Der Beginn eines neuen Schuljahres bedeutet für freiberuflich in Vollzeit arbeitende Instrumentalpädagogen zeitaufwändige Büroarbeit: Neben der Vorbereitung auf den Unterricht müssen Stundenpläne erstellt, Absprachen mit den Eltern geführt und Unterrichtsverträge geschrieben werden. Nach einer Abmahnung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Anfang des Jahres, die kritische Klauseln wie vorzeitige Kündigung, Weiterzahlung des Honorars im Krankheitsfall oder auch vom Lehrer nicht genehmigte Auftritte beinhaltet, sind nun neue, revidierte Formularverträge für Mitglieder des Tonkünstlerverbandes Bayern und auch des Deutschen Tonkünstlerverbandes im Umlauf. Die Abänderungen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen hat Anke Kies für die nmz näher beleuchtet.
Im Frühjahr dieses Jahres wurden die Mitglieder des Deutschen Tonkünstlerverbandes per Mail darüber informiert, dass die verbandsinternen Unterrichtsverträge aufgrund der Abmahnung nicht mehr verwendet werden dürfen. Es entstand ein rechtsleerer Raum, denn auch die bestehenden Verträge waren de facto ungültig. Für einen Arbeitnehmer würde sich die Situation so darstellen, dass er zwar weiter zu arbeiten hätte, allerdings ohne Vertragssicherheit. Außenstehende mögen nun vermuten, dass die Vertragsformulare längst einer Aktualisierung bedurft hätten. Erst im Jahr 2015 und in überarbeiteter Fassung 2016 legte der TKV Bayern neue Exemplare vor. Wesentliche Impulse kamen aus dem zuständigen Fachausschuss. Auch der Bundesverband unterzog seine Verträge einer regelmäßigen Aktualisierung. Stellt man einen Vergleich innerhalb der letzten zwanzig Jahre an, so fällt auf, dass sich nun der Vertragstext nahezu verdoppelt hat, völlig verklausuliert ist und in der Handhabung fast eine Zumutung. Das wirft die Frage auf, warum bewährte, über Jahre in der Praxis verwendete und juristisch untermauerte Verträge von einer Verbraucherzentrale so einfach abgemahnt und beauflagt werden können. Denn die Neuerungen, die nun angestrengt wurden, sind genau besehen Streichungen.
Bisher sah der Vertragstext bei Erkrankung des Lehrers eine Fortzahlung des Honorars über sechs Wochen vor (Freiberufler erhalten erst ab der siebten Woche Krankengeld). In den neuen Verträgen wird der Unterrichtsausfall pauschalisiert, das heißt, es spielt keine Rolle, ob der Unterricht wegen Krankheit nicht stattfinden kann oder aus anderen Gründen ausfallen muss. Tritt nun der Fall ein, dass die Lehrkraft mehrere Wochen krank ist, dann müsste sie den Unterrichtsausfall regulieren, weil der Passus, der die Weiterzahlung des Honorars regelte, gestrichen wurde. Da sich die Verträge an der Feriengestaltung der allgemeinbildenden Schulen orientieren, sind Musikpädagogen ohnehin gezwungen, zwölf Wochen im Jahr honorarfrei zu pausieren.
Die Zahlung des Jahreshonorars in zwölf Raten senkt damit das monatliche Einkommen empfindlich ab. Die immer wieder geäußerte Empfehlung, Rücklagen für Krankheit, Ausfall und Alter über das Honorar zu bilden, grenzt an völlige Unkenntnis der Sachlage. Für Unterricht mit Kindern kann man keine dreistelligen Honorare verlangen. Die Angaben der Künstlersozialkasse zum durchschnittlichen jährlichen Einkommen eines weiblichen freien Musikpädagogen (FMP) in Höhe von 11.000 Euro€drücken Krankengeldzahlungen dann schnell auf Sozialhilfeniveau. Vorgezogenes Krankengeld (ab dem 15. Krankheitstag) können Mitglieder der KSK mit ihrer Krankenkasse aushandeln. Diese Prämie muss dann zusätzlich zum KV-Beitrag direkt an die Krankenkasse entrichtet werden. Die Wegnahme der Verpflichtung zur Weiterzahlung des Honorars im Krankheitsfall ist dennoch nicht nur eine kleine „Justierung“ innerhalb des Vertrags, sondern eine signifikante und folgenschwere Abänderung, die sich auch nicht so leicht individuell regulieren lässt.
Eine kurzfristig vom Schüler abgesagte Stunde sollte auch in jedem Fall vergütet werden, denn es geht nicht um eine nicht erbrachte „Dienstleistung“, sondern um den Ausfall eines Unterrichts, der vorbereitet war. Ein in Vollzeit arbeitender Musikpädagoge ist auch logistisch gar nicht in der Lage, jede ausgefallene Stunde nachzuholen. Und ein Unterrichtsraum ist auch kein Wartezimmer, das man so füllt, damit keine Leerzeiten entstehen. Viele FMP unterrichten auch erwachsene Schüler, für die Ferienzeiten nicht relevant sind. Für diese Klientel sind die Verträge gar nicht anwendbar, weil es keine Einzelstundenverträge mehr gibt und die aktuellen Verträge mit umständlich vielen speziellen Absprachen versehen werden müssten. Der für diesen Fall angedachte Individualvertrag verleiht dem Lehrer nur augenscheinlich mehr Spielraum in der Ausgestaltung, denn auch dieser Vertragstext unterliegt gesetzlichen Bestimmungen. Für den Inhalt zeichnet allein die Lehrkraft verantwortlich.
