Ende Juni 2007 beging der Bayerische Musikrat sein dreißigjähriges Jubiläum. Eine Geschichte, welche die neue musikzeitung mit dem folgenden Interview nachzeichnen will. Susanne Fließ traf sich mit Alexander Suder zum Gespräch.
neue musikzeitung: Im Juni 2007 beging der Bayerische Musikrat sein 30-jähriges Bestehen. Welche Aufgaben stellten sich Ihnen damals und womit ist der BMR heute konfrontiert?
Alexander Suder: Damals haben wir den BMR aus dem Nichts ins Leben gerufen; das Bewusstsein, dass sich Musiker für die Durchsetzung ihrer Interessen in die Politik einmischen müssen, existierte noch nicht. Es herrschte eine ausgeprägte Elfenbeinturm-Mentalität. Wir waren Praktiker, die immer wieder Ideen ausgearbeitet und Taten vollbracht haben. Die ersten Jahre standen ganz und gar im Zeichen des Aufbaus, jetzt liegt der Hauptakzent auf der Sicherung und Bewahrung gewonnenen Terrains, Zuschüsse müssen gesichert und Konservierung betrieben werden.
: Sie sind Musikwissenschaftler, hatten einen Lehrstuhl für Musikwissenschaft und praktische Musik an der Fachhochschule in München inne. Hat sich damals für Sie schon abgezeichnet, dass Sie ein zentraler Angelpunkt werden würden?
: Eigentlich war das eine Parallelentwicklung, meine berufliche Tätigkeit spielte da eine sehr geringe Rolle. Viel entscheidender war die Tatsache, dass ich 1969 in den Vorstand des Münchner Tonkünstlerverbandes gekommen war und dadurch die Vereinslandschaft in Bayern ein bisschen kennengelernt habe. Den Anstoß für meine politische Aktivität gab der Dozentenverband an der Fachhochschule, der damals regelmäßige Kontakte zum Landtag pflegte. Ich bin oft mitgegangen und habe später dort auch Beziehungen angebahnt und sie später auch genutzt.
: Ist das Kontakte knüpfen in die bayerische Politik hinein heute schwerer als damals?
: Ganz im Gegenteil halte ich es heute für viel leichter, denn wir haben ja damals die Tore erst aufgestoßen, haben die Politik für unsere Themen sensibilisiert. Wir waren Pioniere in dieser Hinsicht. Ich persönlich hatte übrigens in der Person der Kultusminister immer hervorragende und sehr aufgeschlossene Gesprächspartner.
: Mit der Gründung des BMR be-traten Sie in Bayern Neuland.
: Vor der Gründung des BMR hatte es in Bayern die „Aktionsgemeinschaft Musik in Bayern“ gegeben, der Zusammenschluss der professionellen Verbände, andererseits die Laienmusikverbände. Beide führten ein völlig separates Dasein. Das Wesentliche an der Gründung des Bayerischen Musikrates war die Zusammenführung des professionellen und des Laienmusizierens. Bis dahin wusste einer vom anderen nichts. Wenn man aber nichts voneinander weiß, dann hat man auch keine Veranlassung, zusammen mit ihm zu agieren. Die Gleichberechtigung der beiden Gruppierungen spiegelt sich auch in der Satzung wider, die damals vom Laien-Präsident Alois Kremer eingebracht wurde.
nmz: Der BMR war der erste Landesmusikrat in Deutschland?
Suder: Ja, danach war es wie ein Dominoeffekt: Als man das erfolgreiche Modell in Bayern sah, war die Gründung weiterer Landesmusikräte nur noch eine Frage der Zeit.
: Wie betrachtete der Deutsche Musikrat, der ja schon 20 Jahre älter war, die Gründung des BMR?
: In Bonn beobachtete man die Gründung mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Freude herrschte darüber, dass auch die Landesebene endlich politisch aktiv wurde, andererseits war man sich bewusst, dass nun auch konkurrierende Gedanken in die Politik eingebracht würden. Dadurch, dass ich auch lange Jahre im Präsidium des DMR war, ergaben sich zu keiner Zeit Spannungen oder eine Konkurrenz zu den Aktivitäten auf Bundesebene.
: Welche Meilensteine gibt es aus Ihrer Sicht in den 30 Jahren BMR?
