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Unverzichtbarer Bestandteil der Kulturförderung

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Die nmz startete eine Umfrage zur geplanten Novellierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG)
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Anlässlich der bevorstehenden Novellierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) befragte die nmz die wichtigsten Vertreter bundesdeutscher kulturpolitischer Verbände und Vereinigungen unter folgenden Gesichtspunkten: 1. Was bringt uns die Diskussion über das KSVG?, 2. Wie sollte die Novelle des KSVG aussehen?Rechte der KSK stärken In „Oper & Tanz", Ausgabe 6/99 ist ein von mir verfasster Artikel zum Thema erschienen. Er bezieht und „reibt" sich auf an Olaf Zimmermanns entsprechendem Artikel in der nmz 11/99. Hier in Kürze meine Meinung: 1. Die Diskussion über das KSVG bringt uns derzeit günstigstenfalls gar nichts. 2. Eine „Novelle" des KSVG sollte die Reduzierung des Bundeszuschusses, wie sie ab 2000 beschlossen wurde, rückgängig machen. 3. Darüber hinaus sollte der Beirat der KSK seine Rechte stärker zur Geltung bringen, um die beiden Problemfelder a) Einhaltung des persönlichen Geltungsbereichs des Gesetzes (§ 2 KSVG) und b) Wahrung der Kriterien, die für das Meldeverfahren zu einer Pflichtversicherung erforderlich sind, überwachen zu können. Sollte der Beirat der Auffassung sein, dass seine Rechtsposition für die Aufgaben einer sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung unzulänglich ausgestaltet ist, sollten entsprechende Forderungen an den Gesetzgeber aus seiner Mitte kommen. Stefan Meuschel, Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer in der DAG Beteiligung in Gefahr? Eine klare eingrenzende Definition von künstlerischen Tätigkeiten ist bisher nicht gelungen. Regelmäßig gibt es dazu neue Urteile der Sozialgerichte. Auch unabhängig davon hält der Zustrom zur Künstlersozialkasse unvermindert an. Die Attraktivität einer solchen Sozialversicherung ist von der ständig steigenden Zahl der Freiberufler erkannt worden. Kein Wunder also, dass es jetzt in der KSK schon mehr als 100.000 Versicherte gibt. Die Bundesregierung hat auf die unvermeidbaren Steigerungen der Beitragsleistungen der KSK mit einer 20-prozentigen Kürzung des Bundeszuschusses reagiert. Diese Maßnahme stellt einen anteiligen Rückzug des Staates aus der KSK dar. Bei der Gründung der KSK hatte die damalige Bundesregierung noch erklärt, sich aus übergeordnetem kulturellen Interesse maßgeblich an der sozialen Sicherung der Künstler und Publizisten zu beteiligen. Ist diese Beteiligung jetzt in Gefahr? Für das Jahr 2000 ist ein einheitlicher Abgabesatz für die Verwerter aus allen Sparten festgelegt worden. Unterschiede sollen nun nicht mehr gemacht werden. Bisher war die Höhe des Abgabesatzes in den einzelnen Sparten vom unterschiedlich vollständigen Grad der Erfassung der Verwerter und der Gesamtsumme der gemeldeten Honorare abhängig. Im Bereich Musik und darstellende Kunst sind freiberufliche künstlerische Tätigkeiten und die dafür gezahlten Honorare einfacher zu erfassen und abzugrenzen als in den Bereichen der anderen Sparten. Die Sparte bildende Kunst und danach die Sparte Wort hatte in den letzten Jahren deutlich höhere Abgabesätze. Bei dieser Sachlage ergibt sich zwangsläufig, dass der neue einheitliche Abgabesatz durch die bisher geringeren Abgabesätze in den Sparten Musik und darstellende Kunst heruntersubventioniert wird. Nachweislich sind aber gerade bei den Künstlern dieser Sparten die durchschnittlichen Jahreseinkommen am niedrigsten. Mit der Einführung des einheitlichen Abgabesatzes werden zukünftig