Berlin - Die SPD will die Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern und das komplizierte Verhältnis von Bund, Ländern und Kommunen mit einem «kooperativen Kulturföderalismus» neu beleben. Das sieht ein Konzept «Kultur stärken!» vor, das der Parteivorstand verabschiedet hat. «Kulturpolitik muss in den kommenden Jahren tiefgreifende Veränderungsprozesse gestalten», heißt es in dem acht Seiten umfassenden Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Entstanden ist das Konzept unter Federführung des Vorsitzenden des Kulturforums der Sozialdemokratie, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda. «Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Kultur hart getroffenen.» Künstlerinnen, Künstler und Kreative seien extrem eingeschränkt, dem Publikum etliche Kulturorte verschlossen. «Der gesellschaftliche Verlust ist enorm - wir stehen politisch in der Verantwortung, ihn abzufedern.» Das habe nicht nur eine materielle Dimension.
Die SPD will einen «Aufbruch hin zu einem neuen Kulturkonsens über die Aufgaben und Verfahren der Kulturpolitik». Grundlage dafür seien «die kreativen, kritischen, innovativen und verbindenden Kräfte von Kunst und Kultur». Kultur solle als Staatsziel im Grundgesetz verankern werden. «Die Künste sind eine wesentliche Werte-, Identitäts- und Dialogressource und für den Zusammenhalt in der Demokratie unverzichtbar.»
Der Bund soll aus Sicht Brosdas eine neue Rolle übernehmen. «Der Bund kann eine moderierende Rolle spielen, indem er all diejenigen, die im Feld der Kulturpolitik und der Kulturförderung auf dem Platze sind - also neben dem Bund die Länder, die Kommunen, Stiftungen, Zivilgesellschaft, auch kulturelle Institutionen - zusammen holt und aus den bereits etablierten kulturpolitischen Spitzengesprächen einen echten Verständigungsprozess über die Kulturpolitik macht», sagte Brosda der dpa in Berlin.
Finanzen sollen mehr koordiniert werden. «Wir können näher zueinanderkommen, wenn Bund und Länder gucken, wie ihre Förderungen besser zusammenpassen, damit nicht weiterhin unnötige Konkurrenzsituationen entstehen in einem Feld, in dem wir traditionell knappe Ressourcen haben.» Zudem solle «eine kluge Kulturpolitik des Bundes» sich für Kommunen einsetzen, damit sie «bei der Kulturförderung ihren Aufgaben auch in Zukunft nachkommen können».
Im Konzept werden etwa Hilfen genannt, damit «der Kultur die notwendigen Räume gesichert werden können - auch in den Städten und Gemeinden, in denen der Immobilienverwertungsdruck immer weiter zunimmt». Kulturelle Infrastrukturen im Land sollen gestärkt werden. «Die Vielfalt der kulturellen Angebote in den Regionen und gerade auch im ländlichen Raum trägt zur Lebensqualität bei», heißt es.
Die SPD will zudem einen «Zukunftsdialog Kultur» organisieren. Der Stellenwert der Kultur solle auch dadurch gesichert werden, «dass der Beauftragte für Kultur und Medien im Kanzleramt Ministerrang erhält». Von einem eigenen Ministerium steht nichts im Papier, Brosda selbst hält es nicht für zielführend. «Im Verfassungsgefüge des Landes verändert sich mit einem eigenen Ressort für die Bundeskulturpolitik überhaupt nichts.»
Künstlerinnen und Künstler sollen etwa durch Mindestgagen oder Ausstellungshonorare besser finanziell gesichert werden. Auch die sozialen Sicherungssysteme sollen weiter geöffnet werden. «Ein Angebot der solidarischen Absicherung würde soziale Verwerfungen vermeiden helfen», heißt es im Konzept.
Für mehr Diversität und Geschlechtergerechtigkeit soll die Besetzung von Jurys und Gremien quotiert werden. Beim Umgang mit kolonialem Erbe will die SPD einen veränderter Umgang mit kolonial belastetem Sammlungsgut in Museen mit Rückgaben an die Herkunftsgesellschaften und mehr internationaler Kooperation. Das Berliner Humboldt-Forum soll dabei «Maßstäbe entwickeln und setzen».
Für den Umgang mit historisch belasteten Denkmälern, Statuen oder Straßennamen soll ein bundesweites Register zu umstrittenen Kolonialfiguren aufgebaut werden. «Die Fragen werden ja an vielen Stellen bearbeitet», sagte Brosda. Für dieses Wissen könne ein Pool geschaffen werden für Stadt- und Gemeinderäte oder Kulturdezernenten. «Nicht jeder muss hier ein eigenes historisches Gutachten schreiben.»