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Zu Gast beim Musikrat: Gitta Connemann. Foto Martin Hufner
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Wo bleibt die Vision, meine Damen und Herren?

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Zur Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrates in Berlin
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Welche Konsequenzen können die Empfehlungen der Enquete-Kommission für das Musikland Deutschland haben? Unter dieser Fragestellung trafen sich die Mitgliedsverbände des Deutschen Musikrates – traditionell am Donaueschinger Wochenende – im Berliner Abgeordnetenhaus zur jährlichen Mitgliederversammlung. Eingeladen waren zwei Polit-Profis, die maßgeblich am Entstehen dieser Empfehlungen mitgewirkt hatten, Gitta Connemann, MdB und Vorsitzende der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, und Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, der als Experte in die Kommission berufen worden war.

Connemann, die gerade noch im Bundestag an der historischen Abstimmung über die Milliardenbürgschaft für die deutschen Banken teilgenommen hatte, deren Auswirkungen auf die Kultur noch gar nicht abzusehen sind, plauderte aus dem Kommissionsnähkästchen, in ihrer Rede verpackt war eine handfeste Lehrstunde in Lobbying für den Deutschen Musikrat.

Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA, war für einen so genannten Zwischenruf eingeladen worden. Er machte es kurz, bedankte sich artig für das Bekenntnis der Kommission zu den Verwertungsgesellschaften und betonte, dass die kritischen Handlungsempfehlungen für die GEMA „ein Anstoß zum Dialog mit der Politik und zu gemeinsamen Lösungen für die Musikschaffenden“ seien.
Heker stellte den Musikratsmitgliedern die neuen Aktivitäten der musikalischen Verwertungsgesellschaft vor wie etwa den Deutschen Musikautorenpreis, der erstmals im Mai 2009 verliehen wird, ein Stipendienprogramm sowie den GEMA-Campus.

Damit hat die GEMA aus der Sicht von Olaf Zimmermann ihre Enquete-Hausaufgaben allerdings noch nicht alle erledigt. In seinem „Zwischenruf“ stellte er fest, die kulturellen Aktivitäten der Verwertungsgesellschaften seien nicht deren Privatthema – ausdrücklich schloss er VG Wort, VG Bildkunst, GVL und andere darin ein –, sondern „gehen uns alle an“. Denn Verwertungsgesellschaften seien keine normalen Inkassounternehmen, sondern vom Gesetzgeber gerade auch wegen ihrer kulturellen und sozialen Verpflichtung mit einem Sonderstatus ausgestattet worden.

In seinem Exkurs zur Enquete betonte Zimmermann weiter, dass die gegenwärtige Diskussion über kulturelle Bildung ohne deren Arbeit nicht denkbar sei.

Nach den Vorträgen war es an den Arbeitsgruppen Laienmusizieren, Musikalische Bildung, Musikberufe, Aus- und Weiterbildung sowie die Stellung der Musikschaffenden, erste musikpolitische Konsequenzen aus den Empfehlungen zu ziehen. Die Ergebnisse waren jedoch dürftig: Anstatt auf die Empfehlungen der Enquete einzugehen, sie als Handwerkszeug fürs Lobbying zu verwenden, wie Connemann das vorgeschlagen hatte, referierten die Gruppenleiter größtenteils massive Kritik an den Handlungsempfehlungen der Kultur-Enquete. Statt einer gemeinsamen Vision wurden Partikularinteressen vertreten: Der eine kämpfte für die Wichtigkeit der Laienmusik und der andere für die Bedeutung der Landesmusikräte, die dritte rückte ihre Urheberschäfchen ins Zentrum. Letztlich konnte man den Eindruck gewinnen, dass einzig und allein auf die Verbesserung der Einkommen abgezielt wurde, nicht anders als ein Bauern- oder Ärzteverband es hält.

Tag zwei brachte außer der Entlastung des Präsidiums sowie der Vorstellung und Genehmigung des Haushaltsplans 2009 das derzeitige Thema Nummer eins auf den Plan: Wiedervereinigung von e.V. und GmbH. Für Präsident Martin Maria Krüger gab es in dieser Frage keinen Dissens, alles sei nur eine Frage nach dem Weg dahin. Er fasste die Wiedervereinigungsthematik als Langzeitziel auf, vergleichbar mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten.Wesentlich kritischer äußerten sich die Präsidiumsmitglieder Hans-Willi Hefekäuser und Uli Kostenbader zu den Forderungen der öffentlichen Hand, vertreten durch Sigrid Bias-Engels. Diese forderte eine Sperrminorität im Aufsichtsrat, den Sitz des Vizepräsidenten sowie eine Art Scheinvereinigung, in der Form, dass Verein und GmbH getrennt bleiben, aber vom jetzigen Generalsekretär Christian Höppner in zwei Teilzeitstellen geleitet würden.

Uli Wüster, Generalsekretär der Jeunesses Musicales, stellte die Wiedervereinigung als hohes Gut und als eine Bedingung der Partnerschaft zwischen zivilbürgerschaftlichem Engagement und Staat dar. Er fasste seine Bedenken in eine Resolution, die mit großer Mehrheit von den Mitgliedern angenommen wurde und im Folgenden abgedruckt ist.

„Die Generalversammlung des Deutschen Musikrats e.V. nimmt mit größter Besorgnis zur Kenntnis, dass es akute Bestrebungen der öffentlichen Förderer gibt, die zivilgesellschaftliche Autonomie des Deutschen Musikrats substanziell einzuschränken, indem zur Voraussetzung der Zuwendung von Fördermitteln des Bundes gemacht werden soll, dass die Vertreter der Bundesregierung innerhalb des Aufsichtsrates der Deutscher Musikrat gemeinnützige Projektgesellschaft mbH eine Sperrminorität in personellen und finanziellen Entscheidungen fordern.

Die Generalversammlung des Deutschen Musikrats e.V. stärkt das Präsidium des DMR in seiner Position, diesen Forderungen entschieden entgegenzuwirken, und appelliert an die politischen Verantwortungsträger, die Arbeit des DMR als selbstverantwortete Organisation des gesamten deutschen Musiklebens angemessen zu ermöglichen.“

Eine weitere Resolution galt der Förderung der schulischen Ensemblearbeit. Darin wird auf die Gefahr eines drastischen Ensemblesterbens hingewiesen, die durch zunehmende Einführung des Ganztagsbetriebes ohne die entsprechende Personal- und Sachausstattung sowie die Verkürzung der Schulzeit an den Gymnasien auf zwölf Jahre (G8) verursacht wird.

Auf der Mitgliederversammlung 2008 hat sich erneut gezeigt, dass die drohende Verstaatlichung durch ein Bundeskulturministerium, das in den Musikratsprojekten sicher ein ideales Feld einer bundespolitischen Betätigung erkennt, inzwischen von den meisten Mitgliedern des Musikrats abgelehnt wird. Ob Wege zur Abwendung gefunden werden, wird die nächste Präsidiumssitzung im Februar 2009 an den Tag bringen.

Über weitere Diskussionsthemen wie den Tag der Musik vom 12. bis 14. Juni 2009, engere Kooperationen des Deutschen Musikrats mit dem venezolanischen Sistema, die teils schleppende Arbeit der Bundesfachausschüsse sowie ein geplantes „Berliner Programm“ als kulturpolitisches Grundsatzprogramm des Musikrats, wird die nmz an gesonderter Stelle berichten.

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