solche spartenspezifische Probleme verdeckt bleiben. Leider sind diese Entscheidungen aus dem Haus des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen die Einwände des Beirats der KSK und des Deutschen Kulturrats getroffen worden. Im Deutschen Komponisten-Interessenverband beobachtet man die Entwicklung mit Sorge und befürchtet weitere Einschränkungen. Allen Verantwortlichen sollte doch bewusst sein, dass die Künstlersozialversicherung inzwischen zu einem unverzichtbaren Bestandteil deutscher Kulturförderung geworden ist. Die geplante Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) sollte sich aus meiner Sicht vorrangig mit dem Katalog der versicherungspflichtigen selbständigen Künstler und Publizisten befassen. Der zunehmenden Ausweitung auf Randbereiche künstlerischer und publizistischer Tätigkeit muss eine entsprechende Erfassung von Verwertern und Honoraren gegenüberstehen. Bei Zweifeln an der Künstlersozialversicherungspflicht sollte auch berücksichtigt werden, ob das erwähnte übergeordnete kulturelle Interesse den staatlichen Zuschuss zur sozialen Sicherung des Versicherten rechtfertigt. Hartmut Westphal, Komponist und im Auftrag des Deutschen Komponisten-Interessenverbandes Mitglied im Beirat der KSK Soziale Sicherung der Freien Mit dem Inkrafttreten des Künstlersozialversicherungsgesetzes im Jahr 1983 wurde eine schmerzliche Lücke im sozialen Sicherungssystem geschlossen. Erst nach der Verabschiedung des Künstlersozialversicherungsgesetzes wurde allen Künstlern und Publizisten eine Absicherung im Kranken-, Pflege- und Rentenfall innerhalb des gesetzlichen Sozialversicherungssystems möglich. Mit diesem Gesetz hat der Bund seine kulturstaatliche Verantwortung für die soziale Sicherung von Künstlern und Publizisten angenommen. Ich gehe davon aus, dass der Bund sich auch in Zukunft dieser Verantwortung stellen wird. Künstler, Kulturwirtschaft, Kultureinrichtungen und Kulturvermittler stehen in einer Wechselwirkung. Ohne die Leistungen der Künstler und Publizisten hätte die Kulturwirtschaft keine vermarktbaren Produkte. Ohne die Verwertung durch die Kulturwirtschaft und die Kulturinstitutionen wäre die Existenz der Künstler und Publizisten gefährdet. Die Leistungen von Künstlern und Publizisten dienen aber nicht ausschließlich zur Schaffung eines Marktes. Sie bilden zugleich einen wesentlichen Beitrag zur Sinngebung und -deutung unserer Gesellschaft. Aufgrund der engen Wechselbeziehung zwischen Künstlern, Kulturwirtschaft, Kultureinrichtungen und Kulturvermittlern erbringen die Verwerter künstlerischer Leistungen im Rahmen des Künstlersozialversicherungsgesetzes ihren Beitrag zur sozialen Sicherung der Künstler und Publizisten. Allerdings belastet die gegenwärtige gesetzliche Regelung der Künstlersozialversicherung nicht alle Verwerter künstlerischer und publizistischer Leistungen. Dem Künstlersozialversicherungsgesetz liegt die Intention zugrunde, nur die professionellen Verwerter und Vermarkter als „Arbeitgeber-Ersatz" zur Abgabepflicht heranzuziehen. Darum wurden vom Gesetzgeber Ausnahmeregelungen für solche Verwerter getroffen, die künstlerische Leistungen nicht regelmäßig verwerten. Diese Verwerter werden nicht zur Zahlung an die Künstlersozialkasse herangezogen. Ein Grund für diese Regelung war unter anderem, laienkulturelle Aktivitäten nicht zu belasten. Für diese vom Gesetzgeber selbst geschaffene Finanzierungslücke in der Künstlersozialkasse muss der Bund dauerhaft einstehen. Außerdem bestehen Lücken bei der Erfassung der zahlungspflichtigen Verwerter besonders im Hinblick auf diejenigen Abgabepflichtigen und Unternehmen, die nicht der Kultur- und Medienwirtschaft zuzurechnen sind und trotzdem