Zwar klappern die Mühlen am rauschenden Bach der Musikpolitik langsam, aber irgendwie vernehmlich. Und es ist, wenn der Eindruck nicht ganz täuscht, eine leichte Beschleunigung nicht zu leugnen. Die Ereignisse folgen einander in erhöhter Taktung, und einzelne Wegstrecken (um das Bild zu wechseln), ob es nun kurze oder lange sind, werden anscheinend schneller zurückgelegt.
Geschah nach den handfesten Musik-Empfehlungen der Enquete-Kommission des Bundestags 2007 noch lange Zeit nicht wirklich etwas, machte womöglich gerade deswegen die SPD-Bundestagsfraktion die Musikförderung des Bundes im Februar 2010 zum Gegenstand einer erstaunlich umfassenden Großen Anfrage, auf welche die Bundesregierung im September 2011 ebenso erschöpfend antwortete. Ende November 2012 dann lud der Kulturausschuss des Bundestages zu einer öffentlichen Expertenanhörung über die Struktur öffentlicher Kulturförderung mit besonderer Berücksichtigung der Musikförderung (gerade deswegen berichtete auch darüber die nmz in der Ausgabe 9-12, S. 1 unter dem Titel „Mit Politik auf Augenhöhe“). Das jedoch ist, völlig ironiefrei, der Gang der Dinge, und da Kulturelle Bildung und ihr Gegenstand derzeit und völlig zurecht politisch ein Großes Rad darstellen, mahlen der Masse, der Komplexität und der Begehrlichkeiten wegen die Mühlen dementsprechend langsam, sind die Mühen der Ebene eben groß. Und nun dreht die SPD-Bundestagsfraktion unter der Ägide ihres kulturpolitischen Sprechers Siegmund Ehrmann das Rad weiter vorwärts, indem sie Anfang Juni ein auf all dem Vorgenannten basierendes beauftragtes Gutachten vorstellte mit dem ebenso langen wie vorsichtigen Titel „Theoretische und empirische Grundlagen für die ‚Entwicklung einer Konzeption zur Neugestaltung der Musikförderung des Bundes‘ unter Berücksichtigung von Governance-Aspekten“. Kurzum: Der Weg ist das Ziel.
Vorsicht ist auch der Komplexität des Gegenstandes wegen sicher angebracht; schon die extrem kondensierte Antwort auf die Große Anfrage umfasste 48 Seiten, hatte Militärmusik, Musikwirtschaft, musikalisches Erbe, Nachwuchsförderung, internationale Wirkung und vieles andere mehr zu berücksichtigen, ebenso Budgets von gleich sechs Bundesministerien und etlichen zentralen Förderempfängern. Dieser vorsichtigen Haltung ebenso wie dem Governance-Prinzip der Partizipation entspricht auch die Zielsetzung des Gutachtens, eben kein Ziel oder einheitliches Musikförderkonzept fertig vorzugeben, sondern Mittel und Wege dahin zu bereiten, mögliche Verfahren ebenso wie Gefahren dabei aufzuzeigen. Denn das Musikland ist his-torisch gewachsen und dicht strukturiert, dementsprechend auch in seinen Förderstrukturen auf Seiten des Bundes ebenso komplex wie uneinheitlich. Was wiederum kein Fehler ist, sondern Abbild der Geschichte eines föderalen Kulturstaates, in deren Verlauf zu den wesentlich die Kultur tragenden Ländern und Gemeinden verstärkt auch der Bund hinzugetreten ist, über seine Rolle als Gesetzgeber in Steuer-, Sozial- oder Urheberrechtsdingen hinaus, als Akteur und Träger. Was mit der Förderung von Vertriebenenkultur, von Bach, Beethoven und Wagner begann, führte historisch folgerichtig zu weiteren kulturellen Handlungsfeldern des Gesamtstaats, über die auswärtige Kulturpolitik hinaus zur Kulturstiftung des Bundes etwa, aber vor allem dann zu den Aufgaben in Folge des Einigungsprozesses (Hauptstadtkultur, Überleitung des DDR Rundfunks usf.). Das gegenwärtig nicht vorhandene Gesamtkonzept, wie Auftraggeber und -nehmer des Gutachtens konstatieren, ist daher weniger ein kulturpolitisches Versäumnis als ein Desideratum, etwas, was man zu vermissen anfängt, da eine historische Entwicklung weitestgehend abgeschlossen ist. Da zugleich eine drohende Zukunft auftaucht mit schrumpfenden Haushalten in Ländern und Kommunen oder einer in Menschen und Netzen sich wandelnden Öffentlichkeit, schmerzt das Fehlen um so mehr und wird Handeln notwendig.
