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Historisch: das berühmte „Studio 12“ im Studiobau des Bayerischen Rundfunk, Live-Sendung von taktlos. Foto: Hufner

Historisch: das berühmte „Studio 12“ im Studiobau des Bayerischen Rundfunk, Live-Sendung von taktlos. Foto: Hufner

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Rundfunk: Abriss total

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Nachschlag 2023/09
Vorspann / Teaser

Dass es um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zurzeit nicht gutsteht, ist keine so ganz große Neuigkeit. Der Geist des Rundfunks, wie er sich in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts in der Bundesrepublik Deutschland ausbildete, als Bastion von solider Information, kreativer Mediennutzung und innovativer Bildung in einer demokratisch-aufgeklärten Gesellschaft, wird ohne Not und Stück für Stück preisgegeben. Genau genommen sogar Stein für Stein.

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Anfang der Nuller-Jahre dieses Jahrhunderts stand der akustisch, architektonisch, technisch und historisch außerordentliche Sendesaal von Radio Bremen vor dem Abriss und konnte nur durch bürgerschaftliches Engagement gerettet werden. In München hat nun der Bayerische Rundfunk den Abriss seines Studiogebäudes in der Marsstraße beschlossen. Dabei handelt es sich nicht nur um einen Funktionsbau, sondern ebenso um einen technisch und ästhetisch wegweisenden Bau aus den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts, der erst vor etwa 20 Jahren auch studio­technisch auf den neuesten Stand gebracht worden ist. In dem Bau sind neben den üblichen Produktionsstudios für den täglichen Sendebedarf auch Hörspielstudios und Aufnahmestudios inklusive Publikumsverkehr mit exzellenter Akustik untergebracht. Exkurs in eigener Sache: 176 Live-Sendungen des Musikmagazins „taktlos“, eine Koproduktion von BR und nmz, wurden zwischen 1998 und 2015 größtenteils dort produziert.

Warum ein solches Bau- und Kunstwerk also abreißen? Vorgeschoben werden Kosten, die dadurch entstünden, dass man das Bauwerk auf den neuesten Stand des Brandschutzes bringen möchte. „Der Verwaltungsrat nahm die in der Mai-Sitzung beauftragten, aktualisierten Kostenschätzungen zur Sanierung des Studiobaus am Standort Funkhaus zur Kenntnis. Im Ergebnis sieht das Gremium keine Basis für eine wirtschaftlich vertretbare Sanierung und damit den Erhalt des Studiobaus.“ (Beratungspunkte und -ergebnisse der Sitzung des Verwaltungsrats des Bay­erischen Rundfunks am 17. Juli 2023)

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Laut Informationen der Süddeutschen Zeitung würde ein Abriss mit Neubau an anderer Stelle mit zirka 200 Millionen Euro zu Buche schlagen, eine „Prognose“ für eine brandschutzaktualisierende Sanierung hingegen 300 Millionen Euro verschlingen. Laut bayerischer Landtagspräsidentin Ilse Aigner, die damit qua Amt zugleich dem Verwaltungsrat des Bayerischen Rundfunks als Vorsitzende vorsteht und in dieser Funktion die Arbeit der Intendantin des BR zu kontrollieren hat, stünde das „in keinem Verhältnis zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Beitragsgeldern“.

Zur Frage steht, ob wirklich alle Möglichkeiten in Sachen Sanierung versus Neubau an anderer Stelle in Erwägung gezogen worden sind. Eva Demmelhuber, 2022 beim BR als Mitarbeiterin ausgeschieden (sie arbeitete als Regisseurin, Produzentin und Autorin von Features, Unterhaltungssendungen, Hörspielen und Glossen), hat insbesondere zur Frage des Brandschutzes in einem Gespräch mit Ulrike Zöller, seit 2021 beim BR pensioniert (40 Jahre dort tätig), in der Münchener Zeitschrift MUH (Ausgabe 49, Juni 2023) auf Alternativen hingewiesen. „Natürlich muss man die Hohlräume hinter den frei aufgehängten Studioräumen brandschutztechnisch aufrüsten (...) Aber das ist mit moderner Technik – etwa mit dem Einsatz einer entsprechenden KI, die von einem Allgäuer Startup entwickelt wurde, ‚Guardian Technologies’ aus Wangen, die sind gerade in der Zertifizierungsphase – sehr gut zu machen. Und um die Hälfte günstiger als herkömmlicher Brandschutz.“ Das Problem dabei ist nur, diese Firma existiert in dieser Form nicht mehr und der ehemalige Inhaber teilte telefonisch auf Nachfrage mit, dass in naher Zukunft auch keine Chance bestünde, eine entsprechende Technologie für diesen Zweck zum Einsatz zu bringen.