regelmäßig künstlerische und publizistische Leistungen verwerten (Generalklausel). Wenn das Künstlersozialversicherungsgesetz sinnvoll weitergeführt werden soll, müssen die Lasten bei den Verwertern aus Gründen der Gerechtigkeit aber auf möglichst viele Schultern verteilt werden. Nach den Änderungen des Künstlersozialversicherungsgesetzes im Rahmen des Haushaltssanierungsgesetzes und aufgrund der Festlegung im Koalitionsvertrag, Verbesserungen im Künstlersozialversicherungsgesetz vorzunehmen, sehe ich Handlungsbedarf in folgenden Punkten: * Änderung der Systematik der Aufbringung des Arbeitgeberanteils * Verbesserung des Versicherungsschutzes der Künstler und Publizisten. Im Deutschen Kulturrat werden zur Zeit Vorschläge beraten. Mitte März 2000 wird der Deutsche Kulturrat konkrete, zwischen den Verbänden der Kulturwirtschaft und der Künstler, abgestimmte Vorschläge der Öffentlichkeit vorstellen. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates Eine Kasse für die Künstler Die erste Frage der nmz, was die Diskussion über das KSVG „uns" (wer ist das?) bringe, ist schnell beantwortet: alle Betroffenen und Beteiligten sollten gut informiert sein über die derzeitige Sachlage und sich Gedanken machen, wie das Gesetz verbessert werden könnte oder sollte, nachdem durch das Hau-Ruck-Verfahren des Gesetzgebers unerfreuliche Fakten geschaffen wurden: 1. Die Versicherten haben durch die Neuregelung seit dem 1.1.2000 keine Verbesserung, allerdings auch keine Verschlechterung erfahren. 2. Der Bund zahlt zirka 38 Millionen Mark jährlich weniger an die Kasse, dafür müssen alle Verwerter zusätzlich bluten. 3. Über diese Mehrbelastung hinaus werden die Verwerter des Bereiches Musik besonders stark belastet dadurch, dass die einzelnen Sparten (Musik, Wort, bildende Kunst, darstellende Kunst) über einen Kamm geschoren werden und alle den gleichen Abgabesatz von 4 Prozent zahlen müssen. Für die Musik bedeutet dies eine horrende Steigerung des Abgabesatzes um 150 Prozent! Nun würde man ja sagen können, dass diejenigen, die mit Künstlern Geschäfte machen und an Künstlerhonoraren sich kräftig bereichern, wohl 4 Prozent zur sozialen Sicherung der Künstler beitragen könnten. Das große „aber!" liegt jedoch darin, dass ja nicht nur die professionellen Vermarkter von künstlerischen Leistungen an die Künstlersozialkasse zahlen müssen, sondern alle Institutionen, die mehr als zwei Mal im Jahr künstlerische (und pädagogische) Leistungen in Anspruch nehmen. Durch die Sozialgerichtsurteile entstand die absurde Situation, dass auch gemeinnützige und kulturfördernde Einrichtungen wie etwa der Deutsche Musikrat oder die Tonkünstlerverbände abgabepflichtig sind und von ihrem ohnehin kärglichen Etat oder von ihren Zuschüssen für ihre kulturpolitische Arbeit massive Steigerungen der Künstlersozialabgabe verkraften müssen. Deshalb sollte (in Beantwortung der zweiten Frage) in einer Novellierung des Gesetzes dafür Sorge getragen werden, dass alle Abgabepflichtigen längerfristig mit stabilen und erträglichen Abgabesätzen rechnen können. Der Abgabesatz darf nicht zu hoch sein, da sonst gravierende Auswirkungen auf das Kultur- oder Musikleben zu befürchten sind. Deshalb muss auch der Abgabesatz für mindestens 5 Jahre festgeschrieben werden. Gleichzeitig soll der Gesetzgeber dafür sorgen, dass auch alle „branchenfremden" Vermarkter von Kunst (im heutigen weiten Sinn) in den Kreis der Abgabepflichtigen einbezogen werden. Weiterhin muss der Bund dafür gerade stehen, dass die gerade in der Musik so wichtige und förderungswürdige Laienkultur weiterhin nicht als „Vermarkter" von Kunst deklariert wird. Wir erleben seit geraumer Zeit die Tendenz der öffentlichen