Kairo - Die Sänger des Kairoer Opernhauses haben aus Protest gegen den neuen Kulturminister eine «Aida»-Aufführung ausfallen lassen und stattdessen auf der Bühne demonstriert. Das Publikum, das am Dienstagabend eigentlich erschienen war, um die berühmte Oper von Giuseppe Verdi zu hören, zeigte Verständnis für die Wut der Künstler auf Aala Abdul Asis.
Der erst vor wenigen Tagen ernannte Minister hatte wenige Stunden zuvor die Leiterin des Opernhauses, Ines Abdel Dajem, ohne Begründung entlassen. Die Künstler kamen in ihren Kostümen auf die Bühne. Sie hielten Plakate hoch, auf denen «Nein zur Übernahme des Kulturbetriebes durch die Muslimbrüder» stand. Präsident Mohammed Mursi entstammt der Muslimbruderschaft, deren erklärtes Ziel es ist, den islamischen Charakter von Staat und Gesellschaft zu stärken.
Am Nachmittag hatten Mitarbeiter der Oper bereits auf der Straße vor dem Opernhaus gegen die Entlassung ihrer Chefin protestiert. Sie riefen den Autofahrern zu: «Wenn du gegen Mursi bist, dann hupe!»
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Kulturkampf in Ägypten: Islamisten gegen Ballerinas
Kairo/Istanbul - «Das Ballett ist die Kunst des Nacktseins, weshalb sollten wir dafür Geld ausgeben?», fragt der Salafist Gamal Hamid, während der Haushaltsdebatte in der zweiten Kammer des ägyptischen Parlaments. Kurz darauf entlässt Kulturminister Alaa Abdel Asis die Leiterin des Kairoer Opernhauses, Ines Abdel Dajem. Die Musiker protestieren. Anstatt die Oper «Aida» zu spielen, demonstrieren die Sänger am Abend in ihren bunt schillernden Kostümen auf der Bühne gegen die Entlassung ihrer Chefin.
Der Protest ist Teil eines Kulturkampfes zwischen den regierenden Islamisten und der liberalen Elite Ägyptens. «Ich bin seit 30 Jahren künstlerisch tätig, aber dieser Mensch, der jetzt Kulturminister sein soll, ist mir noch nie über den Weg gelaufen, weder in der Oper noch anderswo», erklärt die Harfenistin Manal Mohieddin. «Er ist ein Niemand. Seine Ernennung ist Teil eines Konzepts mit dem Ziel, die Identität unseres Landes zu ändern - weg von der Schönheit, fixiert nur noch auf Geld».
Schon vor drei Wochen, direkt nachdem der islamistische Präsident Mohammed Mursi Kulturminister Abdel Asis ernannt hatte, hatten die Künstler des Landes einen Protestbrief verfasst. Darin hieß es, als Dozent an der Filmakademie sei der 51-jährige Sohn eines Mitglieds der Muslimbruderschaft für den Ministerposten nicht qualifiziert. Er stehe für die «sehr eingeschränkte kulturelle Vision des aktuellen Regimes».
Die Chefin des Opernhauses ist nicht das erste Opfer des neuen Ministers. Vor ihr hatte Abdul Asis bereits den Direktor der für Museen und Ausstellungen zuständigen Behörde, Salah al-Meligi, entlassen, was von etlichen Künstlern scharf kritisiert worden war. Auf die Frage des Nachrichtenportals «youm7», was er mit diesen Entscheidungen bezwecke, antwortete der neue Minister nur, diese Institutionen bräuchten «frisches Blut». Die Opernhaus-Chefin war allerdings keine altgediente Funktionärin, sondern erst im Februar 2012 ernannt worden. Ihr Vertrag lief ohnehin nur bis Februar 2014.
Reda al-Wakil, ein Professor der Kunstakademie, dem der Minister die Leitung der Oper hatte übertragen wollen, hat den Posten inzwischen aus Solidarität mit der Entlassenen abgelehnt. Die Sänger und Orchestermitglieder des Opernhauses wollen streiken bis ihre Chefin zurückkommt und der Minister entlassen wird.
Doch ob sie diesen Streik auf Dauer durchhalten, wenn Präsident Mursi nicht reagiert, ist fraglich. Denn in ihren internen Diskussionen kam die Frage auf, «ob die Islamisten, wenn in der Oper keine Aufführungen mehr stattfinden, nicht genau das erreicht haben, was ohnehin ihr Plan war, nämlich die Kunst zu vernichten».
Anne-Beatrice Clasmann
YouTube-Video der Protestaktion