Bayreuth - Die Richard-Wagner-Stiftung kann sich nach Auffassung ihres Ratsvorsitzenden Toni Schmid nicht an einer weiteren Aufarbeitung der NS-Vergangenheit auf dem Grünen Hügel beteiligen. "Die Stiftung hat kein Geld, um wissenschaftliche Projekte durchzuführen. Das kann sie nicht leisten, und das ist auch nicht ihre Aufgabe", sagte Schmid in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. Darum müssten sich Universitäten oder Historiker kümmern.
Schmid reagierte damit auf den Vorschlag des Journalisten Peter Siebenmorgen, dem Festspielleiterin Katharina Wagner den privaten Nachlass ihres Vaters Wolfgang übergab. In einem Interview mit dem "Nordbayerischen Kurier" hatte Siebenmorgen die Vergangenheitsbewältigung durch die Stiftung oder deren Gesellschafter angeregt.
Vorwürfe von Katharina Wagners Cousine Nike Wagner, wonach Katharina eine Aufarbeitung verschleppe und Einsicht in den Familiennachlass verweigere, wies Schmid zurück. "Ich beobachte eine wirkliche Öffnung", betonte er.
Katharina und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier, mit der sie die Festspiele seit 2008 leitet, unternähmen alles, um Akten zur Verfügung zu stellen. Sie seien "völlig offen" für das Thema.
Allerdings könnten sie nicht für alle Mitglieder dieser weitverzweigten Familie entscheiden, sagte Schmid. Damit spielte er auf Material an, das Richard Wagners 1980 gestorbene Schwiegertochter Winifred, eine Hitler-Verehrerin und Mutter von Katharinas und Evas Vater Wolfgang Wagner ihrer Enkelin Amélie Hohmann in München überlassen hat und das bisher nicht zugänglich ist.
"Seit Katharina und Eva ist viel Bewegung in die Sache gekommen", sagte Schmid. Nun sei es notwendig, noch ein wenig Geduld aufzubringen.
Katharina Wagner hatte Ende Juli Widerstände aus ihrer Familie bei der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit beklagt und mit rechtlichen Schritten gedroht. Kulturstaatsminister Bernd Neumann hatte die Wagner-Familie angesichts des Skandals um die Nazi-Tätowierungen des Sängers Evgeny Nikitin aufgefordert, sämtliche Archive für die Aufarbeitung der Verbindungen der Festspiele zum Nationalsozialismus zugänglich zu machen.
Der Stiftungsrat Richard-Wagner-Stiftung
Die Richard-Wagner-Stiftung wurde am 2. Mai 1973 gegründet, um den künstlerischen Nachlass von Richard Wagner dauerhaft zu erhalten und die Festspiele finanziell abzusichern. Außerdem bestimmt sie die Leitung der Festspiele. Verwaltet wird sie durch Stiftungsrat und Vorstand. Dem Stiftungsrat gehören zwölf Mitglieder an, die über insgesamt 24 Stimmen verfügen.
Im Einzelnen sind dies: Die Familie Wagner mit vier Stimmen, die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern mit jeweils fünf Stimmen, die Stadt Bayreuth mit drei Stimmen sowie der Regierungsbezirk Oberfranken und die Bayerische Landesstiftung mit je zwei Stimmen. Ebenfalls zwei Stimmen hat die "Gesellschaft der Freunde von Bayreuth", die die Festspiele seit 1949 finanziell unterstützt. Die Oberfrankenstiftung verfügt über eine Stimme.
Aufgabe des Stiftungsrates ist die Aufstellung des Haushaltsplanes sowie die Vermietung des Festspielhauses. Darüber hinaus entscheidet der Rat laut Satzung "in allen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sowie in den Angelegenheiten, in denen er sich die Entscheidung vorbehält". Geschäftsführer des Stiftungsrats ist aktuell die Bayreuther Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe. Vorsitzender ist Toni Schmid, Ministerialdirigent im bayerischen Kunstministerium.