Hände und von Unternehmern, festangestellte Künstler und Pädagogen (zum Beispiel Lehrer an Musikschulen) aus dem Angestelltenverhältnis zu entlassen und als „freie Mitarbeiter" weiter zu beschäftigen. Diese Tendenz (Einsparungen auf Kosten der sozialen Sicherheit) muss der Gesetzgeber entweder konterkarieren oder durch erhöhte Zuschüsse an die Künstlersozialkasse neutralisieren. Eine Gesetzesnovellierung muss also das Engagement des Bundes klar definieren und angemessen finanziell ausstatten, damit die Künstlersozialkasse als wichtige Einrichtung unseres Staates für die soziale Sicherung unserer Künstler und Kulturschaffenden am Leben bleibt und ihre Leistungen sichergestellt werden. Alexander L. Suder, Ehrenpräsident des Bayerischen Musikrates Horrende Forderungen Die Situation mit der KSVG ist chaotisch. Schuld daran trägt zu einem erheblichen Teil die Oldenburger Verwaltungszentrale. Ihre Informationspolitik ist miserabel. Und wenn sie sich irgendwo meldet, ist es oft in Drohhaltung und mit zunächst einmal horrenden Forderungen. Viele (kleinere) Verbände und Organisationen sind in der derzeitigen undurchsichtigen Lage verwirrt. Dabei täte Not: 1. Eine wirklich aufklärende Kampagne, für welche Künstler mit Blick aufs eigene Alter diese Versicherung wirklich dringend nötig ist. Aus diesem Blickwinkel gegebene Informationen könnten sicher noch manchen aufmerksam machen, wie ungeschützt er auf sein Alter zugeht. Außerdem könnte so Bewusstsein gebildet werden bei den Veranstaltern, Verbänden, Organisationen, warum sie hier auch in einer Verpflichtung sind. 2. Eine faire Behandlung der „Arbeitgeberseite", sprich der Veranstalter. Wer wirklich Veranstaltungen durchführt, bei denen viel Geld fließt (und verdient wird), der soll auch zur Kasse gebeten werden. Unbedingt freigestellt werden sollten aber im Regelfall die Konzerte der Laienmusik-Ensembles soweit sie mit eigenem Dirigenten und ohne Solisten-, Gast- oder Orchester-Engagements (bei chorsymphonischen Werken) auftreten. Wenn natürlich der Chor X nur in der Lage ist, 20 Minuten Programm zu singen und deshalb den Tenor Y als Stargast einlädt und entsprechende Eintritte kassiert und Honorare zahlt – dann dürfen ruhig auch ein paar Mark für die KSVG abfallen. 3. Die Bereitschaft der KSVG zu echten Ausgleichsvereinigungen, um den Verbänden die Möglichkeit zu schaffen für eine günstige und einfache Abrechnungspraxis. Rolf Pasdzierny, Generalsekretär AMJ, Geschäftsführer ADC KSA hemmt Kulturarbeit Die Künstlersozialversicherung ist zweifelsohne eine wichtige Absicherung für die nicht immer von Reichtum gesegneten Künstler – welcher Sparte auch immer. Ob die Musik mit dem meisten Cashflow hier solidarisch mit den anderen Sparten sein sollte, lässt sich in diesen wenigen Zeilen nicht pauschal sagen. Doch die Künstlersozialabgabe (KSA) verhindert nach unseren Erfahrungen auch Kultur! Insbesondere jugendkulturelle Einrichtungen (soziokulturelle Zentren und Jugendzentren) sehen sich immer häufiger gezwungen, Livekonzerte von jungen und unbekannten Rockbands gar nicht erst stattfinden zu lassen, weil die spärliche Abendkasseneinnahme nicht einmal die fälligen Gebühren (GEMA, KSA) deckt – von den Grundkosten für Technik, Plakatierung und so weiter ganz zu schweigen. Die Masse der Newcomer im Rockbereich ist nicht Mitglied der KSK und wird es wohl auch nie sein. Trotzdem werden Gebühren im wichtigen Stadium des musikalischen Aufbaus fällig, für deren Zulässigkeit es juristische Grundsatzentscheidungen gibt! Eine KSA die aber den nationalen Künstleraufbau behindert oder sogar verhindert, kann – ja, darf – nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. Gleiches gilt in abgewandelter