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Vom Alptraum zum Wahrzeichen: 40 Jahre Opernhaus Sydney

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Ein Skandal war das Opernhaus in Sydney vor 40 Jahren: zu verwegen, zu lange Bauzeit, zu teuer. Der Architekt Jørn Utzon wurde davongejagt. Heute gilt er als Genie. Aber das vollendete Bauwerk hat er nie gesehen.

 

Sydney/Bangkok - Ein Scherzkeks, der vor 40 Jahren zur Eröffnung des Opernhauses in Sydney Wagners «Tannhäuser» ins Programm hob: «Dich, teure Halle» schmetterte die schwedische Sopranistin Birgit Nilsson inbrünstig in dem damals teuersten Bauwerk seiner Art. Sie besang in der Rolle der Elisabeth die Sängerhalle auf der Wartburg - aber Kritiker des Bauwerks hörten das anders.

Tannhäuser lief im Oktober 1973 im mehrtägigen Eröffnungsreigen, den die britische Königin Elizabeth II. mit ihrer Präsenz beehrte. Am 28. September vor 40 Jahren ging aber schon erstmals offiziell der Vorhang hoch: für Sergej Prokofjews Oper «Krieg und Frieden». Vorausgegangen waren 15 Jahre mit beispiellosem Gerangel, Skandalen und dem verbitterten Abgang des dänischen Architekten Jørn Utzon mitten in der Bauphase.

Dabei feierte Sydney ihn erst als «kreatives Genie mit unendlichem Charme», als sein Entwurf 1957 gegen 232 Vorschläge siegte. Seine Vision: ein Bauwerk, das an dem malerischen Hafenbecken, gegenüber der berühmten Hafenbrücke, wie aufgeblähte Segel im Sonnenschein liegt. Die Umsetzung sprengte aber fast die damaligen technischen Möglichkeiten. Die Kacheln für das Dach, die Scheiben für die Verglasung - alles höchst kompliziert.

Der Bau zog sich hin. Das geplante Einweihungsdatum 1963 verstrich. Das Budget explodierte auf das Vierzehnfache. 1966 war immer noch kein Ende abzusehen. Lokalpolitiker drehten Utzon den Geldhahn zu. Der warf verbittert das Handtuch, ging und kam nicht wieder.

Ohne seine Vision wurden unter dem futuristischen Segel-Dach jetzt Kompromisse nötig. Die Auditorien wurden für Theaterdirektoren zum logistischen Alptraum. Die Bühnenbilder und selbst die Sänger mussten mit Hebebühnen auf die Bühne gebracht werden. Im Orchestergraben musste eine Wand die Bläser vom restlichen Orchester abschirmen, weil es den anderen Musikern sonst zu laut wurde. Über dem Orchester wurden gigantische Klangbrecher installiert, damit die Akustik einigermaßen funktionierte. Das Bauwerk wurde dennoch zur Sensation.

Als der Architekt Ken Woolley wegen zahlreicher Bau- und Design-Mängel im Inneren im Jahr 2008 vorschlug, das Gebäude aufzugeben und ein neues Opernhaus zu bauen, war der Aufschrei groß. Mit dem Bau habe ein Regenbogen Sydney auf die Schulter geklopft – so blumig beschrieb ein Ex-Premierminister das Gebäude. Das Bauwerk sei «Kernstück der nationalen Identität» geworden, sagte der Vorsitzende der Trägerstiftung, Kim Williams. Seit 2007 steht es auf der Welterbeliste der UN-Kulturorganisation Unesco.

Die Silhouette des Opernhauses ist zum Wahrzeichen Australiens geworden. Neueste Laser-Technik erlaubt es heute, das weiße Dach manchmal als gigantische Leinwand für spektakuläre Farbspiele und bewegte Bilder zu nutzen. Die Resonanz ist immer überwältigend.

Im Opernhaus sind neben der Opernbühne auch einen Konzertsaal und mehrere Schauspielbühnen. Auf der 100 Meter breiten Freitreppe und vor dem Gebäude finden Open-Air-Veranstaltungen statt. Neun Millionen Menschen bestaunen das Bauwerk jedes Jahr, 2,5 Millionen besuchen dort eine Veranstaltung.

Utzon setzte nach dem Quasi-Rausschmiss 1966 nie wieder einen Fuß nach Sydney. Er kannte sein Bauwerk nur von Bildern. Und liebte es doch: Er versöhnte sich mit den Verantwortlichen. 1999 lieferte er Design-Skizzen als Richtschnur für künftige Änderungsarbeiten. 2003 bekam er für das Gebäude den Pritzker-Architektur-Preis, eine Art Nobelpreis der Baukunst. «Es ist mir eine große Freude zu wissen, wie sehr das Gebäude geliebt wird», sagte er vor seinem Tod mit 90 Jahren im Jahr 2008.

Sid Astbury und Christiane Oelrich

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