Auch wenn an dieser Stelle keine eindeutige Wahlempfehlung gegeben werden kann: Nach der Lektüre der Wahlprüfsteine des Deutschen Kulturrats sei demjenigen, dem an einer wie auch immer gestalteten vielfältigen und gedeihenden Kulturlandschaft gelegen ist, nicht unbedingt zu raten, sein Kreuzchen für die Piratenpartei abzugeben. „Thema verfehlt“ oder „zu eng auf digitale Themen fokussiert“ möchte man bei vielen Antworten der noch jungen Partei sagen, auch wenn sie sich selbst als Kulturpartei bezeichnet. Manche Antwort darf man durchaus als „kulturfern“ bezeichnen. So plädiert sie generell für die Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Kulturgüter, kulturelle Bildung ist bei ihnen vor allem „Motor für den Wandel zur modernen Informationsgesellschaft“.
Grundsätzlich muss die Frage erlaubt sein, welche Wirkung solche Wahlprüfsteine haben können. Angesichts der Zahl der Fragenkataloge, die allein im Kulturbereich an die Parteien gerichtet werden, liegt die Überlegung nahe, wie viel Zeit diesen über die Beantwortung hinaus noch für Programmgestaltung und deren Realisierung bleibt. Daraus erklärt sich womöglich, dass manche Auseinandersetzung mit den (durchaus ernsthaften) Fragen des Kulturrats im Ungefähren verbleibt.
Neben den Piraten waren alle derzeit im Bundestag vertretenen Parteien angesprochen. Hier nun ein paar Stichproben, an denen sich die Kulturpolitik vor allem derjenigen, die in der nächsten Legislaturperiode das Steuer in der Hand haben, wird messen lassen müssen.
Gefragt wurde zunächst nach besonderen Schwerpunkten der zukünftigen Bundeskulturpolitik. Die Verbesserung der sozialen Lage und Rahmenbedingungen für Künstler haben sich alle auf die Fahnen geschrieben, wobei Grüne und Linke konkret Honoraruntergrenzen fordern. „Kulturelle Bildung“ steht ebenfalls mehr oder weniger im Fokus aller Parteien. Die Grünen setzen sich für die Aufwertung der Pädagogik an allen Kunsthochschulen ein. Für die FDP sind die Stärkung des geistigen Eigentums und die Bedeutung der Kunst- und Kreativwirtschaft zentrale Punkte. Bei der Frage nach dem Staatsziel Kultur im Grundgesetz sind sich die Grünen und die CDU einigermaßen einig, dass dieses keine stärkere Kulturförderung garantiere (CDU/CSU) beziehungsweise dass das Eintreten für das Staatsziel Kultur nicht allein Gradmesser für die Kulturfreundlichkeit einer Partei sei (Grüne). Die anderen wollen das Staatsziel – sagen sie, haben sich aber in der Vergangenheit nicht gerade ein Bein dafür ausgerissen. CDU/CSU und FDP wollen am Amt des Kulturstaatsministers in der bisherigen Form festhalten, die Grünen plädieren dafür, ihm ein Stimmrecht im Kabinett zu geben, die Linke und die Piraten sprechen sich für einen Kulturminister im Ministerrang aus. Interessant wird es beim Thema „soziale Absicherung von Künstlern und KSK“. Die Piratenpartei sieht hier die „sich selbst organisierenden Kreativzellen“ im Nachteil, konstatieren „Oligopole der Kreativwirtschaft“, die stärker zur Kasse gebeten werden sollten. Die anderen Parteien bekennen sich zur KSK, SPD wie Grüne fordern, dass der Kreis der Abgabepflichtigen besser erfasst werden solle. CDU/CSU sowie die Linke finden das auch, hier mit speziellem Verweis auf die erforderliche Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung. Warum, so fragt man sich, ist dann ein entsprechender Gesetzentwurf erst im Juni 2013 an der Blockade der Regierungsparteien gescheitert? Den Bundeszuschuss zur KSK erhöhen will die Piratenpartei (mit den entsprechenden Neuregelungen), die Linke ebenfalls, falls es keine andere Lösung gibt; SPD und FDP sprechen sich gegen eine Erhöhung aus.
Bei der Frage nach der Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist zwischen den Zeilen die ein oder andere Kritik zu lesen – grundsätzlich aber wird dieser als erhaltenswert angesehen. CDU/CSU fordern, dass „Qualität“ noch stärker das Markenzeichen der Öffentlich-Rechtlichen sein sollte. Auch die SPD würdigt den Qualitätsjournalismus und die pluralistische Meinungsbildung, die es „zu bewahren, wo nötig, zu verbessern“ gelte. Eine nachhaltige Reform der inneren Strukturen, der Gremienzusammensetzung und des Programms hält die Linke für erforderlich. Ein ausdrückliches Bekenntnis zum dualen System kommt von der FDP. Sie fordert Transparenz und Konkretisierung des Grundversorgungsauftrags. Die öffentlich-rechtliche Finanzierung befreie die Sendeanstalten von einer werberelevanten Quote. Transparenz, vor allem bei den Ausgaben, fordern auch die Piraten. Grüne und Linke betonen besonders die Notwendigkeit einer staatsfernen Aufsicht.
Und schließlich die Bildungspolitik: Grüne, Linke, Piraten und SPD plädieren für die Abschaffung des Kooperationsverbots. Die FDP wünscht sich ebenfalls eine „Lockerung“, allerdings nur im Hochschulbereich. In manchen Bereichen des Bildungswesens seien Kooperationen möglich, schreibt die CDU/CSU merkwürdig unbestimmt. Das Programm „Kultur macht stark“ des Bundesbildungsministeriums halten die Regierungsparteien weiterhin für förderungswürdig und ausbaubar. Kritisiert wird das Programm von den Grünen, der SPD und der Linken. Die Grünen halten es für das Ergebnis einer gescheiterten Politik von Schwarz-Gelb und geben ihm nur im Zusammenhang mit der Aufhebung des Kooperationsverbots eine Chance. Die SPD hätte eine enge Abstimmung mit den Ländern für notwendig gehalten: Ohne diese bleibe die Wirkung des Programms hinter dem Potenzial zurück. Die Linke erklärt, statt in Programme solle in die kulturelle Infrastruktur investiert werden.
Weitere Themenbereiche in den Wahlprüfsteinen sind die Steuer- sowie die Auswärtige Kulturpolitik – und das Urheberrecht. Alle Antworten sind nachzulesen auf der Webseite des Deutschen Kulturrats. Eine Synopse findet sich in der aktuellen Ausgabe der Zeitung „Politik und Kultur“. Dem an kulturpolitischen Themen Interessierten sei die ausführliche Fassung empfohlen; die Übersicht im Print lässt manche Frage offen.
Das Fazit? Die Linke, so scheint es, hat sich intensiv mit den Fragen beschäftigt und verspricht vieles. Allerdings darf sie sich bekanntermaßen auch in relativer Sicherheit wiegen, was eine mögliche Regierungsbeteiligung betrifft. Ansonsten zeigt sich, was auch die kulturpolitische Arbeit der Parteien der letzten Jahre vielfach ausgemacht hat: Oft herrscht Einigkeit über manche Parteigrenze hinweg; Allianzen ganz unabhängig von möglichen zukünftigen Koalitionskonstellationen lassen sich beobachten. Es bleibt die Frage, in welchem Maß sich die Kulturpolitiker der Parteien mit ihren Ideen und Vorhaben letztendlich gegen eigene Parteifreunde aus den Bereichen Finanzen, Steuern, Recht und Wirtschaft werden durchsetzen können.