Als alles anfing, Anfang März, wollte die nmz-Redaktion noch einen Ticker zusammenstellen mit Informationen zu ausfallenden Konzerten, Kongressen und anderen Veranstaltungen aus dem Musikbereich. Das ist nun nicht mehr nötig: Alles wurde abgesagt.
Am schnellsten und am härtesten trafen die Maßnahmen gegen die pandemische Ausbreitung des Coronavirus’ die Soloselbständigen, die freiberuflichen Musiker, Komponisten und Musikpädagogen mit zum Teil dünnem Einkommen und wenigen Rücklagen. Weil die Corona-Krise vor allem freischaffende Musiker hart trifft, wurde der Ruf nach dem Staat immer lauter. Schnell umfasste der Ausfall alle Ebenen: Längst stimmen Festivals in diesen Hilferuf mit ein, genauso wie die Konzerthäuser, Opernhäuser, die kleinen Jazzclubs und großen Popveranstalter. Die Forderungen reichen von Nothilfefonds, Grundsicherungsaufstockung bis zum temporären Grundeinkommen. Und alles muss schnell gehen, sonst bricht der Musikbereich weg. Und wie wir schmerzvoll erfahren haben: Was weg ist, ist weg.
Die nmz listet die Forderungen der Kultur- und Musikverbände und die Antworten der Politik, soweit bisher gegeben. Bis wir in den Druck gehen, werden die ersten Maßnahmen bereits greifen. Aktuelle Informationen und Hilfestellung finden Sie unter www.nmz.de/tags/coronavirus und https://blogs.nmz.de/badblog/coronavirus-tipps-hilfestellung/
Deutscher Kulturrat (DKR)
Der Kulturrat sammelt Initiativen, bündelt und formuliert und hält mit einem Newsletter auf dem Laufenden. Im Zentrum der Kulturratsforderungen steht der Nothilfe-Fonds.
„Die Kulturministerkonferenz der Länder haben in ihrer Sitzung am 18.3.2020 einen Nothilfefonds, wie vom Deutschen Kulturrat angeregt, gefordert. Der Fonds soll besonders für freie Kulturschaffende sowie private Kultureinrichtungen beziehungsweise kulturelle Veranstaltungsbetriebe zur Verfügung gestellt werden. Wie vom Deutschen Kulturrat ebenfalls angeregt, sollen die Kulturstiftung des Bundes und die Kulturstiftung der Länder einbezogen werden. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte bereits Montag, den 16. März ihre grundsätzliche Zusage zu einem Nothilfefonds erklärt.“
Deutscher Musikrat (DMR)
Der Deutsche Musikrat (DMR) fordert ein auf sechs Monate befristetes Grundeinkommen in Höhe von 1.000 Euro für alle freiberuflichen Kreativschaffenden. Auf der Homepage heißt es: „Die Einkommen der freiberuflichen Musikerinnen und Musiker, sei es im Veranstaltungsbereich wie in den musikpädagogischen Berufsfeldern, brechen mit dem bundesweiten Shutdown sofort weg, während die Kosten weiterlaufen. Bei einem laut Künstlersozialkasse durchschnittlichen Bruttojahreseinkommen freiberuflicher Musikerinnen und Musiker von 13.000 Euro ist kein Spielraum für Rücklagen gegeben. Das hat auch die erste Zwischenauswertung der noch bis zum 31. März laufenden Umfrage des Deutschen Musikrates zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf den Musikbereich ergeben. Entscheidend ist, dass jetzt rasch und ohne bürokratischen Aufwand geholfen werden kann.“
Eine viel beachtete Umfrage des Deutschen Musikrates läuft noch bis zum 31. März 2020: www.surveymonkey.de/r/XZJSKBZ.
Vereinigung deutscher Opernchorsänger und Bühnentänzer (VdO)
Vor dem Hintergrund, dass von Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden von jeder nicht notwendigen Menschenansammlung abgeraten wird, fordert die VdO die „sofortige Einstellung des Probenbetriebs in Zeiten des Coronavirus“. Wert legt die Gewerkschaft darauf, dass „selbstverständlich alle von uns vertretenen Künstler*innen jederzeit bereit stehen, etwa auf individuellem Weg im Selbststudium oder auch online an den aktuellen Produktionen weiterhin mitzuarbeiten“.
Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV)
Der BDKV bedankt sich bei der Politik für deren schnelle Reaktion, insbesondere was erleichterte Kreditvergaben und die Flexibilisierung des Kurzarbeitergeldes betrifft. Darüber hinaus fordert der Verband einen „erweiterten Schutzschild“ für Veranstalter und fasst dies in vier Punkten zusammen.
1. Verbesserung der Liquiditätslage, die Verschiebung des Anspruches auf Ticketrückerstattung in die Zukunft (365 Tage).
2. Findet keine Nachholung des Konzertes statt, soll es dem Ticketkäufer zumutbar sein, anstatt einer Barerstattung des Kartenpreises einen Gutschein in derselben Höhe zu erhalten.
3. Erstattung verlorengegangener Deckungsbeträge von Dienstleistern der Veranstaltungsbranche durch den Staat (Nothilfefonds).
4. Solange Veranstalter nicht aufgrund behördlicher Anordnung absagen müssen, bleiben sie zur Leistung verpflichtet. Anstelle von Empfehlungen und Maßnahmenkatalogen verlangt der BDKV daher behördliche Anordnungen.
Deutscher Tonkünstlerverband (DTKV)
Der DTKV geht in Absprache mit seinem Justiziar Hans-Jürgen Werner davon aus, dass Privatmusiklehrer*innen zu den privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich gehören, die vom Verbot betroffen sind. Sofern allgemeinbildende Schulen auf behördliche Anweisung geschlossen, aber keine Aussagen zu (privaten) Musikschulen und Privatmusikunterricht getroffen werden, sollen sich Instrumentalpädagogen an die zuständige Behörde (i.d.R. das örtliche Gesundheitsamt) wenden, um zu erfahren, ob ihre Musikschule/ der Privatmusikunterricht ebenfalls von dieser Verordnung erfasst ist.
Freie Ensembles und Orchester in Deutschland (FREO)
Der Verband der Freien Ensembles schließt sich der Forderung des Deutschen Kulturrats nach einem Notfallfonds für Künstlerinnen und Künstler an.
Weiter heißt es: „Wir fordern Fördergeber auf, zugesagte Förderungen im Falle von Veranstaltungsabsagen aufgrund der Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht einzubehalten. Wir appellieren an Veranstalter, die ihr Budget zu einem erheblichen Teil auf Fördergelder aufbauen, bei entsprechenden Absagen keine zugesagten Leistungen einzubehalten.“
Deutsche Orchestervereinigung (DOV)
Die DOV wird gegenwärtig vermehrt von ihren freischaffenden Mitgliedern mit Fragen konfrontiert. Auf ihrer Homepage informiert die Orchestermusikergewerkschaft aktuell über Honorarzahlungsansprüche für Freischaffende und Aushilfen bei Absagen von Projekten und Aufführungen im Theater- oder Konzerthaus.
Verband deutscher Musikschulen (VdM)
„Selbstständige (wie Honorarlehrkräfte an Musikschulen) können bei einer angeordneten Musikschulschließung oder Quarantäne – mit einer schriftlichen Bestätigung – direkt bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Entschädigung stellen. Sie erhalten dann eine Entschädigung, deren Höhe sich an ihrem letzten Jahreseinkommen bemisst. Diese zahlt die zuständige Behörde direkt an sie aus. Zu beachten ist dabei jeweils, dass alle Anträge schriftlich mit einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder nachdem die Arbeit wieder aufgenommen werden kann, gestellt werden muss.“
Was können die Betroffenen selbst tun?
Aktiv werden, sich kundig machen, das ist die Devise. Wer Hilfe braucht, kann sie sich holen: beim Deutschen Musikrat, bei den Landesmusikräten, beim Tonkünstlerverband, bei den Gewerkschaften, bei den Behörden und der Künstlersozialkasse.
Finanzminister Olaf Scholz hat gesagt: „Es liegt nicht am Geld, wir haben genug Rücklagen.“ Ziel muss es sein, die Kulturszene über die Zeit des Shutdowns hinweg am Leben zu erhalten – denn um nichts anderes geht es bei all den hier aufgezählten und zitierten Initiativen.
Zusammenstellung: Andreas Kolb