Rostock - Mit mehreren über die Region hinaus bedeutenden Inszenierungen will der Intendant des Rostocker Volkstheaters, Sewan Latchinian, für den Erhalt des Theaters in seiner heutigen Form werben - mit vier statt nur mit zwei Sparten. «Die Stücke sind Ausdruck meines Verständnisses von Theater und der künstlerischen Ambitionen bei gleichzeitiger gesellschaftlicher Relevanz», sagt Latchinian.
Es symbolisiere die Neugier auf Neues und die Überzeugung, dass ein Theater ein Forum für die Gesellschaft ist, bei dem es um politisch und gesellschaftlich brisante Themen geht.
Am 25. Februar kommt es in der Bürgerschaft wahrscheinlich zur entscheidenden Abstimmung über die Zukunft des Volkstheaters. Nach dem Willen von Kultusminister Mathias Brodkorb (SPD) und Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos) soll mit Blick auf sinkende Zuschüsse das Tanz- und Musiktheater wegfallen. Damit könnte ein seit mehr als zwei Jahren wogender Streit enden. Die Theaterlandschaft wäre zumindest in den Augen von Theaterfreunden und Kulturschaffenden dauerhaft geschädigt.
Schon drei Tage nach der Abstimmung hat die Oper von Kurt Weill «Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny» mit Texten von Bertolt Brecht Premiere. Inszeniert wird das laut Latchinian international hochrangig besetzte Stück von der Brecht-Enkelin und früheren Rostocker Schauspieldirektorin Johanna Schall. Mahagonny passe zum Volkstheater, sagte sie jüngst. «Ob man kann, was man darf, hat mit Geld zu tun. In Mahagonny wird der hingerichtet, der keines hat.»
Die Uraufführung von «RE°°°produktion» am 11. April ist das erste Projekt der von Latchinian gegründeten Bürgerbühne. Es geht ums Kindermachen, eigentlich das Natürlichste der Welt. Dass dem nicht so ist, zeige die zunehmende Zahl von künstlichen Befruchtungen. Dazu gebe es noch kein Theaterstück aus Schriftstellerfeder, es sei aber ein brennendes Thema, sagt Latchinian. «Das ist die Lücke, in die Bürgerbühnen idealerweise hineinstoßen.» Schon seit Monaten probt die Dramaturgin Liz Rech mit Rostocker Bürgern.
«Ein gutes Stadttheater greift Diskussionen der Stadtgesellschaft auf», sagt auch der Präsident der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger, Jörg Löwer, der den Nordosten aktuell auf Platz 1 der deutschen Kulturkrisenländer sieht. Dazu gehören Künstler, die in der Stadt wohnen, ihre Kinder in die Schulen schicken oder selbst unterrichten. Er kritisiert, dass das Volkstheater über Jahrzehnte hinweg heruntergewirtschaftet worden sei. Latchinian habe seit Beginn seiner Intendanz im vergangenen Herbst einen großen künstlerischen Wirbel veranstaltet, «und den braucht Rostock», sagt Löwer.
Im Mai folgt dann «Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus». Dem Volkstheater ist es gelungen, die Rechte an dem Roman von Swetlana Alexijewitsch zu bekommen, der Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2013. Es sei eine Sichtung des 20. Jahrhunderts aus osteuropäischem Blickwinkel.
Mit «Pilzköpfe» will das Theater Ende Juni auf das Potenzial des von der Streichung besonders bedrohten Tanztheaters aufmerksam machen. Mit Beratung der Stasi-Unterlagenbehörde sei ein Stück Geschichtsaufbereitung auf Basis verbotener und erfolgreicher DDR-Rockmusik entwickelt worden.
Latchinian ist überzeugt, dass seinen rund 300 Mitarbeitern und ihm bereits ein künstlerischer Imagewechsel gelungen ist. Dies signalisierten das Publikum und die Medien, dies zeigten die steigenden Besucher- und Einnahmenzahlen. Er habe immer gesagt, er brauche zwei Spielzeiten, um das Theater zum Erfolg zu führen. «Ich fühle mich auf dem richtigen Weg.»