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Gitta Connemann, MdB.  Foto: Büro Connemann
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Vorbildliches Kooperationsmodell musikalischer Bildung

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Interview mit Gitta Connemann, Präsidentin des Landesverbandes niedersächsischer Musikschulen
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Das Musikalisierungsprogramm „Wir machen die Musik!“ wurde vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur gemeinsam mit dem Landesverband niedersächsischer Musikschulen konzipiert. Die neue musikzeitung fragte die Bundestagsabgeordnete und Musikschulverbandspräsidentin Gitta Connemann, welche Rolle der Landesverband bei dieser Kooperation übernommen hat.

neue musikzeitung: Sind Sie glücklich darüber, dass gerade Ihr Landesverband den „Zuschlag“ erhalten hat?

Gitta Connemann: Ja, das bin ich – und sage gleichzeitig selbstbewusst: Ich glaube nicht, dass jemand anderer diesen Zuschlag hätte bekommen können. Denn zum einen stammt die Idee der Musikalisierungsinitiative aus unserem Verband. Sie geht auf unseren Vorstandsvorsitzenden Ernst Neuhäuser zurück, der sich gemeinsam mit anderen Musikschulleitern das Ziel steckte, mehr Kinder als bisher mit musikpraktischen Angeboten erreichen zu wollen, unabhängig von sozialer und wirtschaftlicher Herkunft. Zum anderen haben nur wir die erforderliche landesweite Struktur. Unser Verband umfasst immerhin 74 kommunal geförderte Schulen in ganz Niedersachsen, über die wir heute schon 100.000 Schüler erreichen. Kooperationen mit Kitas und Schulen bestehen schon seit Jahren. Und schließlich bieten wir neben umfassenden Erfahrungen die notwendige Qualität – in Form des breiten Angebots, das alle Instrumentenarten umfasst. Und natürlich durch unsere Lehrerinnen und Lehrer vor Ort, die musikalische und pädagogische Qualifikationen nachweisen müssen. Deswegen war die Kooperationsvereinbarung von Ministerium und Landesverband eine Hochzeit von zwei Wunschpartnern – übrigens unter Mitnahme derjenigen privaten Musikschulen, die die zentralen Qualitätsstandards, also die nachgewiesene Qualifikation von Lehrkräften und die geforderte Breite des Angebots, bieten. Nicht die Struktur darf entscheidend sein, sondern ausschließlich die Qualität des Unterrichts. Wo Musikschule draufsteht, muss auch Musikschule drin sein. Egal, ob öffentlich gefördert oder privat. Wir sind dankbar, dass uns das Wissenschafts- und Kulturministerium zunächst in der Person von Lutz Stratmann und später von Johanna Wanka das Vertrauen geschenkt hat, gemeinsam dieses Projekt umzusetzen.

nmz: Auch in Niedersachsen stehen Sie vor der Herausforderung durch Ganztagsschulen, G8 und den Folgen der Leistungsverdichtung. Was tun?

Connemann: Wir sind alle betroffen von einem signifikanten Rückgang an Schülerzahlen. Wir sind alle betroffen von der Tatsache, dass es weniger Freizeit und mehr Schulzeit gibt. Es gibt neue Unterrichtsmodelle. Wir können und dürfen deshalb nicht darauf warten, dass Kinder und Jugendliche zu uns kommen. Wir müssen verstärkter als bisher den Weg zu ihnen gehen, in die Kitas, in die Schulen. Als Partner der Einrichtungen vor Ort und des Kultusministeriums. Bereits heute sind wir unverzichtbarer Bestandteil in der kommunalen Bildungslandschaft vor Ort. Denn leider ist es in Niedersachsen wie in anderen Ländern: Musik ist ein schulisches Mangelfach, auch wegen des Fehlens von Lehrkräften. Wir haben darüber etliche Gespräche mit dem Kultusministerium geführt. Die Stunden sind da, aber keine Musiklehrer. Deshalb sind wir sowohl mit dem Kultur- als auch mit dem Kultusministerium in Sachen Weiterbildung  in einem engen Austausch. Wir wollen erreichen, dass sich noch viel mehr Menschen, etwa Orchestermusiker oder Solisten, musikpädagogisch qualifizieren.

nmz: Der Anteil am Gesamtetat der Musikschulen durchs Land beträgt in Niedersachsen derzeit 1,8 Prozent. Wie funktioniert die Programmfinanzierung von „Wir machen die Musik!“ und bis wann ist sie gesichert?

