Das TRAFO-Programm der Kulturstiftung des Bundes will die kulturelle Infrastruktur im ländlichen Raum stärken. Vom 19. bis zum 21. September diesen Jahres findet aus diesem Grund in Halle an der Saale ein Ideenkongress zur Zukunft ländlicher Räume und der Kultur auf dem Land statt, wozu der Komponist und Trompeter Christian Grässlin im Vorfeld drei der vier bisherigen Programm-Regionen, den Saarpfalz-Kreis, die Schwäbische Alb und Südniedersachen, besuchte. Er wohnte Proben lokaler Blasmusikgruppen bei und komponierte ein Stück, das von einem Projektorchester auf dem Kongress uraufgeführt werden soll, die TRAFOlka.
Der gesellschaftliche Wandel hat zu einer sonderbaren Unlogik geführt: Eigentlich sollte man meinen, das Internet und sozialpolitische Maßnahmen hätten die Ungleichheit zwischen Stadt und Land, die Unterschiede der Lebensverhältnisse in urbanen und in ruralen Gebieten abgebaut. Eigentlich.
Gleichzeitig vollzieht sich jedoch eine verstärkte Bevölkerungsbewegung in die Agglomerationsgebiete der Republik. Vor allem junge Menschen zieht es vom Land in die Städte. Fragt man nach den persönlichen Beweggründen, wird unter anderem das bessere kulturelle Angebot genannt. Aus dieser demographischen Entwicklung ergeben sich eine Reihe negativer Folgen für den ländlichen Raum. Das Förderprogramm der Kulturstiftung des Bundes TRAFO nähert sich dieser Problematik auf eine unkonventionelle Art und Weise, denn es setzt den Fokus auf die Kultureinrichtungen im ländlichen Raum. Diese Kulturorte zu fördern und dadurch die kulturelle Infrastruktur weiterzuentwickeln ist das Ziel von TRAFO. In diesem Jahr läuft die zweite Stufe von TRAFO an. 18 weitere Regionen werden dann in einer einjährigen Entwicklungsphase ein Transformationsvorhaben für ihre Kulturorte entwickeln. Aus diesen wählt dann eine Fachjury bis zu fünf Regionen aus, die eine Förderung für die Umsetzung ihres Projektes in den Jahren 2019 bis 2023 erhalten. Für das TRAFO-Programm stellt die Kulturstiftung des Bundes von 2016 bis 2023 insgesamt bis zu 22,8 Mio. Euro bereit.
Da die künstlerische Perspektive des ländlichen Raums eine besondere Rolle bei TRAFO spielt, stellte man sich im Hinblick auf den Ideenkongress im kommenden September die Frage, wie sich der ländliche Raum eigentlich anhöre. Auf dem Podium Festival Esslingen knüpfte man mit Christian Grässlin, einem jungen Trompeter aus Lörrach, Kontakt. Grässlin war Mitglied in verschiedenen Jugendsinfonieorchestern, belegte Meisterkurse und ließ sich als Fünfzehnjähriger neben dem regulären Unterricht als Jungstudent bei Anthony Plog an der Musikhochschule Freiburg unterrichten. Heute spielt er, dessen musikalische Vorbilder der kubanische Multiinstrumentalist Arturo Sandoval und der österreichische Trompeter Thomas Gansch sind, in mehreren Bands und betreibt erfolgreich einen YouTube-Kanal. Dort stellt er eigene Stücke teils multiinstrumental in Form von Multitracks vor, covert fremde Stücke auf eindrucksvolle Art oder stellt Mitschnitte diverser Jam-Sessions online, die auch schon mal während eines Staus auf der Autobahn stattfinden können. Auf die Frage, ob er sich als Kulturbotschafter der Jugend sehe, antwortet er: „Nein, so habe ich mich noch nie gesehen. Ich bin einfach ein Musiker, der angefangen hat YouTube-Videos aufzunehmen.“ Er sei froh, so ein Projekt wie TRAFO miterleben zu dürfen.
Anfangs sollte Grässlin in alle vier Programmregionen reisen, doch war die Suche nach Blasmusikgruppen in diesen Regionen nicht so erfolgreich wie erhofft. Nur wenige Gruppen hatten sich gemeldet – in der Region des Oderbruchs keine einzige – und die Musiker, die Grässlin traf, waren in der direkten Vorbereitung für eigene Konzerte. Die TRAFOlka, ein von Christian Grässlin eigens für das Programm komponiertes Stück, konnte nicht in die Proben einbezogen werden. Dennoch wird sie beim Ideenkongress im September von einem Projektorchester bestehend aus acht Profimusikern und Musikern aus den jeweiligen Regionen aufgeführt werden. Zudem wird im Juli die von Grässlin produzierte YouTube-Serie veröffentlicht, die während seiner Reise entstand und in der künstlerische Eindrücke aus den Programmregionen und die Arbeitsweisen der Blasmusikkapellen gezeigt werden, die der Musiker traf. „Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich jede Gruppe arbeitet“, so Grässlin.
Neben dem Konzert des Projektorchesters finden im Rahmen des Ideenkongresses des TRAFO-Programms Vorträge und Diskussionen zu zentralen Themen statt. So sollen zum einen die neuen Aufgaben und Funktionen von Kultureinrichtungen im ländlichen Raum und die „Perspektive Land“ im sozialen, raumplanerischen und politischen Sinn diskutiert werden. Zum anderen stehen die kleinen Städte, die im ländlichen Raum (vor allem auch in kultureller Hinsicht) eine Sonderrolle einnehmen, und die Kulturförderung im Zentrum. Hinzu kommt die Frage, ob Kulturförderung im ländlichen Raum anders als in der Stadt funktioniert, sie daher andersartig sein muss, und welche Förderung Kultur im ländlichen Raum braucht.
- Zum Ideenkongress zur Zukunft ländlicher Räume und der Kultur auf dem Land in Halle an der Saale (19. bis 21. September) sind Künstler, Kulturschaffende, Politiker, Wissenschaftler und Interessierte geladen. Bis zum 31. August kann man sich dafür auf der TRAFO-Homepage anmelden: www.trafo-programm.de