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Gruppenbild mit Popförderern: die Teilnehmer der Bundesfachkonferenz Pop 2009. Foto: BFK
Gruppenbild mit Popförderern: die Teilnehmer der Bundesfachkonferenz Pop 2009. Foto: BFK
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Popförderarchitektur kennt keine Standardmuster

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Bericht von der „Plan! Pop 2009 – Bundesfachkonferenz Popularmusikförderung“ in Warnemünde
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Rund 200 Popförderer aus ganz Deutschland trafen sich Ende Juni in Rostock-Warnemünde zur „Plan! Pop 2009 – Bundesfachkonferenz Popularmusikförderung“. Aus fast allen Ländern waren verantwortliche Ministeriale oder Politiker vor Ort. Gab es ein Aufbruchsignal für Popförderung in ganz Deutschland? Wo führt der Weg hin - gerade angesichts knapper Finanzen? Bernd Schweinar vom Rock.Büro SÜD hat die Konferenz im Team mit anderen renommierten Popförderern vorbereitet und blickt subjektiv auf die beiden Tage zurück.

Von 1997 bis 2001 gab es im zweijährigen Turnus drei Popkonferenzen. Sie haben damals wichtige Einblicke in die Szenen, ihre Bedürfnisse und Aktivitäten gewährt. Ein Manko war, dass zu dieser Zeit weder Strukturen noch Lobby existierten, um mit den Ergebnissen konstruktiv weiterarbeiten zu können. Dies scheint heute anders zu sein. Mit dem Veranstalter, der Initiative Musik gGmbH, wurde eine Fördereinrichtung für die deutsche Musikwirtschaft ins Leben gerufen, die durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aktuell mit zwei Millionen Euro ausgestattet ist. Sie kann zukünftig auch aktiv Hilfestellung anbieten, um in der Fläche die erforderlichen Szene-Infrastrukturen erwachsen zu lassen. Und sie kann beratend dort begleiten, wo man sich noch unsicher ist hinsichtlich des Ansatzes einer möglichen Popförderung oder deren Ausbau.

Die Popförderkonferenz war unterteilt in die vier Themenstränge Förderstrukturen, Künstleraufbau, Wirtschaft und Kommunikation. Und es wurden drei Workshops zu den Themen „Macht ein Fonds für die Musikwirtschaft Sinn?“, „Musikexport“ und „Entwicklung gemeinsamer Pilotprojekte zur Spielstättenförderung“ durchgeführt.
Die Kreativwirtschaft sei ein Wachstumsfeld, artikulierte Staatsminister a.D. Christoph E. Palmer als Impulsgeber. Popförderung brauche aber Toleranz, so seine Botschaft. Dabei reflektierte er die Widerstände der heute als bundesweit modellhaft geltenden Popmusikförderung in Baden-Württemberg: „Der Gegenwind war massiv! Die Presse war dagegen. Das Parlament sagte ‚Firlefanz‘!“  Wichtig sei damals gewesen, die verschiedenen Ressorts zu vernetzen. Und schlussendlich musste einer die Fahne der Verantwortung in die Hand nehmen und koordinierend voran gehen. Gleiches empfahl er auch den anwesenden Politikern und Ministerialen.

Die heutige Ausgangslage ist der damaligen nicht unähnlich. Waren damals die globalen Nachwehen der 9/11-Terroranschläge zu überwinden, ist die Weltwirtschaft heute aufgrund der Finanzkrise in der Talsohle. Entsprechend ist der Einschätzung, wonach es in Zukunft keine zusätzlichen öffentlichen Gelder zu verteilen geben wird, kaum etwas zu entgegnen. In der Konsequenz rückt damit der Fokus aber auf einen demnächst verstärkten Verteilungskampf – entweder zwischen der Kultur und anderen Ressorts oder sogar innerhalb der Kulturförderung.