Connemann: Ohne Frage: Mit einem Anteil des Landes an der allgemeinen Finanzierung der Musikschulen liegen wir mit 1,8 Prozent im Bundesvergleich am hinteren Ende. Es wäre gut, wenn dieser Anteil erhöht würde. Denn Eltern und Kommunen können nicht dauerhaft die Verantwortung für die musikalische Bildung tragen. Aber zur Gerechtigkeit gehört, den finanziellen Zusatzbeitrag des Landes für die Musikalisierungsinitiative anzuerkennen. Denn diese Mittel kommen zum allgemeinen Förderetat hinzu. Das ändert die Zahlen erheblich. Ich ziehe dort meinen Hut vor dem Land, das Sparzwängen unterliegt. Dennoch ist es gelungen – und da bin ich Frau Ministerin Wanka persönlich für ihren Einsatz dankbar – auch in Sparhaushalten nicht nur den Etat beizubehalten, sondern diesen aufzustocken. Angesichts der vereinbarten Laufzeit bis 2016 ist dies ein erheblicher Beitrag, den das Land leistet. Das „Musikland Niedersachsen“ ist nicht nur eine Überschrift. „Wir machen die Musik!“ ist ein Bekenntnis des Landes zum Thema Musikalische Bildung von klein auf, und zwar flächendeckend in ganz Niedersachsen – vom Harz bis an die Nordseeküste.

nmz: Eine Besonderheit des niedersächsischen Systems besteht darin, dass die Mittel auf der Grundlage der Bevölkerungszahlen verteilt werden. Wie geht das vonstatten?

Connemann: Die Verteilung der verfügbaren Mittel bemisst sich sozusagen pro Kind. Es ist bekannt, wie viele Kinder in einer Region leben. Entsprechend transparent werden die Mittel zugeteilt. Es findet somit keine Ausschüttung nach dem Gießkannenprinzip statt, sondern anhand unbestechlicher Zahlen. Für jeden ist nachvollziehbar, wo Mittel eingesetzt werden. Das ist gerecht, unbürokratisch und sichert maximalen Mitteleinsatz bei vergleichsweise wenig Verwaltungsaufwand. Deshalb glaube ich auch, dass das niedersächsische Modell Vorbild für Deutschland sein kann.

nmz: Vom 15. bis 17. Juni präsentieren sich die „Wir machen die Musik!“-Projekte im Rahmen des ersten Niedersächsischen Kooperationsfestivals. Was verfolgen Sie damit?

Connemann: Der vom VdM ausgerufene Deutsche Musikschultag am 15. Juni soll dazu dienen, diejenigen Kooperationspartner auszuzeichnen, mit denen wir lange oder besonders gut zusammengearbeitet haben. Kooperationstätigkeiten sind oft nicht erst durch die Musikalisierungsinitiative entstanden. Unsere Musikschulen haben über Jahrzehnte hinweg Kooperationen mit Kitas und Schulen gesucht. Das Augenmerk der Bevölkerung soll damit auf die Musikalisierungsinitiative gelenkt werden, die aus meiner Sicht wirklich innovativ ist. 

nmz: Sie treiben den Landesverband der niedersächsischen Musikschulen an, neue Wege zu beschreiten. Was treibt Sie an?

Connemann: Ich frage mich als Politikerin immer wieder: Was bleibt von meiner Arbeit? Am Ende werde ich vielleicht sagen können: Ich habe an Gesetzen mitgewirkt, im Kleinen etwas bewegt, mich um Einzelanliegen gekümmert. Aber auf jeden Fall bleibt die Erfüllung eines Traums, der hinter der Musikalisierungsinitiative steht. Wir wünschen uns, dass Kinder die Welt der Musik entdecken. Das können sie nicht ohne Hilfe, ohne Anleitung oder eine Hand, die sie leitet. Manche Eltern sind damit überfordert – aus welchen Gründen auch immer. Unsere Musikschulen in Niedersachsen helfen dabei: Musik für jedes Kind, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Elternhaus, seiner Religion oder seinem Aussehen. Jedes Kind hat diese Chance verdient. Wir haben einen Weg gefunden und konnten mit dem Land einen Partner begeistern, diesen Weg mit uns zu gehen. Das wird bleiben.

Das Gespräch führte Andreas Kolb

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