Berlin (dpa) - Deutschlands derzeit wichtigstes Kulturprojekt bleibt auch im ersten Jahr seiner Öffnung eine Baustelle. Ob unklare Zuständigkeiten, Zweifel am Konzept, umstrittene Spenden, Streit um Kreuz und Bibelzitate - das Bundesprojekt steckt in der Dauerkrise.
Wie es weitergehen kann mit dem Humboldt Forum, erläuterten vier der wichtigsten Player in Gesprächen mit der dpa: Generalintendant Hartmut Dorgerloh, Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Berlins Kultursenator Klaus Lederer und der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger.
Die rund 40 000 Quadratmeter des 680 Millionen Euro teuren Humboldt Forums hinter der umstrittenen Schlossfassade teilen sich zwei Museen der Preußen-Stiftung, das Land Berlin, die Humboldt-Universität und die Stiftung Humboldt Forum. Gezeigt werden etwa Exponate aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien sowie Objekte zur Geschichte Berlins.
Spenden - wie viel privater Einfluss darf möglich sein?
Nach Spenden aus umstrittenen Quellen will Roth klarere Verhältnisse. «Bei der Frage der Spender ist Vertrauen gut, aber Transparenz besser», sagte die Grünen-Politikerin. Als erster Schritt sei die Spenderichtlinie neu gefasst und deutlich verschärft worden.
Zuvor war etwa über als antisemitisch und antidemokratisch interpretierte Äußerungen eines bereits gestorbenen Spenders diskutiert worden. Die umstrittene Barock-Fassade war mit mehr als 100 Millionen Euro aus privaten Spenden finanziert worden, die der private Förderverein Berliner Schloss eingeworben hatte.
Roth kündigte erneute Gespräche mit dem Verein an. «Ich bin schon irritiert über so manche inhaltliche Aussage aus diesem Kreis und ich bin auch nicht zufrieden mit dem Mangel an Transparenz, der hier herrscht», sagte sie. Maximal mögliche Transparenz müsse im Interesse aller liegen. «Sonst lastet ein Schatten darauf.» Zudem machte Roth Grenzen der Zuständigkeit deutlich: «Die inhaltliche Programmarbeit des Humboldt Forums liegt nicht beim Verein.»
Dorgerloh sieht eine Zäsur in der Zusammenarbeit. «Aus unserer Sicht ist die Tätigkeit des Fördervereins erfolgreich abgeschlossen», sagte er. Hauptziel der Arbeit des Fördervereins seien Spenden für die Rekonstruktion gewesen. Dorgerloh: «Wir verstehen uns als ein Ort frei von Rassismus, frei von Diskriminierung, frei von Antisemitismus.» Bei aller Akzeptanz für Vielfalt und Meinungsfreiheit seien das die Grenzen. «Anonyme Spenden, deren Herkunft unbekannt sei, «wollen und dürfen wir nicht mehr annehmen».
Für Lederer ist bei der Spendenpraxis viel schief gelaufen. «Das kriegt man jetzt rückwirkend so sicherlich nicht mehr korrigiert.» Nun gehe es darum, wer welche Zukunft des Humboldt Forums gestalte. «Ich glaube, dass es an der Zeit ist, einen klaren Schlussstrich zu ziehen gegenüber den subtilen Versuchen des Fördervereins, dort das Programm von Wissenschaft und Kultur mitzubestimmen.»
Wie weiter mit Christenkreuz und Bibelspruch?
Roth sprach sich für einen kritischen Umgang mit den umstrittenen christlichen Symbolen am Gebäude aus. «Das Humboldt Forum ist kein sakraler Bau. Das ist eine Kuppelnachbildung mit einer Inschrift und da ist ein Kreuz drauf, ohne dass die ursprüngliche Kapelle darunter wieder errichtet wurde», sagte sie. «Der Anspruch des Humboldt Forums ist und sollte sein, eine für Weltkultur offene Einrichtung zu sein, die sich auch der eigenen kolonialen Geschichte stellt.» Deshalb müsse erklärt werden, was Kuppel mit Kreuz und das Spruchband mit kombinierten Bibelzitaten dort historisch bedeuteten.