Die Verfasser des Gutachtens, Patrick S. Föhl (Netzwerk für Kulturberatung) und Doreen Götzky in Zusammenarbeit mit Wolfgang Schneider (beide Institut für Kulturpolitik der Uni Hildesheim), arbeiten die geschichtlichen Grundlagen gründlich auf, eben weil sie die derzeitige Lage in der Musikförderung des Bundes bestimmen und weil die Art der Konzeptfindung auch Modellcharakter haben soll für andere Kulturbereiche. Nicht wegen der überschaubaren knapp 45,5 Millionen Euro, die der Bund insgesamt in seine weitgespannte Musikförderung derzeit steckt, sondern vor allem wegen der umfangreichen, durchorganisierten und differenzierten Strukturen im Musikland. Hier Profis wie Laien, Institutionen wie Szene, Bildung wie Produktion, Förderer, Träger und Akteure gleichzeitig zu einem gemeinsamen Findungsprozess „einzunorden“, das besäße tatsächlich Signalcharakter und wäre, wenn man von spartenspezifischen Regionalprojekten absieht, einmalig. So die Verfasser und so auch die 20 für das Gutachten interviewten Experten (zu denen auch der Verfasser dieser Zeilen gehörte).
Natürlich sind die Handlungsfelder des Bundes in Musikdingen weit gestreckt, und natürlich sind die Gefahren bei einem koordinierten Konzipierungsprozess dabei groß und u
Zwar klappern die Mühlen am rauschenden Bach der Musikpolitik langsam, aber irgendwie vernehmlich. Und es ist, wenn der Eindruck nicht ganz täuscht, eine leichte Beschleunigung nicht zu leugnen. Die Ereignisse folgen einander in erhöhter Taktung, und einzelne Wegstrecken (um das Bild zu wechseln), ob es nun kurze oder lange sind, werden anscheinend schneller zurückgelegt. Geschah nach den handfesten Musik-Empfehlungen der Enquete-Kommission des Bundestags 2007 noch lange Zeit nicht wirklich etwas, machte womöglich gerade deswegen die SPD-Bundestagsfraktion die Musikförderung des Bundes im Februar 2010 zum Gegenstand einer erstaunlich umfassenden Großen Anfrage, auf welche die Bundesregierung im September 2011 ebenso erschöpfend antwortete (die nmz berichtete im September 2012, Seite 1: „Mit Politik auf Augenhöhe“).
Ende November 2012 dann lud der Kulturausschuss des Bundestages zu einer öffentlichen Expertenanhörung über die Struktur öffentlicher Kulturförderung mit besonderer Berücksichtigung der Musikförderung. Das ist, völlig ironiefrei, der Gang der Dinge, und da Kulturelle Bildung und ihr Gegenstand derzeit und völlig zurecht politisch ein Großes Rad darstellen, mahlen der Masse, der Komplexität und der Begehrlichkeiten wegen die Mühlen dementsprechend langsam, sind die Mühen der Ebene eben groß. Und nun dreht die SPD-Bundestagsfraktion unter der Ägide ihres kulturpolitischen Sprechers Siegmund Ehrmann das Rad weiter vorwärts, indem sie Anfang Juni ein auf all dem Vorgenannten basierendes beauftragtes Gutachten vorstellte mit dem ebenso langen wie vorsichtigen Titel „Theoretische und empirische Grundlagen für die ‚Entwicklung einer Konzeption zur Neugestaltung der Musikförderung des Bundes‘ unter Berücksichtigung von Governance-Aspekten“. Kurzum: Der Weg ist das Ziel.
Vorsicht ist auch der Komplexität des Gegenstandes wegen sicher angebracht; schon die extrem kondensierte Antwort auf die Große Anfrage umfasste 48 Seiten, hatte Militärmusik, Musikwirtschaft, musikalisches Erbe, Nachwuchsförderung, internationale Wirkung und vieles andere mehr zu berücksichtigen, ebenso Budgets von gleich sechs Bundesministerien und etlichen zentralen Förderempfängern. Dieser vorsichtigen Haltung ebenso wie dem Governance-Prinzip der Partizipation entspricht auch die Zielsetzung des Gutachtens, eben kein Ziel oder einheitliches Musikförderkonzept fertig vorzugeben, sondern Mittel und Wege dahin zu bereiten, mögliche Verfahren ebenso wie Gefahren dabei aufzuzeigen. Denn das Musikland ist historisch gewachsen und dicht strukturiert, dementsprechend auch in seinen Förderstrukturen auf Seiten des Bundes ebenso komplex wie uneinheitlich. Was wiederum kein Fehler ist, sondern Abbild der Geschichte eines föderalen Kulturstaates, in deren Verlauf zu den wesentlich die Kultur tragenden Ländern und Gemeinden verstärkt auch der Bund hinzugetreten ist, über seine Rolle als Gesetzgeber in Steuer-, Sozial- oder Urheberrechtsdingen hinaus, als Akteur und Träger.
