Oestrich-Winkel - Der türkische Klavier-Weltstar Fazil Say tritt vehement für ein gesellschaftliches Engagement von Kunst ein. «Wir Künstler haben eine Aufgabe, und das ist nicht nur Klavierspielen», sagte er bei einem Auftritt beim Rheingau-Musik-Festival. «Wir müssen für die Zukunft etwas machen, und das ist für mich genauso wichtig.»
Der 43-jährige Pianist und Komponist ist in seiner Heimat auch als Bürgerrechtler bekannt. Im April wurde er wegen angeblich blasphemischer Äußerungen über den Islam in erster Instanz zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der Rechtsstreit ist noch nicht beigelegt.
Say erinnerte an die Toten und Verletzten der Protestwelle gegen die Führung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor zwei Monaten. Letztlich müssten die Türken die Antwort an den Wahlurnen geben. «Weil wir Türken eine Demokratie haben, müssen wir das durch Wahlen lösen», sagte Say am Donnerstagabend in Oestrich-Winkel.
Seine Lage als eine Symbolfigur der weltlich gesonnenen Türken sei riskant. «Das ist gefährlich», sagte er. In seiner Heimatstadt Istanbul gebe es zwar Stadtteile wie in Rom oder Paris, doch es gebe auch Gegenden, in denen er sich nicht zeigen dürfe. Er forderte Toleranz: «Wenn jemand an Gott glaubt, habe ich kein Problem. Aber ich erwarte, dass er auch mit mir kein Problem hat.»
Als «Artist in Residence» des Festivals hat Say in diesem Sommer mehrere Konzerte im Rheingau gegeben. Am Mittwoch hatte er den mit 10 000 Euro dotierten Rheingau-Musikpreis erhalten.