Düsseldorf (dpa) - Seitdem der landeseigene Casino-Betreiber Westspiel zwei Siebdrucke von Andy Warhol für umgerechnet rund 121 Millionen Euro in New York versteigern ließ, befürchtet die Kulturszene einen Ausverkauf der Kunst Nordrhein-Westfalens. Ein Proteststurm brach los, als auch die Portigon AG den Verkauf ihrer Kunstsammlung ankündigte. Ein Runder Tisch aus Politik, Wirtschaft und Kultur soll am Donnerstag über die Zukunft der Sammlung beraten.
Wer verbirgt sich hinter der Portigon AG, und warum hat das Unternehmen so viele Kunstwerke?
Die Portigon AG ist die Rechtsnachfolgerin der einst mächtigen Westdeutschen Landesbank. Portigon gehört dem Land NRW und muss die 2012 nach Milliardenverlusten zerschlagene WestLB abwickeln. Seit 1969 hatte der erste Vorstandschef der Landesbank, Ludwig Poullain, Kunst angekauft. Auch die beiden versteigerten Warhol-Bilder, die jahrelang im Aachener Casino hingen, gehörten einst zur Sammlung der Landesbank. Denn 2002 war die WestLB in eine Geschäftsbank und die NRW.Bank aufgespalten worden. Westspiel und Westlotto sind nun Tochterunternehmen der NRW.Bank. Während Portigon gut 380 Kunstwerke der ehemaligen Landesbank-Kollektion besitzt, hat Westspiel 235 Werke und Westlotto mehr als 300 Objekte.
Warum trennt sich die Portigon AG von ihrer Kunst?
Portigon muss im Zuge der Abwicklung die Bilanz auf Null fahren. Zum Betriebsvermögen zählen auch knapp 400 Kunstwerke sowie drei wertvolle Streichinstrumente. Portigon-Chef Kai Wilhelm Franzmeyer hatte den Verkauf als alternativlos bezeichnet. Aufgrund von Vorgaben der EU-Kommission müsse Portigon sämtliche Vermögensgegenstände «bestmöglich» verwerten - also zum Marktpreis verkaufen.
Welche Kunstwerke gehören zu der Sammlung?
Portigon hält die Liste der rund 380 Objekte unter Verschluss - angeblich damit die Preise nicht gedrückt werden. Der Deutschen Presse-Agentur liegt die Liste vor: Sie enthält Werke weltbekannter Künstler wie Pablo Picasso, Paul Signac, August Macke, Emil Nolde, Max Ernst sowie auch zeitgenössische Kunst etwa von Günther Uecker, Imi Knoebel, Sigmar Polke und Fotos etwa von Thomas Struth oder Candida Hoefer.
Wie wertvoll ist die Portigon-Sammlung?
Auf der Liste ist nicht vermerkt, ob es sich um Papierarbeiten, Auflagenobjekte oder Unikate handelt. Das macht eine Schätzung schwierig. Einen Anhaltspunkt liefern nur die Versicherungssummen hinter jedem Objekt. Demnach sind die teuersten Objekte zwei Bildtafeln des Renaissance-Künstlers Giovanni di Paolo, die für sechs Millionen Euro versichert sind, gefolgt von einem Signac-Bild (vier Mio Euro), einem Macke-Gartenbild (2,5 Mio) und zwei Skulpturen von Eduardo Chillida in Münster (2 Mio). Der Gesamtversicherungswert liegt bei rund 28 Millionen Euro. Das lässt auf eine bis auf wenige Ausnahmen nicht sehr hochkarätige Sammlung schließen.
Kann das Land noch etwas gegen den Verkauf der Kunst tun?
Der Verkauf auf dem freien Markt ist offensichtlich doch nicht alternativlos. So kündigte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) vergangene Woche überraschend an, die rot-grüne Landesregierung werde «alles in ihren Kräften Stehende tun», um Kunstwerke für Nordrhein-Westfalen zu sichern. Lösungen würden aber Geld kosten. Kulturministerin Ute Schäfer (SPD) lässt derzeit prüfen, ob einzelne Werke auf die Liste national wertvollen Kulturguts gesetzt werden. Damit dürften sie nicht mehr ausgeführt, könnten aber im Inland verkauft werden.
Hätte die Landesregierung früher eingreifen können?
Seit der Versteigerung der beiden Warhol-Bilder war klar, dass ein weiterer Verkauf von indirekt dem Land gehörender Kunst einen neuen Proteststurm auslösen würde. Dennoch hatte Walter-Borjans noch im November betont, Portigon entscheide selbst über die Kunstwerke. Offenbar hatte erst ein internes Machtwort von Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) vergangene Woche zum Kursschwenk geführt.
Nun soll ein Runder Tisch die Parteien zusammenbringen. Wer sitzt am Tisch zusammen?
Der von Schäfer einberufene Runde Tisch soll über den künftigen Umgang mit Kunst aus landeseigenen Unternehmen beraten. Teilnehmen werden unter anderem Schäfer, Walter-Borjans, Franzmeyer, die Chefs von Westspiel und Westlotto, die Kulturexperten der Landtagsfraktionen, Abgesandte der Kulturstiftungen des Bundes und der Länder sowie die Direktorin der Kunstsammlung NRW, Marion Ackermann.
Wie sind die Chancen, dass eine Lösung gefunden wird?
Klar dürfte sein, dass nach der politischen Festlegung der rot-grünen Landesregierung ein freier Verkauf zumindest der wertvollsten Werke kaum noch möglich sein dürfte. Andererseits muss Portigon aber laut Aktienrecht die Sammlung veräußern. Eine Idee ist, Sponsoren zu suchen, die die wertvollsten Werke kaufen und dem Land überlassen.
Dorothea Hülsmeier