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Thelonius Monks „Round Midnight“ für zwölf Cellisten und Till Brönner an der Trompete. Foto: Martin Hufner
Thelonius Monks „Round Midnight“ für zwölf Cellisten und Till Brönner an der Trompete. Foto: Martin Hufner
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Universaler Tag der Musik in Berlin, fitgespritzt

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Das Bundesfinanzministerium als Gastgeber für ein Programm zum Thema „Musik zwischen Seele und Technik“
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Den Tag der Musik feiert man noch gar nicht allzu lange in Deutschland. Eigentlich feiert man ihn auch gar nicht so sehr. Also, man feiert ihn, aber über mehrere Tage quer durch Deutschland, hier und da. Wenn man an so einem Tag der Musik durch Deutschlands Straßen geht, merkt man ihn wirklich nicht besonders, auch bei angeblich über 1.300 Veranstaltungen – denn mal ehrlich, so viele Veranstaltungen finden fast jeden Tag in Deutschland statt, von der Staatsoper bis zum Club. Außer an den Brennpunkten. So ein Brennpunkt ist zum dritten Mal schon das Bundesfinanzministerium in Berlin, Hausherr: Wolfgang Schäuble. Früher hat hier einmal Hermann Göring sein Unwesen getrieben. Es ist ein beeindruckender und gottlob nicht mehr allzu bedrückender Kasten.

Von 12 Uhr mittags bis 18 Uhr abends wurde in diesem Gebäude ein Programm aus Musik, Diskussion, Vortrag und Klanginstallation gezimmert. Verantwortet und kuratiert von Ingrid Allwardt vom netzwerk junge ohren und Christian Kellersmann von Universal Music. Die musikalische Fläche, die in dem Gebäude aufgespannt wurde, reichte vom Schulprojekt mit Schlagwerk bis zum Kammerorchester, vom Piano-Solo bis zur 

Klanginstallation im Pater Noster. Unter den wachsamen Augen von Zoll und Bundeskriminalamt bewegte sich in alldem ein nicht schlechtgelaunter Bundesfinanzminister und trägt etwa 20 Minuten zum Thema „Vom Wert der Kultur in finanziellen Umbrüchen“ vor, offensichtlich recht frei. Allerdings auch mit nicht zu großem inhaltlichen Tiefgang. Es war eher ein verfassungsrechtliches Geplauder über den Stellenwert von Kultur im Staatsganzen: Wo muss der Staat der Kultur beistehen und wo muss er sich heraushalten, was hat er zu garantieren und was nicht. Aber vor allem, was hat Kultur mit Geld zu tun. Dass es damit zu tun hat, ist evident; nur, geht Kultur in Frage nach ihrer Finanzierung auf? Das wird man wohl verneinen müssen. Und das verneinte auch der Finanzminister.

Mit diesem Thema in altem und neuem Gewand zugleich beschäftigte sich auch eine Diskussion „Von der Flüchtigkeit der Werte im 21. Jahrhundert“ – fokussiert durch den Arbeitstitel der gesamten Veranstaltung: „Digitalisierung – Risiko oder Chance für Werte in Kultur und Finanzen? Musik zwischen Seele und Technik“. Man fühlte sich ein bisschen in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurückkatapultiert, als Günter Anders über die Seele im technischen Zeitalter sinnierte. Das muss nicht schlecht sein, wenn man die alten Aufgaben ein wenig gelöst hätte. Es machte eigentlich nur deutlich, dass die Zeit schneller fortgeschritten war, als die Seele hinterherkam. So wie man damals sich in einer vaterlosen Gesellschaft orientieren musste, muss man es heute immer stärker in einer immer deutlicher sinnenlosen. Da helfen nicht technische Krücken wie 3D-Filme oder duftende Noten, auch digitale Konzerthallen erweitern „nur“ die Menge des potentiellen Publikums, nicht wirklich die Sinne. Schlagender beweisen hätte man es nicht können: Das Fraunhofer Institut übertrug eine Live-Veranstaltung in der Kantine mit den 12 Cellisten in den Matthias-Erzberger-Saal im gleichen Gebäude: Der technische Aufwand extrem, das akustische Ergebnis sehr vernünftig, aber der Duft fehlte einfach. 

So bleiben vor allem in Erinnerung die famosen Auftritte der Musiker – sei es vom Solisten-Ensemble Kaleidoskop mit einer von den Stühlen reißenden Aufführung einer Sinfonie von Wilhelm Friedemann Bach und Claude Viviers Zipango. Sei es die musikalisch hyperventilierende „Wunderkammer“ des Jazzpianisten Michael Wollny zusammen mit Tamar Halperin, sei es auch Till Brönners Arrangement von Monks „Round Midnight“ zusammen mit den 12 Cellisten mit dem Trompter selbst als Solisten. Warum macht er nicht öfter so etwas, fragt man sich. 

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