Szeneteilnehmer konterten dies mit dem Praxisbeispiel, dass sie aufgrund der überschaubaren Popförderung ohnehin jedes Jahr gefordert sind, jedes Projekt auf seine Sinnhaftigkeit zu überprüfen und bei Ineffizienz die knappen Gelder in neue und innovativere Projekte umzuschichten.
Dass Popförderung aufgrund seiner kulturellen, ökonomischen und gesellschaftlichen Bedeutung und trotz der aktuellen Wirtschaftskrise wachsen kann, unterstreichen heuer erneut die Region Stuttgart und besonders Hamburg. Paul Woog (Popbüro Stuttgart) reflektierte, dass sein Etat in diesem Jahr auf rund 700.000 Euro wachsen werde. Und von den Hanseaten wurde eine Vervielfachung der bisher für Popförderung zur Verfügung stehenden Mittel berichtet. Als mitverantwortlicher Politiker für dieses positive Signal reflektierte der GAL-Abgeordnete Farid Müller das „Leitbild einer kreativen Stadt“. Es gehe darum, mitzubestimmen, „wohin wird gewachsen und wie wird gewachsen“. Neben mehr Mitteln für die Popförderstrukturen, betonte er auch eine Akzentuierung bei der Förderung von Clubs und Labels, sowie ein Flächenmanagement für die Kreativwirtschaft.

Am Beispiel Hamburg wurde deutlich: Ein Ausbau der Popförderung ist machbar und finanzierbar. Deren Weg war jedoch lang, und für andere Bundesländer bräuchte man sich nicht Illusionen hinzugeben. Dass es aber in weiteren Regionen Deutschlands Interesse an einer zeitgemäßen Popförderung gibt, war auch an der Teilnehmerliste der Konferenz ablesbar.

Ministerialrat a.D. Dirk Hewig, vormaliger Musikreferent im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, blickte zurück, wie er vor 20 Jahren der Popmusikförderung in Bayern aus den Startlöchern geholfen hatte. Als wesentliches Element betonte er: „Wir wollten Infrastrukturförderung und keine Projektförderung anstoßen!“ Hindernis war, dass die Szene damals sehr heterogen und ohne Ansprechpartner war. Auch er selbst kannte sich mit der Materie zu wenig aus, so seine Retrospektive. Also ging Hewig zum Musikrat und stellte fest: „Die hatten noch weniger Ahnung von Popmusik als ich.“ Dennoch habe er den Einstieg in die Förderung vorangetrieben. Die Szene begann sich zu vernetzen und damit generierten sich auch die Ansprechpartner. Vor einer ähnlichen Situation stehen heute auch manche Bundesländer. Die von Hewig geschilderte Herangehensweise bestätigte jedoch, dass ein Fördereinstieg beziehungsweise ein Förderausbau in diesem Kreativbereich Nachhaltigkeit generiere. Es müsse nicht immer das Rad neu erfunden werden.

Ein mit den Konferenzunterlagen verteilter Katalog von über 50 Best-Projects-Beispielen gab erste Praxisimpulse, was an Förderprojekten auch andernorts – mit individuell angepassten Parametern – angedacht werden könnte. Ein allgemeingültiges Standardmuster kann es ohnehin nicht geben; je nach geografischen Vorgaben ist stets ein regional spezifizierter Förderansatz zu entwickeln, der auf die örtliche Situation dezidiert eingeht. Um das zu entwickeln, sind über die Initiative Musik gGmbH die Informations-kanäle für eine fundierte Beratung und Begleitung der Förderer gebündelt. Neben der nachhaltigen Förderung der Infrastruktur sind die Themenstränge mit effizienten Ansätzen hauptsächlich in den Bereichen Aus-/Weiterbildung, Künstleraufbau, Livemusik/Spielstättenförderung sowie Kommunikation/Medien und Wirtschaftsförderung zu sehen. Und damit man nicht nur in der eigenen Suppe rührt, beschäftigte sich die Konferenz auch mit modellhaften Förderprogrammen in Europa.

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