Ein weiterer beanstandeter Punkt der VBZ-BW war der nicht vom Lehrer genehmigte Auftritt des Schülers in der Öffentlichkeit. Auf den ersten Blick mag das als Lappalie erscheinen. Hier müsste zuallererst der Begriff „Öffentlichkeit“ genau definiert werden, um dem Problem gerecht werden zu können. Ein Schulkonzert im Gymnasium gehört auf jeden Fall dazu. Wenn dort ein Schüler ein nicht im Unterricht erarbeitetes Stück präsentiert, muss der Lehrkraft die Möglichkeit einer Konsequenz eingeräumt werden. Nur Mitglieder des Tonkünstlerverbandes dürfen diese Verträge verwenden, alle Nutzer verfügen also über eine hohe Qualifikation, deren Sichtbarmachung man nicht so leicht aufs Spiel setzen sollte. Die Punkte „Auftritt in der Öffentlichkeit“ und „Vertragsbeendigung“ sind in den neuen Vertragsfassungen des TKVB und des DTKV nicht deckungsgleich. Warum nach einer Abmahnung unterschiedliche Fassungen vorgelegt werden, die vielleicht erneut anfechtbar erscheinen, ist nicht recht zu verstehen. Eine Kündigung sollte klar formuliert sein und nicht im Nachgang eine Möglichkeit aus wichtigem Grund offen halten. Das öffnet der Willkür Tür und Tor.
Die Standardisierung des Status Freiberufler/Selbständiger hat im künstlerischen Bereich fatale Folgen. Musikpädagogen erfüllen eine Bildungsaufgabe und sind keine Dienstleister. Im günstigen Fall erstreckt sich ein Unterrichtsverhältnis auf zehn Jahre oder mehr. In dieser Zeit erlernt ein Schüler in regelmäßig stattfindendem Unterricht nicht nur sein Instrument, er erhält auch eine umfassende musikalische Ausbildung und einen Zugang zur Musik, den Schulen oftmals gar nicht mehr zu leisten in der Lage sind. Diese Bildungsarbeit ist im gesellschaftlichen Bewusstsein noch längst nicht verankert. Freie Musikpädagogen werden als Selbständige in eine Reihe mit Fahrlehrern, Handwerkern, Ärzten oder Anwälten gestellt.
Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung spielen etwa 25 Prozent der 17-Jährigen ein Instrument. Diese Zahlen sollte die Stiftung an die zuständigen Kulturausschüsse weiterleiten. Sie bemängelt, dass die Schüler aus einkommensstarken Familien kommen und fordert Konzepte, um sozial benachteiligte Kinder zu erreichen. Das wirft noch einmal die Honorarfrage auf den Plan. Der TKV-BW hat eine Arbeitsgruppe Honorarstandards auf den Weg gebracht (s. nmz 9/17, S. 48), die sich dieses wichtigen Problems annimmt. Honorare für die musische Ausbildung unserer Kinder müssen deshalb gesellschaftlich verantwortet werden, damit auch Privatmusikpädagogen angemessen entlohnt werden können.
Die Umstellung des Schulsystems und der damit verbundene Unterricht am Nachmittag haben zur Folge, dass der Arbeitsplatz der FMP auch in die Schulen verlagert werden wird. Seit Jahren wird um Anerkennung gerungen, werden Möglichkeiten und Verfahrensweisen ausgelotet, ministerielle Befürwortungen eingeholt und Qualitätsstandards eingefordert – eine unglaubliche „Maschinerie“ wird aufgefahren, um die berufliche Situation der freien Musikpädagogen zu verbessern.
Das Ansetzen immer höherer Qualitätsmaßstäbe steht im krassen Wiederspruch zur konträr verlaufenden sozialen Kurve. Ihr gesellschaftlicher Standort ist nicht verortet und von konsis-tenten Wertvorstellungen weit entfernt. Wenn in den nächsten Jahren auf politischer Ebene nicht grundlegende Veränderungen angestrengt werden, dann laufen wir Gefahr, dass die soziale Stellung der Musikpädagogen immer mehr ausgehöhlt wird. Brutto-Einnahmen, die als zu versicherndes Einkommen bei der KSK angerechnet werden sollten, gesetzlich verankerte Beteiligung der Kommunen am Unterrichtshonorar und sozial verträgliche Regelungen für den Krankheitsfall sollten auf die Tagesordnung der zuständigen politischen Gremien. Dann dürfte es auch leichter fallen, einen Unterrichtsvertrag zu formulieren, der ohne verwirrende Schnörkel Klartext spricht und bei dem der Nutzer desselben auf einen Workshop zur Handhabung verzichten kann.