Wien - Führende Vertreter der österreichischen Kultur-Szene haben die Bundesregierung aus ÖVP und Grünen wegen ausbleibender klarer Perspektiven in der Corona-Krise massiv angegriffen. «Diese Bundesregierung ist eine Zumutung», sagte der Direktor des Theaters in der Josefstadt, Herbert Föttinger, am Donnerstag.
Viele Künstler seien besorgt, verzweifelt und wütend. Die Szene erwarte endlich klare Ansagen, ob in akzeptabler Form Theater gespielt werden könne. In einem Beitrag für die Pressekonferenz sagte der Schriftsteller Peter Turrini: «Wenn es unbedingt sein muss, dann lasst die Theater zugesperrt, und öffnet sie stante pede, wenn es nicht mehr unbedingt sein muss.» Die Regierung solle aber aufhören, von Abstandsregeln und Mundschutz bei Proben und Aufführung zu reden.
Der deutsch-österreichische Schriftsteller Daniel Kehlmann schloss sich dem Protest gegen die Regierung ebenfalls an. Zwar berufe sich die Politik gern auf die Leistungen der Kulturnation, «aber wenn all das von einer weltweiten Katastrophe überrollt wird, ist in der Politik, die sich sehr für Möbelhäuser und Baumärkte interessiert, niemand erreichbar.»
Es fehle in der Koalition offenkundig an einem tieferen Verständnis für die Rolle der Theater, sagte Föttinger, der an der Spitze des größten Privattheaters Österreichs mit mehr als 400 Mitarbeitern steht. Er verlangte von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein persönliches Bekenntnis zur Kulturnation und einen Rettungsschirm, der den Künstlern in der Krise eine wirtschaftliche Perspektive biete.
Die sozialdemokratische SPÖ verlangte ein Rettungsprogramm, das für die nächsten drei bis vier Jahre mit einer Milliarde Euro dotiert sein sollte. «Es ist die Kulturlandschaft Österreich als solches in Gefahr», sagte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner.
Die Regierung will nach eigenen Angaben in Kürze ein Konzept zum Risiko-Management angesichts der Corona-Gefahr zumindest für kleine und mittlere Veranstaltungen im Kulturbereich vorlegen.
[update, 15.5.: Staatssekretärin tritt zurück]
In Österreich tritt Kulturstaatssekretärin nach Kritik zurück
Wien (dpa) - Nach massiver Kritik aus der Kunst- und Kulturszene ist in Österreich die Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek zurückgetreten. «Ich mache den Platz frei», sagte die Grünen-Politikerin am Freitag in Wien. Ihr sei es nicht gelungen, das Vertrauen der Branche zu gewinnen. Im Gegenteil seien Unzufriedenheit und Enttäuschung gewachsen. Der 62-Jährigen war angekreidet worden, dass die Kulturszene weiter auf klare Konzepte zum Neustart in der Corona-Krise wartet. In einer letzten Anweisung habe sie entschieden, dass die 500 Euro aus dem Soforthilfe-Fonds für Künstler verdoppelt würden, sagte Lunacek. Die Corona-Krise habe die seit Jahren prekäre Situation vieler Künstler, um die sich keine der Vorgänger-Regierungen gekümmert habe, überdeutlich gemacht.