Diskussionen über Themen wie Religiosität und Spiritualität sind heute von unbezweifelbarer Wichtigkeit, in ganz Europa gibt es ein deutlich zunehmendes Interesse für spirituelle Fragestellungen. Gewiss ist es nicht mit dem Interesse an einer Auseinandersetzung mit den christlichen Kirchen kongruent. Dennoch scheint es speziell in Deutschland zusätzlich durch die Tatsache bekräftigt zu werden, dass Papst Benedikt XVI. ein Deutscher ist.
Auch im Bereich der Neuen Musik, dem zentralen Arbeitsfeld des Darmstädter Instituts für Neue Musik und Musikerziehung (INMM), ist eine deutliche Steigerung der Aufmerksamkeit für religiöse und spirituelle Fragestellungen in ihrer ganzen Breite bemerkbar. Festzustellen ist, dass offene Bekenntnisse zu religiösen Einstellungen häufiger geworden sind und gleichzeitig das Spektrum der Ansätze erheblich gewachsen ist. Die Frage, ob und in welcher Weise sich dies auf das Komponieren der Gegenwart auswirkt, ist eines der Kernanliegen der unter dem Thema „Sinnbildungen. Spiritualität und Geistigkeit in Neuer Musik“ stehenden diesjährigen Frühjahrstagung des Instituts in der Darmstädter Akademie für Tonkunst (11.–14. April 2007). Ausgangspunkt der in sechs Themenblöcke gegliederten Tagung wird der Versuch einer facettenreichen Analyse der Gegenwartssituation sein – mit Hans Zender, Helga de la Motte, Dieter Mersch und Wolfgang Lessing sind dabei bewusst Vertreter unterschiedlicher Disziplinen eingebunden. Ein zweiter Block ist mit „Christliches Komponieren – heute?“ überschrieben (mit Dieter Schnebel und Mark André sowie dem Theologen Thomas Ulrich). Ausgehend von der spezifisch amerikanischen Geistes-Tradition, die mit Namen wie Cage und Feldman und mit dem Transzendentalismus verbunden ist, sollen sodann (unter anderem mit Heinz-Klaus Metzger, Walter Zimmermann und Philipp Schaeffler) Möglichkeiten reflektiert und befragt werden, wie sich an diesen spezifischen Weg einer von spirituellen Ideen durchdrungenen Musikproduktion anknüpfen lässt.
Hier wird es in gewissem Maße auch darum gehen, die Bedeutung jener schon für Cage so wichtigen buddhistischen Erfahrungshorizonte zu erörtern, die für Komponisten heute – gerade auch in Europa – eine erhebliche Attraktivität besitzen. Diese zuletzt genannte Spur wird am selben Tage (unter anderem von Younghi Pagh-Paan und Ernstalbrecht Stiebler) mit Blick auf ostasiatische Gedankenwelten fortgesetzt und spezifiziert. Auch hier wird sich der Dialog von europäisch-christlichen Kontexten bewusst wegbewegen. Im fünften Themenblock wird das Werk eines Komponisten exemplarisch beleuchtet. Mit dem heute 81-jährigen Klaus Huber, der erstmals seit langem wieder bei der Darmstädter Tagung anwesend sein wird, wurde für diesen Akzent ein Komponist ausgewählt, dessen Schaffen unterschiedlichste Facetten des Gesamtthemas aufweist. Der mit „Sakrale Sehnsüchte“ überschriebene letzte Themenblock sucht (unter anderem mit Robin Hoffmann und einem Mitglied der Band „Umbra et Imago“) durch einige generelle Betrachtungen den Bogen zurück zum Anfang der Tagung zu schlagen, zugleich aber die Frage aufzuwerfen, welche spezifischen Akzentuierungen spirituell orientierte populäre Musik heute aufweist.
Die Vorträge werden durch eng auf die Thematik der Tagung abgestimmte Konzerte mit namhaften Interpreten (unter anderem dem „Ensemble Modern“) ergänzt. Eine wichtige Rolle in der Tagungsstruktur spielen auch 2007 wieder die der Tagung voran gestellte Stadtmusik – die eine Brücke von den speziellen Tagungsinhalten hin zu den Interessen der städtischen Öffentlichkeit schlägt – sowie die JugendMusikWerkstatt. Spezielle musikpädagogische Workshops geben die Gelegenheit, die themenorientierte praktische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kennen zu lernen.