Form für die starren GEMA-Gebührensätze und die so genannte Ausländersteuer! Eine Novellierung sollte hier eine Modifizierung für den Jugendkultursektor und dessen Einrichtungen beinhalten. Doch mit einer entsprechenden Petition an den Deutschen Bundestag ist unser Rock.Büro SÜD bereits 1991/92 gescheitert! Anlass waren damals Nachforderungen der KSK an einzelne SoKu-Zentren von bis zu 80.000 Mark, die dann zum Glück von der Stadtverwaltung beglichen wurden. Aber die KSK war für ihre „umfangreiche Aufklärungsarbeit" zur Beitragspflicht ja hinlänglich bekannt! Bernd Schweinar, Vorsitzender der B.A.ROCK – Bundesarbeitsgemeinschaft der Musikinitiativen e.V. Überflüssig wie ein Kropf? Die Diskussionen über Sinn und Zweck sowie vor allem die gesetzgeberische Qualität des Künstlersozialversicherungsgesetzes haben sich seit Inkrafttreten des Gesetzes antizyklisch entwickelt: sie sind nicht etwa abgeebbt, sondern haben zugenommen! Während die einen das Gesetz als die größte soziale Errungenschaft der Nachkriegsgeschichte feiern, halten andere es für so überflüssig wie einen Kropf! Fest steht zumindest für die Abgabepflichtigen, die durch das Gesetz zur Kasse gebeten werden, dass es bei seiner Entstehung mit äußerst heißer Nadel gestrickt wurde. Und wann immer der Gesetzgeber um Nachbesserung bemüht war, entstanden weitere, noch interpretationsbedürftigere Ungereimtheiten. Neben die vielen ungeklärten Fragen – wie etwa die Eingrenzung des Künstlerbegriffs und die missverständliche Definition des Kreises der Abgabepflichtigen, die Frage, wann Selbstvermarktung von Künstlern anfängt und wo sie aufhört oder in welchen Fällen eine gesamtschuldnerische Haftung zwischen Künstlerlieferant und Veranstalter vorliegen soll – neben all diese seit Jahren ungeklärten Probleme ist nun zu allem Überfluss noch die einseitige Aufkündigung des Solidarpaktes getreten. So hat der Bund mit Wirkung zum 1. Januar 2000 seinen Beitrag zur Solidargemeinschaft trotz aller Proteste um ein Fünftel gekürzt. Überdies wurde mit der schlichten Behauptung, „es diene der Verwaltungsvereinfachung", die ursprünglich durchaus sinnvoll eingeführte Spartentrennung durch einen einheitlichen Abgabesatz für alle Kunstbereiche ersetzt. Alles zusammen hat für den Bereich „Musik" dazu geführt, dass der bisherige Abgabesatz von 1,6 Prozent, der unter Beibehaltung des bisherigen Status auf allenfalls 2,5 Prozent angewachsen wäre, nunmehr auf 4 Prozent hochgeschnellt ist. Dies bedeutet eine Kostensteigerung von immerhin 250 Prozent, die letztendlich vom Konsumenten, nämlich dem Konzert- und Theaterbesucher, zu tragen sein wird. Ein neuerlicher Verfassungsrechtsstreit steht unmittelbar bevor – unabhängig von der ohnehin am Horizont drohenden Auseinandersetzung über die brisante Frage, wieweit denn an Künstler aus europäischen Mitgliedsstaaten gezahlte Entgelte tatsächlich der Künstlersozialabgabe unterworfen werden dürfen oder nicht... Eine Novellierung des Gesetzes in Form einer klareren und systemgerechteren Strukturierung des KSVG und damit verbunden einer eindeutigeren Terminologie und Verantwortlichkeitsverteilung ist allemal unerläss-lich, um endlich die Unzahl von Gerichtsprozessen um die Auslegung des Gesetzes nachhaltig einzudämmen. Und dabei sollte der Gesetzgeber endlich einmal rechtzeitig auch den Rat erfahrener Praktiker sowie der Branchenverbände einholen! Hinsichtlich Spartentrennung und Bundeszuschuss ließe sich dann durchaus ein Kompromiss diskutieren: Sollte der Bund seine Bereitschaft zeigen, sich zur bedarfsabhängigen Bezuschussung zu verpflichten, wäre doch durchaus vorstellbar, den Abgabesatz für die Zukunft auf eine allseits zumutbare Konstante