Was mit der Förderung von Vertriebenenkultur, von Bach, Beethoven und Wagner begann, führte historisch folgerichtig zu weiteren kulturellen Handlungsfeldern des Gesamtstaats, über die auswärtige Kulturpolitik hinaus zur Kulturstiftung des Bundes etwa aber vor allem dann zu den Aufgaben in Folge des Einigungsprozesses (Hauptstadtkultur, Überleitung des DDR Rundfunks usf.). Das gegenwärtig nicht vorhandene Konzept, wie Auftraggeber und -nehmer des Gutachtens konstatieren, ist daher weniger ein kulturpolitisches Versäumnis als ein Desideratum, etwas, was man zu vermissen anfängt, da eine historische Entwicklung weitestgehend abgeschlossen ist und eine drohende Zukunft auftaucht mit schrumpfenden Haushalten in Ländern und Kommunen oder einer in Menschen und Netzen sich wandelnden Öffentlichkeit.
Die Verfasser des Gutachtens, Pat-rick S. Föhl (Netzwerk für Kulturberatung) und Doreen Götzky, in Zusammenarbeit mit Wolfgang Schneider (beide Institut für Kulturpolitik der Uni Hildesheim), arbeiten diese Grundlagen gründlich auf, eben weil sie die derzeitige Lage in der Musikförderung des Bundes bestimmen und weil diese Art der Konzeptfindung auch Modellcharakter haben soll für andere Kulturbereiche. Nicht wegen der derzeit knapp 45,5 Millionen Euro, die der Bund insgesamt in seine Musikförderung steckt, sondern vor allem wegen der umfangreichen, durchorganisierten und differenzierten Strukturen im Musikland. Hier Profis wie Laien, Institutionen wie Szene, Bildung wie Produktion, Förderer, Träger und Akteure gleichzeitig zu einem gemeinsamen Findungsprozess „einzunorden“, das besäße tatsächlich Signalcharakter und wäre, wenn man von regionalen oder spartenspezifischen Projekten absieht, einmalig. So die Verfasser und so auch die 20 für das Gutachten interviewten Experten (zu denen auch der Verfasser dieser Zeilen gehörte).
Natürlich sind die Handlungsfelder des Bundes in Musikdingen weit gespannt, und natürlich sind die Gefahren bei einem Konzipierungsprozess dabei groß und stecken in unzähligen Details von Recht (Subsidiaritätsprinzip), Inhalten (Vielfalt der Genres) und Verteilungsgerechtigkeit. Davon sprachen bei der Vorstellung im Abgeordneten stecken in unzähligen Details von Recht (Subsidiaritätsprinzip), Inhalten (Vielfalt der Genres), Rollenverteilung (wer empfiehlt und wer beschließt?) und Verteilungsgerechtigkeit. Davon sprachen bei der Vorstellung im Berline Paul-Löbe-Haus auch die Kommentatoren des Gutachtens, Susanne Binas-Preisendörfer, Julia Hülsmann und Oliver Scheytt. Aber es steht viel auf dem Spiel im Musikland, wo Nachrichten über zerbröselnde Strukturen sich häufen, und weil hier Bundesmittel die letzten sind, die nicht zu an die 90 Prozent in Strukturerhalt fließen und eben deswegen freie Mittel bedeuten können. Dabei, so auch die Kommentatoren, reichen gegenwärtige Strukturen der Partizipation nicht aus, zielt das Governance-Prinzip doch auf weit mehr als nur die Mitwirkung von Fördergebern und Verbänden. Dass allerdings auch diese weitest gefasste Partizipation allein der Prozessqualität wegen nicht ohne Government beziehungsweise eine aktivierende Politik auskommt, wurde auch klar. Kein bottom-up ohne ein ergebnisorientiertes top-down.
Wahlkampf? Ja und?! Erfreulich dabei ist, dass Kultur und Musik etwas substanzieller ins Themenportfolio rücken. Und wenn man Wahlkampf, der laut Politikern und Lobbyisten ja immer sein soll, als den Wettstreit um den besseren Vorschlag versteht, dann erst recht.
Dieser Der-Weg-ist-das-Ziel-Vorschlag der SPD ist ein gelungener Auftakt, notwendige Beteiligte und Verfahren zu koordinieren. Wobei man sich im weiteren Verlauf eines Konzipierungsprozesses, so er denn zustandekommt, zweierlei wünschen sollte: dass er nicht im Dickicht bestehender „Claims“ und „Stakeholder“ und ihrer eigenen Transfereffekte erstickt sowie eine Diskurskultur und Sprache, die sich weder im Kulturmanagement-Newspeak erschöpfen noch in einer gegenstandslosen kulturpolitischen Sachlichkeit, sondern dass sie auch zum Kern der Dinge vordringen. Institutionen etwa sind nicht bloß Verwaltungsmachinationen, vielmehr sind sie wesentlich von ihrem Gegenstand bestimmt: Orchester von Orchesterwerken und Opernhäuser von Opern. Ohne diese gäbe es sie gar nicht.
Fazit: „No hay caminos … hay que caminar“, was als Motto das Spätwerk des Klangwanderers, -forschers und -finders Luigi Nono bestimmte. Es gibt keine Wege … es gibt das Gehen … die Be-Wegung. Daraus besteht Musik. Darum geht es.