Wien - Der Musikdirektor der Wiener Staatsoper, Philippe Jordan, hat vor dem langfristigen Niedergang des klassischen Musiktheaters gewarnt. «Ich glaube, dass unser Theater, was die Regie betrifft, seit langer Zeit einen fatalen Irrweg eingeschlagen hat», sagte der 47 Jahre alte Schweizer Dirigent der österreichischen Zeitung «Kurier» (Sonntag).
«Das Publikum hat eine richtige Sehnsucht, einfach wieder einmal gutes Theater zu sehen und nicht nur irgendeine Fassung von Irgendjemandem über Irgendwas», sagte er. Das sei kein Wiener Phänomen, sondern ein allgemeines Problem. Sein Engagement an der Staatsoper wolle er nicht über das Vertragsende 2025 hinaus verlängern und sich künftig an kein anderes Haus mehr binden.
Jordan betonte, dass er ein Verfechter des zeitgemäßen Musiktheaters sei. «Aber modernes Theater muss nicht notwendigerweise jedes Mal eine ästhetische Zumutung für das Publikum und sechs Wochen handwerklicher Dilettantismus für die Mitwirkenden sein», kritisierte er. Der derzeitige Weg führe langfristig «auf Dauer zu einem unvermeidlichen Scheitern». Er forderte Regisseure auf, sich intensiver mit der Musik der von ihnen inszenierten Werke auseinanderzusetzen.
Als positives Regie-Gegenbeispiel nannte Jordan etwa Barrie Kosky, dessen Inszenierung von Wagners «Die Meistersinger von Nürnberg» der Dirigent 2017 in Bayreuth leitete. In der Staatsoper freue er sich auf Keith Warners neue «Meistersinger» im Dezember und auf Cyril Testes «Salome»-Premiere im Februar, sagte Jordan.