Für Dorgerloh liegt die Diskussion auch in der Entstehungsgeschichte mit Rekonstruktion von Fassaden und Kuppel begründet. «Das ist dann eben eine der Konsequenzen, die man möglicherweise nicht zu Ende gedacht hat», sagte er. Der Bau bleibe ein Thema der Programmarbeit. «Das Humboldt Forum ist ein Anlass für Erzählungen über den Umgang mit Geschichte genauso wie über den Umgang mit religiösen Symbolen.»
Die Inschrift soll nun ein temporäres Kunstwerk überspielen. «Die Idee dieses Kunstprojektes ist, dass man nachts, wenn die rekonstruierte Inschrift nicht lesbar ist, an dieser Stelle einen anderen Text lesen kann», schilderte Dorgerloh. Tagsüber werde weiterhin die rekonstruierte Inschrift zu sehen sein.
Komplizierte Struktur - wer darf was?
Parzinger hofft auf klarere Strukturen. «Es gibt bisweilen schon ein Zuständigkeitsgerangel: Wer spricht für was?», sagte er. «Es gibt viele Schnittstellen, die zu klären sind.» So bespielten die Museen einerseits die Dauerausstellung, die Wechselausstellungen würden aber zusammen mit der Stiftung Humboldt Forum kuratiert. Die angedachte Ankopplung beider Institutionen wäre aus seiner Sicht ein Weg. «Eine Verbindung hätte große Vorteile», sagte er. «Es geht nicht um eine Eingemeindung, sondern darum, dass das Humboldt Forum ganzheitlich geleitet wird und der Intendant auch für die beiden Staatlichen Museen Verantwortung übernimmt.»
Auch für Roth wäre eine enge Verbindung «wirklich sinnvoll». Dafür gebe es einen Prüfauftrag. «Die Struktur, die Governance muss sich einfach ändern. Diese macht bislang wenig Sinn.»
Für Dorgerloh hat das Forum im ersten Jahr mit offenen Türen «eine funktionsfähige Struktur» gezeigt. «Wir merken jedoch, dass wir noch mehr Gemeinsamkeit herstellen müssen, insbesondere in der Programmarbeit.» Die Zusammenarbeit mit den staatlichen Museen müsse strukturell verbessert werden. Er sieht «Nachjustierungsbedarf».
Lederer sprach von einem «Bündel von Problemen, die da angefasst werden müssen». Das Forum sein ein singulärer Ort, für den es eine eigene Strategie brauche. Als einen der Konstruktionsfehler macht er aus, dass das Museum der europäischen Kulturen nicht im Forum sitzt. Damit sei «auch eine Exotisierung dessen angelegt, was explizit im Humboldt Forum repräsentiert wird».
Neue Unruhe - steigt Berlin aus dem Humboldt Forum aus?
Lederer könnte selbst für Platz sorgen. Der Berliner Anteil steht auf dem Prüfstand. Es sei «eine denkbare Option, bei einer Entflechtung im Haus die Rollen und die Funktion der Beteiligten neu zu sortieren», sagte er. Die Ausstellung «Berlin Global» werde noch weiter laufen. «Aber es bleibt zu klären, ob es für das Land Berlin dort zukünftig einen Platz gibt, der sich mit einem einheitlichen Profil und mit der einheitlichen strategischen Ausrichtung des Hauses verträgt oder ob es dazu auch andere Optionen gibt.» Er will dies ergebnisoffen mit dem Bund besprechen. «Ein Auszug des Stadtmuseums kann ein Ergebnis eines solchen Austausch sein», sagte er. «Auch das Stadtmuseum muss sich perspektivisch überlegen, wo die Kräfte konzentriert werden.» Ansprüche an zeitgemäße Museumsarbeit würden nicht geringer, Ressourcen aber auch nicht unendlich mehr.
Finanzen - was darf das Humboldt Forum kosten?
Dorgerloh verweist darauf, 2023 werde das erste komplett geöffnete Jahr sein. «Erst dann können wir wissen, was der Betrieb des Hauses tatsächlich kostet.» Der Etat wurde um fünf Millionen Euro gekürzt, Sonderfördermittel in Höhe von 26,3 Millionen Euro sind verbraucht, neue nicht in Sicht. «Gerade in der internationalen Kooperation benötigen wir jedoch auch zukünftig verlässliche Grundlagen, um langfristig mit vielen Partnern vertrauensbildend zusammenarbeiten zu können», sagte er. Kosten für den Regelbetrieb hingen mit der Größe des Ortes zusammen, «aber ein neues Haus in der Dimension des alten Schlosses war ja genau das, was politisch gewollt war.»