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Wenn der Geldgeber seine Macht ausspielt

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Wie das Gummiband Zuwendungsrecht vielen Institutionen die Luft abschnürt · Von Gabriele Schulz
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So ein Gummiband kann etwas ganz hervorragendes sein. In einer Hose oder einem Rock hilft es, das jeweilige Kleidungsstück an Ort und Stelle zu halten. Es sorgt dafür, dass nichts rutscht und auch wenn der- oder diejenige beim Essen ein bisschen mehr zugelangt hat und dicker geworden ist, ist ein Gummiband elastisch genug, um ausreichend Luft zum Atmen zu lassen.

Ein solches Gummiband könnte das Zuwendungsrecht des Bun-des sein. Grundlage für Zuwendungen des Bundes – und abgeleitet auch die der Länder – ist die Bundeshaushaltsordnung (BHO). Die einschlägige Einzelnorm ist § 23 Zuwendungen. Hier wird beschrieben, dass der Bund zur Erfüllung von Aufgaben an anderen Stellen Zuwendungen zahlen kann. Dieses allerdings nur unter der Voraussetzung, dass er ein erhebliches Interesse hat und dieses Interesse ohne die Zuwendungen nicht oder nicht in notwendigem Umfang befriedigt werden kann. Voraussetzung für die Zahlung einer Zuwendung ist also nicht das Interesse, die Idee oder das Vorhaben des Zuwendungsempfängers, sondern des Zuwendungsgebers – also des Bundes.

In § 44 BHO (Zuwendungen, Verwaltung von Mitteln oder Vermögensgegenständen) wird nochmals auf den genannten § 23 Bezug genommen und fixiert, dass Zuwendungen nur zweckentsprechend verwendet werden dürfen. Die Verwaltungsvorschriften, in denen die Führung des Verwendungsnachweises und die Prüfung des Bundesrechnungshofs beschrieben werden, werden im Einvernehmen mit dem Bundesrechnungshof erlassen. Die sachliche und zeitliche Bindung der Zuwendungen werden in § 45 BHO beschrieben. Entscheidend ist die zeitliche Bindung der Haushaltsmittel für ein Jahr, das sogenannte „Jährlichkeitsprinzip“. Lockerungen erfährt das Jährlichkeitsprinzip durch § 15 BHO (Bruttoveranschlagung, Selbstbewirtschaftungsmittel). Die dort beschriebenen Selbstbewirtschaftungsmittel erlauben mehr Flexibilität, da nicht ausgegebene Mittel beim Zuwendungsnehmer verbleiben und in nachfolgenden Jahren zur Verfügung stehen. Soweit das flexible Gummiband des Zuwendungsrechts, das zu Recht für seine puristische Klarheit gelobt wird.

Crux Verwaltungsvorschrift

Die Crux der täglichen Zuwendungspraxis, die unisono von Zuwendungsempfängern, gleich welchen Bereiches, beklagt wird und bereits für zwei Enquête-Kommissionen des Deutschen Bundestags Anlass war, Veränderungen zu empfehlen, sind die Verwaltungsvorschriften. In ihnen wird die Verwendung der zugewiesenen Mittel konkret beschrieben und sie sind für Zuwendungsempfänger genau die Kehrseite eines flexiblen Gummibands: Ihre korrekte Anwendung schnürt ein, kneift und macht das Leben mitunter äußerst schwierig.

In den mehrseitigen Verwaltungsvorschriften, die in der Regel weitaus dicker als der eigentliche Zuwendungsbescheid sind, finden sich ausführliche Vorschriften, wie die Zuwendung zu verwenden ist und welche Vorgaben zu beachten sind. Diese Vorgaben mögen für große Strukturen wie Ministerien oder auch nachgeordnete Behörden sinnvoll sein, für Zuwendungsempfänger, die in der Regel nur sehr wenig Personal haben, sind sie erdrückend.

Einige Beispiele sollen dies illustrieren: Zumeist werden Fehlbedarfsfinanzierungen gewährt, das bedeutet, dass jeder zusätzlich eingeworbene Cent zu einer Minderung der Förderung führt, es sei denn, es wurden zuvor sogenannte „Leertitel“ eingeplant – also Haushaltspositionen, denen zum Zeitpunkt der Antragstellung keine oder zu geringe Einnahmen gegenüber gestellt wurden und die mittels zusätzlicher Einnahmen aufgefüllt werden können. Wurden solche Leertitel nicht eingefügt oder aber nicht genehmigt, besteht keinerlei Anreiz, zusätzliche Mittel einzuwerben, da der Zuwendungsempfänger die zusätzlich erwirtschafteten Mittel an den Zuwendungsgeber zahlen muss. Sowohl die Enquête-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ als auch die Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags haben beide empfohlen, vermehrt Festbetragsfinanzierungen herauszugeben.

