Nach dem überraschenden Bekenntnis von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Münchens OB Jörg Reiter zur sogenannten „Zwillingslösung“ – gemeint ist die Entkernung der Philharmonie im Münchner Kulturzentrum Gasteig und der Einbau eines kleineren Saals – war die Münchner Konzertsaaldebatte erneut aufgeflammt. Die nmz besuchte das „Forum Neuer Konzertsaal“ der Süddeutschen Zeitung am 17. März sowie ein „Internes Plenum zur Münchner Konzertsaaldebatte“ von Werkbund und Bayerischer Akademie der schönen Künste am 23. März. Hier das Protokoll der wichtigsten Argumente.
Zweimal in zwei Wochen saßen Kunstminister Ludwig Spaenle und Kulturreferent Hans-Georg Küppers vor einem Tribunal aus Befürwortern des dritten Konzertsaals und versuchten vor allem eins: keine festen Zusagen geben zu müssen. Stadt und Land zogen sich darauf zurück, erst die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe abwarten zu wollen, die sie zur Prüfung der Zwillingslösung eingesetzt hatten. Erst danach könne und wolle man sich zu einem Neubau äußern. Küppers wiederholte, dass sich die Stadt einer Neubaulösung gegenüber konstruktiv und wohlwollend verhalten würde.
Zunächst ist der Stadt München das teure „Sowieso-Thema“ näher: Darunter muss man die Komplettrenovierung des in die Jahre gekommenen Gasteig verstehen, an der die Stadt nicht vorbeikommt, egal welche Lösung favorisiert wird. Da sowohl Spaenle als auch der frisch wiedergewählte BR-Intendant Ulrich Wilhelm das EU-Beihilferecht als Hinderungsgrund für eine Finanzierung durch Land und Rundfunk nannten, blieb die Frage der Trägerschaft weiterhin offen: „Wo kein Antrag, da kein Bescheid.“
Als Ersatz für den verhinderten Bariton Christian Gerhaher wurde aus dem gleichen Stimmfach der Sänger Thomas E. Bauer eingeladen, der erst 2014 die Eröffnung „seines“ Konzertsaals in der Bayerwaldgemeinde Blaibach feiern durfte. Bauer argumentierte mit Verve für eine Mischfinanzierung, die etwa durch Gründung einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft erreicht werden könnte. Ihm schwebt eine Art bürgerliche Teilhabe-AG vor.
Mariss Jansons war dagegen recht einsilbig, denn er sitzt inzwischen seit zehn Jahren auf ähnlichen – und bislang fruchtlosen – Veranstaltungen. Mit seiner „Gretchenfrage“ zur Zwillingslösung: „Wie können zwei Orchester in einem Saal arbeiten?“, stellte er die Intendantenfrage in den Raum. In München werden die Konzertsäle nicht von künstlerischen Intendanten wie vielerorts üblich, sondern von kaufmännischen Geschäftsführern geleitet. Jansons befürchtet nicht ganz zu Unrecht, dass Streitigkeiten über Raumnutzung damit vorprogrammiert seien.
Thomas Angyan, Intendant des Musikvereinssaals in Wien, konnte zur Mischnutzung Interessantes aus der Musikmetropole an der Donau berichten. Zudem war er der Einzige, der die Forderung nach einem modulablen Saal in den Raum stellte. Denn die Anforderungen der zeitgenössischen Musik schienen für die anwesenden Interessenvertreter genau so wenig zu exis-tieren wie die von Jazz, Rock und Pop. Die Vertreter der Hochkultur inklusive deren Unternehmensberater waren unter sich geblieben.
Sängerin Waltraud Meier artikulierte die akustischen Probleme in der Philharmonie für die Musiker. Akustiker Karlheinz Müller überraschte, indem er deutlich machte, dass ein teurer und riskanter Totalumbau des Gasteig gar nicht erforderlich sei, sondern akus-tische Umbauten im Podiumsbereich schon eine wesentliche Verbesserung darstellen könnten.
Das Konzertsaal-Beispiel Bochum wurde apostrophiert für gelungenes bürgerliches Engagement. Es sei lächerlich, wenn andere Städte wie Dortmund, Essen, Hamburg und auch kleinere Städte sich einen neuen hervorragenden Konzertsaal leisteten, aber die Kunstmetropole München nicht. BR-Intendant Wilhelm schloss eine maßgebliche finanzielle Beteiligung des BR durchaus nicht aus. Die Finanzierung im Einzelnen könne jedoch erst nach Beantwortung der Standortfrage geklärt werden.
Neues bot das Kurzreferat von Dieter Koppe vom Werkbund. Er stellte die drei Varianten nebeneinander: erstens die „Sowieso“-Lösung, die eine Renovierung von Gasteig und Herkulessaal einschließt, zweitens die Zwillingslösung mit einem Saal im Saal und drittens der zusätzliche dritte Saal. Koppe rechnete vor, dass Neubau samt Sanierung bestehender Säle „nur“ 40 Millionen Euro teurer sei als die Zwillingslösung von Seehofer und Reiter. Außerdem wäre damit auch die Frage des Ausweichspielorts für die Jahre des Umbaus geklärt. Fortsetzung folgt.