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Radebeuler Kulturszene protestiert gegen Wahl des Kulturamtschefs [update: Reaktion PEN]

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Dresden - Die Wahl des Schriftstellers Jörg Bernig zum neuen Kulturamtsleiter in Radebeul sorgt für Aufruhr in der Kulturszene der Stadt. Am Wochenende kursierte ein offener Brief, in dem Kulturschaffende «Entsetzen und Unverständnis» über die Wahl Bernigs äußerten. Der Lyriker wird von Kritikern der neurechten Szene zugerechnet.

Er wurde am Mittwochabend im Stadtrat mutmaßlich mit Stimmen von CDU und AfD gewählt. Bernig stehe im Widerspruch zu all dem, «was die Radebeuler Kulturlandschaft seit Jahrzehnten prägt und einzigartig macht», heißt es in dem offenen Brief.

Jörg Bernig ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste. Neben seinem literarischen Schaffen schreibt er als politischer Autor, unter anderem als Gastautor für das Magazin «Sezession» des Verlegers Götz Kubitschek. Er gehörte auch zu den Erstunterzeichnern der «Gemeinsamen Erklärung 2018», in der eine «illegale Masseneinwanderung» beklagt wurde.

Der offene Brief wurde vom Radebeuler Kulturverein initiiert. Dessen Geschäftsführer Björn Reinemer (33) sagte am Sonntag, durch die Wahl Bernigs drohe der Stadt ein riesiger Imageschaden und auch ein wirtschaftlicher Schaden. «Es wundert mich schon sehr, dass in meiner Heimat so ein streitbarer Kandidat ausgewählt wurde.» Dem Verein gehe es darum, möglichst viele Künstler und Kulturschaffende hinter dieser Position zu versammeln.

Zu den Künstlern, die laut gegen die Wahl protestieren, gehört der Jazz-Schlagzeuger Günter «Baby» Sommer (77). «Herr Bernig ist erklärtermaßen ein Neurechter. Seine ganzen Äußerungen der letzten Jahre sind weit im rechten Spektrum angesiedelt», sagte Sommer am Sonntag. Der Musiker hatte direkt nach der Wahl einen Brief an den Radebeuler Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) geschickt und darin betont, dass Bernig die falsche Person in diesem Amt sei.

Als nächstes wolle er sich wegen der gemeinsamen Stimmen von CDU und AfD bei der geheimen Wahl an Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wenden, kündigte Sommer an. Der CDU-Regierungschef habe stets betont, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD gebe. «Und nun muss er feststellen, dass hinter seinem Rücken der Ortsverband Radebeul genau das praktiziert», kritisierte der Musiker.

Auch ein prominenter sächsischer CDU-Politiker hatte sich schon skeptisch geäußert. Marco Wanderwitz, Ostbeauftragter der Bundesregierung, twitterte am Freitag, aus seiner Sicht sei Bernig «nicht wählbar als Leiter kommunales Kulturamt». Der Schriftsteller sei «weit weg von der Mitte».

 

[update: Reaktion PEN]

Schriftsteller-Verband PEN reagiert auf Radebeuler Amtsleiter-Wahl

Radebeul (dpa/sn) - Die Wahl des Schriftstellers Jörg Bernig zum neuen Radebeuler Kulturamtsleiter schlägt nun auch über die Stadtgrenzen hinaus Wellen. Der Schriftstellerverband PEN forderte den 56-Jährigen am Montag auf, seine Position zu überdenken. Bernig sei seit 2005 Mitglied des deutschen PEN. Der Autor wird zur neuen Rechten gezählt.

Das deutsche PEN-Zentrum wende sich «mit aller Schärfe gegen nationalistische Bewegungen, insbesondere gegen Positionen, wie sie AfD, Pegida und ähnliche Gruppierungen vertreten», erklärte Präsidentin Regula Venske. Die Charta des Verbandes verpflichte jedes Mitglied, für das Ideal einer einigen Welt einzutreten.

Auch ein Aufruf aus dem Jahr 2014 habe weiter Gültigkeit. Darin forderten die Schriftsteller die Europäische Union auf, ein gemeinsames Asylrecht zu schaffen und Schutzsuchende nicht zu behandeln, als wären sie Feinde, die es abzuwehren gilt. Äußerungen aus dem Umkreis der neuen Rechten zu Migration und Migranten seien damit nicht kompatibel.

«Vor diesem Hintergrund bitten wir Herrn Bernig zu prüfen, inwieweit er seine Verpflichtung gegenüber der PEN-Charta wahrnehmen kann, und ggfs. die notwendigen Konsequenzen zu ziehen», teilte der Verband mit.

 

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