Als Fritz Volbach (1861–1940) kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs vom Rat der Stadt Münster als erster Städtischer Musikdirektor installiert wurde, war seine Aufgabe keine geringere, als „Ordnung in die verrotteten Verhältnisse“ (O-Ton Volbach) zu bringen und ein solides Orchester zu gründen. Dies gelang ihm vortrefflich und in kürzester Zeit. Bereits vor seiner offiziellen Anstellung drängte Volbach überdies auf die Gründung einer Musikschule und erreichte darüber hinaus auch die Anstellung als Professor für Musikwissenschaft an der Universität.
Damit sind im Prinzip schon die drei Säulen beschrieben, die Fritz Volbachs Arbeit als durchaus visionär und zukunftsweisend charakterisieren. Oder in Volbachs eigenen Worten: „So war nun der Ring geschlossen. Konzerte, Universität, Musikschule und Jugendbildung bildeten ein Ganzes, in dem das eine das andere stützte und erklärte.“ Lange währte die Amtszeit Volbachs nicht – und mit seiner unfreiwilligen Aufgabe seines Postens als Generalmusikdirektor (er verließ Münster endgültig im Jahr 1933) vertröpfelte die Idee, Praxis, universitäre Lehre und „Volksbildung“, wie man es damals nannte, eng miteinander zu verzahnen.
Gleichwohl blieben Westfälische Schule für Musik, Sinfonieorchester und Musikhochschule Münster Partner und arbeiten seit etlichen Jahrzehnten erfolgreich und auf hohem künstlerischen Niveau zusammen. Paradebeispiel für diese gelingende Symbiose: das gemeinsame Jubiläumsjahr 2019 zum 100. Geburtstag mit über 150 Veranstaltungen. Allein: S+ie arbeiten an je unterschiedlichen Standorten innerhalb der Stadt und müssen überdies mit räumlichen wie technischen Defiziten leben. Da geht es um Aspekte wie Barrierefreiheit, WLAN-Tauglichkeit, dem Arbeitsrecht und Gesundheitsschutz konform angebotene Probenmöglichkeiten und, und, und. Diese zum Teil prekären Arbeits- und Studienbedingungen könnten sich in nicht allzu ferner Zukunft für alle entscheidend verbessern – und sich ganz im Sinne des von Fritz Volbach vor hundert Jahren formulierten Anspruchs neu gestalten. Münster nimmt ein Großprojekt in Angriff: den Musik-Campus! Unter einem gemeinsamen Dach sollen Musikschule, Orchester und Musikhochschule zusammenfinden. In einem Gebäudekomplex, der mit 17.500 Quadratmetern bemessen ist, auf einem universitätseigenen Grundstück errichtet werden soll und dessen „Herz“ ein Konzertsaal mit rund 1.200 Plätzen sein wird. Gemeinsam zu nutzende Ressourcen wie Tonstudio, Probenbühnen und Bibliothek inklusive. Reichlich Raum also, der Synergie-Effekte ermöglichen könnte, wie sie im Jubiläumsjahr 2019 schon ganz besonders zu spüren waren.
Zwei „Player“ sind dabei im Spiel: die Universität (und damit das Land Nordrhein-Westfalen) und die Kommune. Die aktuelle Mehrheit im Rat der Stadt aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und VOLT signalisiert prinzipiell „grünes Licht“. Im Februar 2021 wurde der Schritt getan, ein städtebauliches Realisierungskonzept in Auftrag zu geben, das detailgenau Standortmöglichkeiten sowie innovative und ökologische Aspekte zur Errichtung eben jenes Musik-Campus analysieren soll. Im Vorfeld sind bereits grundlegende Weichenstellungen vorgenommen worden: das Land NRW beteiligt sich mit 80 Millionen Euro an den kalkulierten 200 Millionen Gesamtkosten.
Natürlich wird unter den Bürgerinnen und Bürgern auch Kritik laut an den Plänen („wer soll das bezahlen?“), wobei der Vorwurf, es handele sich um ein elitäres Unterfangen der „oberen Zehntausend“, nicht besonders laut ist. Diesmal nicht! Das war vor 14 Jahren noch ganz anders, als ein erster Versuch zum Neubau einer Konzerthalle nach einem Bürgerentscheid grandios gescheitert war. Der aktuelle Musik-Campus dagegen wurde und wird besser in die Stadt hinein kommuniziert, sein Konzept überzeugt nicht nur inhaltlich, sondern auch deshalb, weil der Campus ein Areal beleben wird, dessen Umgebung schon heute mit einer ansprechenden Parklandschaft aufwartet.
Nicht zuletzt bietet der hinter dem Münster’schen Schloss, dem Hauptgebäude der Universität, gelegene Botanische Garten ein reizvolles Ambiente für einen Campus, in dem in Zukunft Kunst, Kultur, Forschung und Bildung einen Platz bekommen sollen.