappt hat. Wir glauben, dass es funktionieren könnte, und wir haben dabei zwei Visionen:

Erstens denken wir, dass wir einen Bewusstseinswandel auf individueller Ebene anstoßen können. Diejenigen, die unterzeichnen, müssen gleich erklären, was sie im nächsten Jahr konkret machen wollen, um die in der Selbstverpflichtung formulierten Ziele zu erfüllen. Dabei erwarten wir keinen Club von Heiligen. Es darf jeder kommen, der gute Absichten hat und der versuchen will, faire Kunst zu realisieren. Aber er muss die Selbstverpflichtung mit Inhalt füllen. Nach einem Jahr müssen alle einen Fortschrittsbericht abgeben, erklären, was sie erreicht haben und was sie sich wiederum für die Zukunft vornehmen. Wenn wir genügend Leute animieren können mitzumachen, kann das dann auch einen Effekt auf das System haben.

Die zweite Vision ist die, dass wir auch die öffentliche Wahrnehmung von Musik und Darstellender Kunst prägen. Wir erhoffen uns, dass unser Projekt eine Auswirkung auf den Konsumenten hat, auf das Publikum, auf die Käufer von Kulturprodukten. Dass es die Kaufentscheidung beeinflusst zugunsten derjenigen, die sich zu „art but fair“ verpflichtet haben.

nmz: Aber dafür bräuchten Sie doch tatsächlich ein Prüfsiegel: Eine Instanz, die bestätigt, dass sich eine Institution, ein Künstler an die Regeln hält und „faire Kunst“ betreibt.

Norz: Dafür brauchen wir aber ein richtiges Budget und eine große Institution, die das leisten kann. Das würden wir gerne machen, aber es ist ein langer Prozess. Im Zusammenhang damit steht auch die Frage, welche Zukunftsvisionen wir für „art but fair“ haben. Was passiert, wenn wir am 1. Mai 2015 die Selbstverpflichtung publiziert haben? Wir haben verschiedene Ideen, wissen aber nicht, was sich realisieren lässt.

nmz: Was könnte denn die Rolle von „art but fair“ nach diesem 1. Mai sein?

Norz: Eine Aufgabe könnte die Vermittlung sein: Es können in Bezug auf die Selbstverpflichtungen auch Beschwerden eingereicht werden. Dann liegt es an „art but fair“ zu vermitteln. Falls das nicht zu einer Lösung führt, wird entschieden, ob der Unterzeichner öffentlich rausgeschmissen wird. Das ist unsere einzige Sanktionsmöglichkeit. Dafür braucht man aber Profis, die sich mit der Vermittlung beschäftigen. Die Integrität der Marke zu wahren, kostet viel Zeit.

nmz: Zu Beginn hatten Sie – gerade auch durch Ihre Facebook-Seite – eine große Medienresonanz und viel öffentliche Aufmerksamkeit. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass diese Aufmerksamkeit nicht verpufft, dass Ihre Themen weiterhin Beachtung finden?

Norz: Durch die Zusammenarbeit mit der Kulturpolitischen Gesellschaft, durch die Stiftung und die Studie selbst bekommen wir ja auch einen neutralen Blick auf uns selbst. Ich glaube, dass wir das Interesse dadurch aufrecht erhalten, dass wir dieses Signal aussenden: Wir lassen unsere Ideen von renommierten und neutralen Institutionen untersuchen und durchleuchten.

nmz: Zurück zu den Inhalten: Die Künstler sollen sich in Ihrer Selbstverpflichtung dazu verpflichten, keine Engagements anzunehmen, die bestimmte Mindestgagen unterschreiten oder die ohne schriftlichen Vertrag vereinbart werden: Tricksen sich die Künstler nicht selbst dabei aus, wenn sie sich damit möglicherweise ein Engagement vermasseln, das sie eigentlich gerne angenommen hätten?

Norz: Dieses Problem wurde von vielen an uns herangetragen. Was ist zum Beispiel, wenn eine Vertrauensbasis zwischen Veranstalter und Künstler existiert und gar kein Vertrag benötigt wird? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns ja intensiv in unserer Studie.

nmz: Wie genau sieht diese Studie aus?

Norz: In einem ersten Schritt definieren wir Zielgruppen: Welche Akteure haben Einfluss auf Arbeitsbedingungen? Wir gruppieren dann diejenigen zusammen, die einen ähnlichen Einfluss haben. In einem zweiten Schritt überlegen wir uns: Was sind denn eigentlich faire Arbeitsbedingungen? Was verstehen wir darunter? Da gibt es verschiedene mögliche Definitionen, die wir analysieren. Anschließend überlegen wir uns, wo die Realität tatsächlich von fairen Arbeitsbedingungen abweicht. Wo gibt es Missstände, die sich belegen lassen?

Wenn wir das alles definiert haben, geht es um die Frage: Was können die einzelnen Zielgruppen dazu beitragen, die benannten Missstände zu beheben? Welche Selbstverpflichtungen ergeben sich daraus? Welche sind realistisch? Die Ergebnisse werden wir anhand vieler Experteninterviews und einer großen Umfrage testen. Die Umfrageteilnehmer sollen uns sagen, ob unsere Hypothesen überhaupt sinnvoll sind. Wir überprüfen also unsere Ergebnisse auf eine praktische Plausibilität. Am Schluss ergeben sich Empfehlungen an „art but fair“, wie die Selbstverpflichtungen lauten sollten.

nmz: Wo gibt es in anderen Sparten positive Beispiele für Selbstverpflichtungen?

Norz: Wenn man das Konzept Selbstverpflichtung definiert als freiwillige und rechtlich nicht bindende Verpflichtung, etwas zu tun, finden Sie diese häufig in der Politik und der Wirtschaft. Der Global Compact zum Beispiel hat die Millenniumsziele der Vereinten Nationen weiterentwickelt.

Das sind globale Entwicklungsziele, insbesondere, um Armut und Krankheiten zu bekämpfen. Der Global Comapct hat diese Ziele in die Privatwirtschaft übertragen und damit das Thema „Corporate Social Responsibility“ auf der Agenda weit nach oben gerückt. Das ist aus meiner Sicht eine Erfolgsgeschichte, obwohl es auch genug Kritiker gibt.

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