einzufrieren. Über deren Höhe wird sehr energisch zu sprechen sein. Jens Michow, Präsident idkv-Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft e.V. Pflicht des Kulturstaats 1. Aufgrund der engen Wechselbeziehung zwischen Künstlern und Kulturwirtschaft sind die Verwerter künstlerischer Leistungen – obwohl nicht Arbeitgeber im klassischen Sinn – bereit, ihren Beitrag zur sozialen Sicherung von Künstlern und Publizisten zu leisten. Das gilt auch für die Tonträgerwirtschaft. Doch die Absicherung von Künstlern und Publizisten ist nicht alleinige Aufgabe der Verwerter, sondern auch eine Pflicht des Kulturstaats. Die gegenwärtige Diskussion muss deutlich machen, dass das KSVG auf der Solidarität aller Beteiligten beruht und nicht auf Kosten einzelner Gruppen reformiert werden kann. 2. Bei der Novelle des KSVG sollten die durch das Haushaltssanierungsgesetz getroffenen Entscheidungen (Absenkung des Bundeszuschusses, Aufhebung der Spartentrennung) revidiert werden, denn sie haben zwei der Grundpfeiler der Künstlersozialversicherung einseitig zu Lasten der Abgabepflichtigen geändert und damit die Solidarität aller Beteiligten in Frage gestellt, an der sozialen Absicherung der Künstler mitzuwirken. Die Absenkung des Bundeszuschusses zur Künstlersozialabgabe erfolgte, obwohl kein verlässliches und aktuelles Zahlenmaterial zu den Selbstvermarktungsanteilen in den einzelnen Bereichen vorliegt. Durch die Vereinheitlichung des Abgabesatzes werden darüber hinaus die in den einzelnen Bereichen höchst unterschiedlichen Selbstvermarktungsquoten nicht mehr berücksichtigt. Das Solidarprinzip wird dadurch nach unserer Überzeugung in unzulässiger und unzumutbarer Weise verletzt. Hierdurch wird vor allem der Bereich Musik belastet und gezwungen, Abgabeleistungen aufzubringen, die Versicherungspflichtigen zugute kommen, die mit dem Musikbereich in keiner Weise verbunden sind. Peter Zombik, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft e.V. Musikwirtschaft betroffen Wir bedauern, dass der Bundestag ohne Anhörung der Betroffenen das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) quasi durch die Hintertür (nämlich durch das Haushaltssanierungsgesetz) geändert hat. Sowohl durch die Absenkung des Bundeszuschusses als auch durch die Aufhebung der Spartentrennung wird insbesondere die Musikwirtschaft stark betroffen. Bereits auf der letzten Anhörung im Arbeitsministerium hatten wir darauf hingewiesen, dass das Zahlen- und Datenmaterial, das der Absenkung des Bundeszuschusses zugrunde liegt, nicht ausreichend ist. Einmütig wurde das Ministerium deshalb aufgefordert, neue Untersuchungen durchzuführen, die mit den Betroffenen zu diskutieren sind. Dies ist nicht geschehen. Ein sachlicher Grund, die funktionierende Spartentrennung aufzuheben, bestand ebenfalls nicht. Konsequenz dieser Aufhebung ist, dass die Musikbranche, die bisher nur mit dem niedrigsten Abgabesatz belastet war, nunmehr die Abgaben anderer Sparten mitzutragen hat. Wir haben große Bedenken, ob dies überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist. Entsprechende Prüfungen werden wir noch durchführen. Von der anstehenden KSVG-Novelle erwarten wir, dass im Vorfeld die Möglichkeit besteht, dass die geplanten Änderungen mit allen Betroffenen ausführlich erörtert werden. Weiterhin sollte der Gesetzgeber die Novellierung nutzen und die Schnellschüsse des letzten Jahres, die letztlich nur auf Drängen des Finanzministeriums aus fiskalischen Gründen erfolgten, zurückzunehmen. Heinz Stroh, Deutscher Musikverleger-Verband e.V., Geschäftsführung Gesetzgeberische Lösung Die Deutsche Orchestervereinigung ist von den Änderungen nur ganz am Rande betroffen, weil die Mitglieder