Rom - Die Klagen über den maroden Zustand der Kultur in Italien häuften sich - bis zur Resignation derer, die ihr Land immer noch gern als Spitzenklasse auf dem Feld gesehen hätten. Nach Jahren der Krisen und Kürzungen, nach all den Hiobsbotschaften etwa über den «zweiten Untergang» der antiken Ruinenstadt Pompeji oder auch über die Schuldenlast so mancher Oper handelt die Regierung in Rom jetzt.
Gerade 100 Tage im Amt, verordnet Ministerpräsident Enrico Letta eine erste Sauerstoffzufuhr für die Kultur in «Bella Italia». Sie ist mehr als überfällig, soll mehr als 150 Millionen Euro schwer sein und eine Trendwende einleiten. Genau das, was das Krisenland bitter nötig hat, um aus dem Wachstumstief herauszukommen.
Seit langem war vom Desinteresse der Politiker an der Kultur die Rede gewesen, nun hat die Regierung mit dem Gesetzentwurf «Valore Cultura» (Kultur-Wert) eine Remedur eingeleitet. Eine erste, ja, aber eine mit doch vielversprechenden Akzenten, weil es nicht nur um die Highlights im Stiefelstaat wie Pompeji oder die Uffizien in Florenz geht. Sondern vor allem auch um Italiens Nachwuchs: So sollen 500 Ausbildungsplätze für Hochschulabgänger geschaffen werden, die sich darin fit machen können, in staatlichen Kultureinrichtungen Experten fürs Digitalisieren und Inventarisieren zu werden. Und junge Musiker oder Komponisten können auf Unterstützung für Erstlingswerke setzen.
«Das kann endlich auch eine Anerkennung der Jazz-Musiker bedeuten, doch sollten es keine Steuerhilfen nur für den kommerziellen Sektor sein.» Das sagte Italiens bekanntester Jazz-Trompeter Paolo Fresu der Zeitung «Il Messaggero» zu den geplanten 4,5 Millionen Euro für die Musik.
Finanzielle Frischluft trotz knapper Kassen gibt es vor allem auch für die leidende Kino-Branche, die nach massiven Kürzungen wieder 90 Millionen Euro an Steuerhilfen erhält. Natürlich ist es das Geld, das unter die Arme greifen soll: Von den 75 Millionen Euro für Opernhäuser könnten Finanzkrisen etwa des Teatro Carlo Felice in Genua oder des Lirico in Cagliari angegangen werden. Unterstützt werden soll von Staats wegen jedoch nur, wer einen Sanierungsplan vorlegt und beim Personal spart.
Und dann Pompeji, das lange durch Misswirtschaft und Bürokratie vernachlässigte archäologische Schmuckstück unter dem Vesuv. Für das «Große Projekt Pompeji» wird ein Super-Direktor alle Auftragsvergaben und Eingriffe zur Rettung der antiken Stätte leiten. Kulturminister Massimo Bray verspricht eine neue, transparente Leitungsstruktur, was für ein solches Vorhaben im Mafia-verseuchten Süditalien allein schon eine Herausforderung bedeutet. Dazu kommt, dass Pompeji einen Haufen Geld verschlingen wird, bevor es wieder ungeschmälert eine Attraktion für die Millionen Touristen aus aller Welt sein kann. Hilfestellung in Millionenhöhe müssen zunächst aber einige wichtige Musen erhalten, so die Neuen Uffizien in Florenz und das Shoah-Museum in Ferrara. Die Sauerstoffzufuhr aus Rom für die Kultur kann so nur der Anfang sein.
Hanns-Jochen Kaffsack