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Volkstheater Rostock: Protest gegen Orchester-Verkleinerung. Foto: Volkstheater Rostock
Rostocker Theaterkrise: Keine Einigung von Aufsichtsrat und Intendant. Foto: Volkstheater Rostock
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Volkstheater Rostock: Protest gegen Orchester-Verkleinerung

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Rostock – Gegen den Sparplan des Volkstheater-Intendanten Joachim Kümmritz regt sich Widerstand. In einem offenen Brief protestiert der Orchester-Förderverein Philharmonische Gesellschaft gegen den Kümmritz-Vorschlag, das Orchester um zehn Stellen auf 63 Musiker zu verkleinern. Die Sparpläne seien "kulturpolitisch und wirtschaftlich nicht akzeptabel", heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Schreiben.

Bereits in der Vergangenheit hätten externe Musiker eingekauft werden müssen, um bestimmte Stücke überhaupt spielen zu können. Diese Praxis sei teurer als die Musiker fest anzustellen, hieß es weiter.

Mit der Verkleinerung des Orchesters will Kümmritz die Schauspielsparte des Theaters sichern und die Zahl der Schauspieler auf 14 aufstocken. So könnten in jeder Spielzeit ausreichend Neuproduktionen angeboten werden, um die Auslastung der Großen Bühne zu sichern, hatte es bei der Vorstellung der Pläne vor gut zwei Wochen geheißen.

Der Offene Brief im Wortlaut:

Sparpläne sind kulturpolitisch und wirtschaftlich nicht akzeptabel

Die Philharmonische Gesellschaft Rostock e.V. protestiert mit diesem Offenen Brief gegen die bekanntgewordenen Sparpläne für die Norddeutsche Philharmonie. Die Streichung von zehn Musikerstellen und eine weitere Schrumpfung des Orchesters sind nicht hinnehmbar.

Solospieler durften bereits in der Vergangenheit nicht mehr angestellt werden. Dabei sind Stimmführer für jedes Orchester, egal welcher Größe, zwingend notwendig. Regelmäßig mussten deshalb Musiker „eingekauft“ werden, um manche Orchesterwerke überhaupt noch spielen zu können. Befristet engagierte Musiker kosten weitaus mehr als Solospieler in fester Anstellung. Zudem empfinden wir es als moralisch verwerflich, die Gehälter von Künstlern verschiedener Sparten – von Schauspielern, Tänzern und Musikern – gegeneinander auszuspielen. Die Orchestermitglieder haben sich bereits Sparzwängen untergeordnet und auf Teile des ihnen zustehenden Gehaltes verzichtet.

Nicht tatenlos hat die Philharmonische Gesellschaft mit ihren 150 Mitgliedern und Förderern diese Entwicklung begleitet. Mit Hilfe einer Stiftung wurde eine Akademie ins Leben gerufen, um junge Talente für das Orchester zu gewinnen und einer Überalterung des Orchesters vorzubeugen. Die Streichpläne und ständig neue Einsparideen führen unser Engagement ad absurdum. Das Orchester verliert durch die neuerliche Infragestellung seiner Einstufung als großes Sinfonieorchester an Strahlkraft.
Kultur ist und war zu jeder Zeit ein hohes Gut, das man sich als Gesellschaft leisten will. Kultur rechnet sich nicht. Land und Stadt müssen sich endlich dazu bekennen, wertvolles Kulturerbe für nachfolgende Generationen zu erhalten und zu fördern. Klassische Musik hat im Zeitalter der neuen Medien ihre Berechtigung nicht verloren. Sie ist Quelle von Freude, Kraft und Inspiration.

Die Norddeutsche Philharmonie, das sei ausdrücklich betont, ist der einzige Klangkörper des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der die Qualitätsbezeichnung „A-Orchester“ oder großes Sinfonieorchester noch rechtfertigt. Das Ensemble ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und besitzt einen exzellenten Ruf, der viele international bekannte Dirigenten und Solisten nach Rostock zieht. Die traditionellen Philharmonischen Konzerte sind stets ausverkauft und ermöglichen dem Volkstheater Rostock ein sehr gutes finanzielles Ergebnis. Gastspiele in Berlin, Schleswig-Holstein oder im Ausland sind für die Hansestadt großartige Werbung.

Das Orchester leistet Herausragendes zur Bewahrung der klassischen Musik in der Stadt. In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater werden junge Musiker ausgebildet und an die Orchesterarbeit herangeführt. Darüber hinaus erleben jährlich Tausende Mädchen und Jungen der Hansestadt Kinder- und Jugendkonzerte. Die Musiker des Orchesters gehen in Kitas und Schulen und bringen den Jüngsten mit viel Spaß Musik und Kultur nahe. Sie leisten unschätzbare pädagogische Arbeit insbesondere für Kinder, denen diese Bildung von Hause aus nicht zu Teil wird. Musik formt Persönlichkeiten.

Die Hansestadt Rostock und ihre Universität bereiten große historische Jubiläen vor. Im Jahr 2018 wird die 800-Jahr-Feier der Hansestadt gefeiert und ein Jahr später jährt sich die Gründung der Universität zum 600. Mal. Traditio et Innovatio – so lautet das Credo der Universität, die zu den ältesten in Deutschland zählt. Auch das Rostocker Theater und das Orchester haben eine lange Tradition, gehen auf die Jahre 1895 und 1897 zurück. Die altehrwürdige Universität definiert ihre Verwurzelung in der Hansestadt auch über ein hochwertiges kulturelles Umfeld, wie es das Theater- und Orchesterensemble darstellen.
Wenn es so ein Orchester jetzt nicht geben würde, dann wäre es die richtige Zeit, ein solches in Rostock zu gründen!

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