der Opernorchester in der zusätzlichen Altersversorgung bei der Bayerischen Versorgungskammer sind und die Rundfunkklangkörper in einer Versorgung der Rundfunkanstalten. Für die Mitglieder der DOV wird regelmäßig der Rentenversicherungsbeitrag vom Gehalt abgezogen und zusammen mit dem Arbeitgeberanteil an die BfA-Berlin überwiesen. Zu bedauern ist, dass der Bundeszuschuss für die Künstlersozialversicherung zukünftig von 25 Prozent auf 20 Prozent gesenkt wird. Die Künstlersozialversicherung ist bisher international beachtet worden als gesetzgeberische Lösung für Sozialprobleme der Freien Künste. Diese Vorbildfunktion der Bundesrepublik Deutschland sollte aufrechterhalten bleiben. Notwendig ist, den im Haushaltsjahr 2000 abgesenkten Bundeszusschuss wieder auf das ursprüngliche Niveau zu heben. Es kommt leider immer noch vor, dass angesehene Künstler nach ihrer glanzvollen aktiven Zeit in einer Band Schwierigkeiten haben, im Alter ihre Krankenversicherung zu finanzieren. Eine Hilfestellung durch das Sozialversicherungssystem ist in diesen Fällen notwendig. Darüber hinaus muss endlich ein Urhebervertragsgesetz, auf das die Künstler seit 1965 warten, dazu beitragen, dass angemessene Vergütungen aus der Nutzung ihrer Werke und Leistungen an die Künstler fließen. Wolfgang Spautz, Deutsche Orchestervereinigung Soziale Sicherung von Freien Die IG Medien fordert Bundesregierung und Bundestag auf, eine wirkliche Reform des KSVG ins Werk zu setzen, die für die Versicherten Verbesserungen mit sich bringt. In keinem Fall wird die IG Medien eine Einschränkung des Personenkreises, der derzeit nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versichert werden kann, hinnehmen. Ihre Reformvorschläge hat die IG Medien schon im Januar 1999 unterbreitet: * Klarstellung, dass allen Künstlern und Publizisten die gesetzliche Sozialversicherung als Pflichtversicherung offen steht, insbesondere auch vermeintlich „Scheinselbstständigen" bis zur Feststellung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, „arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen" (§ 2 Nr. 9 SGB VI) und arbeitnehmerähnlichen Personen (§12a TVG) nach dem KSVG versicherungspflichtig sind, sowie dass auch bei Erwerbstätigkeit mit wechselndem sozialversicherungsrechtlichen Status der Versicherungsschutz erhalten bleibt, * Einbeziehung der Lehrtätigkeit im Bereich Wort sowie anderer nicht-publizistischer Tätigkeiten im gleichen Beruf in die Versicherungspflicht, * zumindest vorübergehende Erhaltung des Schutzes der gesetzlichen Sozialversicherung, wenn das Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit auf Grund Auftragsmangels absinkt oder ausbleibt, * Beseitigung der für selbstständige Künstler und Publizisten unangemessenen Zugangsvoraussetzungen zur Krankenversicherung der Rentner, * Aufzustocken der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung für eine Übergangszeit, wenn die selbstständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit schon vor 1983 ausgeübt wurde, * Ergänzung der in der Verordnung zur Durchführung des KSVG aufgezählten Berufsbilder. Wir fordern die Bundesregierung weiterhin dazu auf, passende Voraussetzungen zu schaffen, dass über die Künstlersozialversicherung hinaus auch andere Selbstständige in die gesetzliche Sozialversicherung einbezogen werden können, um allen, die Schutz wünschen, auch entsprechen zu können und um zu verhindern, dass die Kosten der gesetzlichen Sozialversicherung von immer weniger in einem regulären Beschäftigungsverhältnis stehenden Versicherten getragen werden müssen. Eckhard Kussinger, Vorsitzender der Fachgruppe Musik, IG Medien

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