Aber auch seitens des BR bekommt man leider keine Informationen zu Details der Sanierung. Bei den Gutachten, die der Verwaltungsrat des BR zu begutachten hatte, handelt es sich um „hausinterne Berechnungen auf Basis von Richtwerten des Baukosteninformationszentrums (BKI) der Dt. Architektenkammern aus dem Frühjahr 2023, das Ergebnis einer aktuellen, externen Plausibilitätsprüfung der Kosten sowie die Kernaussagen der im Mai beauftragten Sachverständigenmeinung (Gutachten)“. Auf die Frage, ob man Einsicht in diese Unterlagen erhalten könne, antwortet man schlicht: „Die Sitzungsunterlagen werden dem Gremium vertraulich und nur zum persönlichen Gebrauch übermittelt. Daher kann der Verwaltungsrat Dritten gegenüber keine Einsicht gewähren.“

Auch wenn das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege laut Verwaltungsrat den „Eintrag als Baudenkmal als Ganzes begründet ablehnt und lediglich den Erhalt der Säle und des Fußbodens angeregt hat“, ist offenbar unklar, wie man mit dieser Information umzugehen habe. Es heißt nur: „Diese beiden Aspekte wurden in der Mai-Sitzung des Gremiums eingehend diskutiert.“ Ergebnis unbekannt.

Transparenz sieht anders aus. Der Drops ist gelutscht. Denn längst ist beschlossen, dass die Rundfunkwellen an den neuen Standort nach München Freimann umziehen werden und insofern werden zusätzlich Fakten geschaffen, die einen Weiterbetrieb am bisherigen Standort als wenig sinnvoll erscheinen lassen.

Zurück bleibt wahrscheinlich wieder nur zerbrochenes Radioporzellan. Die Frage, welchen Wert Dinge haben, die man nicht mit den Mitteln der ökonomischen Berechnungsschemata bemessen kann, setzt sich immer weiter gesellschaftlich durch. Rechnen Sie mal durch, welchen gesellschaftlichen und sozialen Wert eigentlich eine öffentliche Bibliothek hat, und Sie werden zum Ergebnis kommen, dass öffentliche Bibliotheken eine reine Verschwendung von Steuergeldern sind – und machen Sie das mal für den gesamten Kultur- und Bildungsbereich und den Bereich sozialer Fürsorge. Das Ergebnis wird ökonomisch betrachtet immer gleich bleiben. All das rechnet sich nicht. Denn das, was derlei gesellschaftlich bedeutet, lässt sich nicht messen.

Dem BR möchte man aus Blick eines Beitragzahlers heraus allerdings empfehlen, auch den Umzug der Rundfunkwellen und den Studioneubau grundsätzlich zu hinterfragen, denn die letzten Entwicklungen im ARD-Sparsamkeitstornado könnten bedeuten, dass man bald auch diese Rest-Wellen so wenig braucht wie dann auch die zugehörigen Klangkörper wie Orchester, Chöre und Big Bands. Es ist daher nur konsequent, dem Abriss eines engagierten Rundfunks (siehe Ausdünnung der Kulturwellen und -redaktionen wie bei Bayern 2 und dem Plan, das Abendprogramm der Kulturwellen deutschlandweit zusammenzulegen) den Abriss der Gebäude folgen zu lassen. Oder umgekehrt, wen interessiert das noch. Die Grundentsorgung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird dabei gewährleistet.

Hand aufs Portemonnaie: Der ökonomisch günstigste öffentlich-rechtliche Rundfunk ist derjenige, den es gar nicht mehr gibt.

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