Auch das Instrument „Selbstbewirtschaftungsmittel“ bietet die Möglichkeit eines flexibleren Mitteleinsatzes. Hier können nicht verbrauchte Mittel in das nächste Jahr übertragen werden. Selbstbewirtschaftungsmittel werden entweder direkt mit dem Haushaltsgesetz von den zuständigen Haushaltspolitikern des Bundes festgelegt – wie bei der „Initiative Musik“ bereits vor der Etablierung der Institution geschehen – oder aber sie müssen bei den Zuwendungsbehörden beantragt werden. Dann kann es passieren, dass zwar Selbstbewirtschaftungsmittel beispielsweise für Erwerbungen gewährt werden und zugleich im Zuwendungsbescheid klar gestellt wird, dass es sich hierbei nur um Erwerbungen von Kunstgegenständen handelt. Diese Engführung können auch Zuwendungsempfänger lesen, die überhaupt nichts mit Kunstgegenständen zu tun haben und niemals welche kaufen. Die Erleichterung läuft also vollkommen ins Leere. Die beiden genannten Enquête-Kommissionen fordern beide, das Instrument der Selbstbewirtschaftungsmittel stärker zu nutzen.

Ebenfalls im Visier der genannten Enquête-Kommissionen war das sogenannte „Besserstellungsverbot“. Mitarbeiter von Zuwendungsempfängern dürfen nicht besser gestellt werden als vergleichbare Mitarbeiter von Ministerien. Festzuhalten ist zunächst, dass Mitarbeiter in Ministerien – zumindest was die Beamten betrifft – eine Besserstellung gegenüber allen anderen Arbeitnehmern haben, die durch Geld kaum aufgewogen werden kann, nämlich die lebenslange finanzielle Sicherheit. Wer befristete Arbeitsverträge kennt, weiß von der Zitterpartie, ob ein Projekt verlängert oder ein neues genehmigt wird und kennt die Situation, dass sich gut eingearbeitete und qualifizierte Mitarbeiter vor Abschluss des Vorhabens um eine neue Arbeitsstelle kümmern müssen. Es wird daher von verschiedenen Seiten gefordert, zumindest bei befristeten Projekten das Besserstellungsverbot zu lockern, da die Beschäftigten nur befristet beschäftigt werden.

Neben diesen „großen“ Themen, die auch von den genannten Enquête-Kommissionen aufgeführt wurden und zu denen sie konkrete Änderungen empfohlen haben, gibt es eine Vielzahl von kleinteiligen Vorschriften, die den Zuwendungsempfängern das Leben erschweren können. Die Betonung muss dabei auf „können“ liegen, denn es kann passieren, dass ein und dieselbe Zuwendungsbehörde den gleichen Sachverhalt sehr unterschiedlich bewertet. Es hängt ganz von der Kulanz und der Einstellung der jeweiligen Sachbearbeiter ab. Reicht dem einen eine E-mail mit einer Erläuterung, warum ein Haushaltsansatz um mehr als 20 Prozent überschritten wurde, beginnt ein anderer – vielleicht vom Schreibtisch gegenüber – zu diesem Sachverhalt einen mehrmonatigen Briefwechsel und fordert Mittel zurück. Zuwendungsempfänger können wenig gegen Entscheidungen der Zuwendungsgeber machen.
Strukturelle Macht

Sieghard von Köckritz, ehemals Leiter der Kulturabteilung im Bundesministerium des Innern, hatte bereits vor vielen Jahren unterstrichen, dass die meisten Zuwendungsempfänger von Rechtsmitteln gegenüber Zuwendungsbescheiden oder Entscheidungen der Zuwendungsbehörden absehen, weil sie sich ausrechnen können, dass sie danach keine weitere Förderung mehr erhalten werden. Damit wird der eigentliche Knackpunkt aller zuwendungsrechtlichen Regelungen angesprochen: die strukturelle Macht, die damit verbunden ist.

Zuwendungsgeber entscheiden über das wirtschaftliche Überleben der Zuwendungsnehmer und damit sehr oft auch über deren Fortexistenz insgesamt. Zuwendungsgeber, die sich dieser strukturellen Macht bewusst sind und diese verantwortungsvoll wahrnehmen, nutzen die zahlreichen Spielräume, Ermessensentscheidungen und Flexibilitäten des Haushaltsrechts. Sie gewähren den Zuwendungsempfängern umfangreiche Handlungsspielräume, die zu einem wirtschaftlichen und flexiblen Mitteleinsatz führen. Zuwendungsgeber, die ihre Macht ausnutzen, gängeln die Zuwendungsempfänger, legen die Vorschriften rigide und eng aus, so dass ein wirtschaftliches Handeln unmöglich ist.
Das Zuwendungsrecht ist ein Gummiband. Es kann flexibel gehandhabt werden und Luft zum Atmen lassen. Es kann aber auch straff gespannt werden und letztlich den geförderten Institutionen die Luft abschneiden.

Die Autorin ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.

Weiterführende Literatur:

Über die genannten Vorschläge der Enquete-Kommissionen hinaus hat der Deutsche Kulturrat Empfehlungen zur Änderung des Zuwendungsrechts ausgesprochen, nachzu-lesen unter: www.kulturrat.de/detail.php?detail=1301&rubrik=4.

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge, dem unter anderem die Wohlfahrtsverbände angehören, hat umfangreiche Empfehlungen zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Zuwendungsrechts verabschiedet, nachzulesen unter: www.deutscher-verein.de/05-empfehlungen/2009/pdf/DV%2009-09.pdf

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