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Unruhezeit nach dem Abschied vom WDR - Fritz Pleitgen steht an Spitze der Ruhr.2010 GmbH

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Essen - Eigentlich hatte sich Fritz Pleitgen seine Zeit nach dem Abschied vom Westdeutschen Rundfunk anders vorgestellt. Der langjährige Intendant des WDR wollte nach dem Ende seiner Amtszeit im Jahr 2007 eigentlich Bücher schreiben und Filme machen. Doch dann kam auf den jetzt 71-Jährigen eine unerwartete Aufgabe und neue Herausforderung zu: Er wurde zum Vorsitzenden der Geschäftsführung der Ruhr.2010 GmbH ernannt.

Nachdem er zunächst gezögert hatte, übernahm der in Duisburg geborene Pleitgen den Posten dann doch - schließlich hatten der aus Bochum stammende Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und der damalige RAG/Evonik-Chef Werner Müller um ihn geworben.

Wenn sich Pleitgen an seine Kür erinnert, schwingt seiner Berufung durchaus etwas Zwanghaftes mit. Er sei durch seine Fürsprecher sozusagen in den «Doppelnelson-Griff» genommen worden, sagte Pleitgen in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» im April 2007 – die Anleihe an die Ringersprache macht deutlich, dass Überzeugungsarbeit nötig war.

Dennoch verfolgt Pleitgen das Projekt nach eigenen Angaben mit Leidenschaft. Er fühle sich der Region verbunden und auch die europäische Komponente sie ihm bei seiner Arbeit wichtig, erklärte er der «SZ». Um keine Zeit zu verlieren, schied er zudem drei Monate früher als zunächst geplant beim WDR aus und trat im April 2007 sein neues Amt in Essen an.

Am 9. Januar 2010 startet das Kulturhauptstadt-Jahr im Ruhrgebiet mit einer zweitägigen Eröffnungsfeier auf der Zeche Zollverein. Pleitgen sowie sein Co-Geschäftsführer und ehemalige Essener Kulturdezernent Oliver Scheytt stehen an der Spitze der Betreibergesellschaft Ruhr.2010. Der ehemalige WDR-Intendant ist zum ersten Protagonisten einer Region geworden, die sich unter dem Motto «Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel» als eine europäische Metropole darstellen will. 300 Projekte und 2500 Veranstaltungen stehen auf dem Programm.

Dafür steht ein Etat von 62,5 Millionen Euro zur Verfügung. Angesichts der Finanzprobleme bei den Kommunen und in der Wirtschaft zeigt sich der Ruhr.2010-Gechäftsführer erleichtert, dass man die geplante Finanzausstattung geschafft hat. Man habe «eine Punktlandung» erreicht, betonte Pleitgen. Dabei dankt er auch immer wieder den 53 Städten der Region für ihre Unterstützung. «Es ist anerkennenswert, dass die stark gebeutelten Kommunen uns so unterstützen», lobt er.

Für Pleitgen mag die Berufung an die Spitze der Ruhr.2010 GmbH überraschend gekommen sein, für den Posten bringt er gleichwohl die besten Voraussetzungen mit. So hat sich der Journalist, der bei der «Freien Presse» in Bielefeld (heute «Neue Westfälische») volontiert hatte, als Mann für alle Fälle erwiesen - sei es als Korrespondent in Moskau, Ost-Berlin und Washington, als Hörfunkdirektor oder als Intendant, der stets vehement den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verteidigen wusste. Zudem ist er prominent.

Im Fragebogen des «FAZ-Magazins» gab Pleitgen einmal «Rastlosigkeit» als Hauptcharakterzug an. Die Aufgabe, die er im Revier übernommen hat, lässt freilich auch wenig Zeit, die Hände in den Schoß zu legen. «Das heutige Ruhrgebiet ist wahrscheinlich die unbekannteste und am meisten unterschätzte Region Europas», sagte er einmal in einem Interview. Das Kulturhauptstadt-Jahr soll deshalb vorführen, wie sich eine Metropolregion entwickelt und welchen wichtigen Stellenwert Kultur dabei haben kann. Deshalb verstehe man die Kulturhauptstadt auch «nicht als ganzjähriges Festival mit Schlussfeuerwerk, sondern als hochkarätiges Entwicklungsprogramm». Ziel sei es, «strukturelle Veränderungen in der Region» anzustoßen - und davon soll die Region auch dann noch zehren, wenn Pleitgen seinen Management-Job in Essen längst an den Nagel gehängt hat.