: Der zentrale Auslöser für die Gründung des BMR war der sogenannte „Bayerische Musikplan“. Im Oktober 1976 kam vom kulturpolitischen Ausschuss im Bayerischen Landtag die Anregung, einen „Musikplan“ für Bayern zu erstellen. Niemanden interessierte dieses Ansinnen. Ich setzte mich sofort hin, begann darüber nachzudenken, eine Systematik zu entwerfen und versuchte in der „Aktionsgemeinschaft“ dafür zu sorgen, dass wir eine breite Basis bekamen und die Verbindung mit den Laienverbänden suchten. Am Ende präsentierten wir „unseren“ Musikplan am Gründungstag im Juni 1977 dem Ministerium und dem Landtag. Die Staatsregierung begriff diesen Entwurf als Anregung, ihrerseits einen Musikplan zu erstellen. So stolz wir waren, dass es aufgrund unserer Initiative nun einen staatlichen Musikplan gab, so enttäuscht waren wir dann, denn der staatliche Plan enthielt nur winzige Bruchteile unserer Vorstellungen. In groben Zügen legte er die Notwendigkeit der Musikförderung dar, aber alles blieb ziemlich unverbindlich und oberflächlich. Entscheidend war jedoch vielmehr bei der ersten Präsentation im Juni 1977 die Begegnung mit dem frisch gewählten Haushaltsausschuss-Vorsitzenden Richard Wengenmeier. Er blieb uns von diesem Augenblick an inhaltlich eng verbunden und dies nicht nur aus persönlichem Interesse an der Musik, sondern durchaus unter politischen Gesichtspunkten, dass nämlich die Politik die Musik sehr nötig hat. So erhöhte er nicht nur die Zuschüsse für die Mitgliedsverbände des BMR, sondern hatte auch maßgeblichen Anteil an der Gründung der beiden bayerischen Musikakademien Hammelburg und Marktoberdorf.
: Das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gibt nach eigener Aussage aktuell rund 39 Millionen Euro für die Musikförderung in Bayern aus. Diese hohe Summe klingt, als ob der BMR hier seine Beratungstätigkeit einstellen könnte.
: Der Beratungsbedarf ist natürlich weiterhin da, wenn ich allein an unsere Vorlage zur Musikhochschul-Landschaft in Bayern von 1992 denke. Unsere Anregung wurden damals nicht umgesetzt, sondern von dezidierten Einzelinteressen blockiert. Nach mehr als 15 Jahren kommt man nun zum selben Ergebnis. Der für mich bittere Unterschied ist nur der, dass eben heute kaum noch Geld für die Realisierung da ist. Das ist eine typische Geschichte der verpassten Gelegenheiten, auch wenn die Bremser nicht im Ministerium zu suchen waren.
: Als der BMR zehn Jahre alt war, forderten Sie einen Bayerischen Musikfonds und formulierten auch seine Aufgaben.
: Diesen Musikfonds gibt es seit 1990 und die Aufgaben decken sich exakt mit meinen damaligen Vorschlägen. Der Fonds hat eine Million Euro Kapital, wenn man aber allein mit den Zinsen Projekte fördern wollte, benötig-
te man den zehnfachen Betrag. Übrigens war auch der Fonds eine wichtige Tat von Richard Wengenmeier.
: Welche Erfolge können Sie als Gründervater des BMR benennen?
: Wir können zufrieden darauf zurückblicken, dass wir überhaupt erst ein Bewusstsein für bestimmte musikpolitische Fragestellungen schufen. Es ist kein Zufall, dass Hans Zehetmair und heute auch Thomas Goppel ein offenes Ohr für unsere Themen haben. Ihre Bekanntschaft mit dem Musikbereich, vertreten durch uns, ist mehr als 30 Jahre alt, sie waren damals als junge Abgeordnete bei unseren Tagungen und wir können erfreut registrieren, dass die Saat zu unseren Gunsten aufgegangen ist.
: Und die Misserfolge?
: Der gesamte Hochschul- und Konservatoriumsbereich ist bis heute nicht ganz befriedigend gelöst. Aber man muss auch gerecht bleiben: natürlich haben wir nicht alle Forderungen und Ideen eins zu eins durchgesetzt, aber das ist kein Grund zur Selbstzerfleischung; wir haben vieles angestoßen und gute Kompromisse erzielt. Eine Kritik betrifft uns selbst: wir hätten vielleicht mehr an die Zusammenarbeit und Solidarität der Verbände innerhalb des BMR appellieren müssen. Für den professionellen Bereich habe ich beispielsweise immer bedauert, dass die Musiktheater nicht bei uns waren.
nmz: Was wünschen Sie dem BMR zum 30. Geburtstag?
Suder: Ich wünsche ihm, dass er lebendig und streitbar bleibt, dass er an innerem Zusammenhalt gewinnt und dass er sich seine kompetente Stimme und seine politische Wirksamkeit erhält.
: Und Ihre persönliche Bilanz?
: Ich kann ein wenig stolz behaupten, dass es im Bayerischen Musik-
rat dauerhaft gelungen ist, Partikular-interessen so auszutarieren, dass wir mit einer Stimme sprechen konnten. Dieses Miteinander war das Geheimnis unseres Erfolges. Und ganz persönlich: Diese musikpolitische Arbeit hat mir vom ersten bis zum letzten Tag unglaublich viel Spaß gemacht!