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Im Juli 2012 titelten wir mit dem obigen Foto. Es wurde anlässlich eines Solidaritätskonzertes gemacht, bei dem Studierende der baden-württembergischen Musikhochschulen in Karlsruhe unter François-Xavier Roth gegen die SWR-Orchesterfusionspläne anspielten.
Im Juli 2012 titelten wir mit dem obigen Foto. Es wurde anlässlich eines Solidaritätskonzertes gemacht, bei dem Studierende der baden-württembergischen Musikhochschulen in Karlsruhe unter François-Xavier Roth gegen die SWR-Orchesterfusionspläne anspielten.
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Zwei Orchester sterben und die Politik schweigt

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Offener Brief an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann
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Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
Die zentrale Rundfunkanstalt Ihres Landes, der Südwestrundfunk SWR, will die beiden Rundfunksinfonieorchester in Stuttgart und in Baden-Baden/Freiburg zu einem einzigen großen Orches­ter mit Sitz in Stuttgart zusammenlegen. Der Vorgang ist bekannt und muss hier nicht noch einmal beschrieben werden. Zu Beginn unseres Offenen Briefes möchten wir darauf hinweisen, dass uns die Unabhängigkeit des Rundfunks gegenüber politischer Einflussnahme bekannt ist. Sie ist im Prinzip auch gut und richtig. Gleichwohl haben wir inzwischen den Eindruck gewonnen, dass die Fusionspläne für die Sinfonieorchester des SWR in ihren Auswirkungen entschieden über die innere Autonomie des SWR hinausgehen, quasi zu einem Politikum für das Land Baden-Württemberg geworden sind.

Gegen die Pläne des SWR-Intendanten Peter Boudgoust, seines früheren Hörfunkdirektors Bernhard Hermann und die Zustimmung zu diesen Plänen durch den Rundfunkrat des SWR haben sich regional und überregional scharfe Proteste erhoben. Maßgebliche Zeitungen haben die geplante Fusion fast einhellig verurteilt. Aber auch dreißigtausend Bürger Ihres Landes und darüber hinaus in Deutschland und der Musikwelt insgesamt haben gegen die Auflösung der beiden Rundfunksinfonieorchester in Stuttgart und Baden-Baden/Freiburg protestiert. Darüber hinaus haben keine Geringeren als die Berliner Philharmoniker die geplante Fusion verurteilt – Tenor: Es ist noch nie ein renommiertes Sinfonieorchester aus einer Fusion entstanden.

Das alles hat die Intendanz des SWR nicht bewegen können, ihre Pläne noch einmal zu überdenken und nach anderen Spar-Lösungen zu suchen. Im Gegenteil: Bei der letzten Rundfunkratssitzung Ende September 2012 gefiel sich Intendant Boudgoust darin, die Einwände und Vorschläge lächerlich zu machen. Mit der vorschnellen Ernennung eines übergeordneten Orchestermanagers will die Intendanz offensichtlich unumkehrbare Fakten schaffen.

Die neue musikzeitung hat in der Vergangenheit und zuletzt in ihrer letzten Ausgabe gegen die Umgestaltung der Orchesterstruktur im SWR entschieden ablehnend Stellung bezogen. Wir sind dabei zu der Überzeugung gelangt, dass nunmehr politische und gesellschaftlich relevante Argumente in die Diskussion eingeführt werden müssen. Das Orchester Baden-Baden/Freiburg bildet einen Mittelpunkt für das Musikleben im Landesteil Baden. Ein Wegfall des Orchesters und die Verlegung des neuen Orchesters nach Stuttgart würden eine erhebliche Qualitätsminderung des Musikangebots  im Badischen Raum bedeuten. Natürlich wird das neue „Groß-Orchester“ in Stuttgart auch Konzerte im Badischen, in Freiburg, Karlsruhe, Baden-Baden etc. geben. Aber dieser Gastierbetrieb kann eine regionaleigene Verbundenheit zu einem ansässigen Orchester nicht ersetzen. Die eindrucksvollen Demonstrationen  des Publikums bei jedem Konzert des Baden-Baden-Orchesters belegen das eindeutig. Das haben auch die Musikhochschulen im Badischen erkannt, als sie gegen die Fusionspläne protestierten. Viele angehende Instrumentalisten haben als Substitute im SWR Sinfonieorchester Baden-Baden/Freiburg erste Erfahrungen gesammelt. Diese Nähe zu einem Orchester würde in Zukunft wegfallen.

Außerdem: Viele Musiker des Baden-Baden-Orchesters – und auch des Stuttgarter Orchesters – wirken privat als Musiklehrer an Musikschulen oder ähnlichen Instituten mit bei der Heranführung junger Menschen an die Musik. Wenn das Baden-Badener Orchester nicht mehr „vor Ort“ existiert, wird dieser wertvolle Beitrag für die musikalische Erziehung bestimmt wegfallen – und das vor dem Hintergrund, dass der Musikunterricht an den öffentlichen Schulen ohnehin ein Schattendasein führt.

Unabhängig von diesen unmittelbar praktischen Folgen der geplanten Fusion müssen auch übergeordnete Aspekte berücksichtigt werden. Beide Orchester sind für die Darstellung und Weiterentwicklung der Musik unserer Zeit unentbehrlich. Sie haben nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend an der Wiederherstellung des Ansehens der deutschen Musikkultur mitgewirkt. Das Baden-Baden/Freiburg-Orchester knüpfte dank seines Chefdirigenten Hans Rosbaud schon 1950 intensive Verbindungen nach Frankreich. Wer – wie einer unserer älteren Mitarbeiter – erlebt hat, mit welcher Offenheit, Herzlichkeit und Neugier die Auftritte des Rosbaud-Orchesters beim Musikfestival von Aix-en-Provence in den frühen Fünfzigerjahren empfangen wurden, kann heutzutage noch staunen, wie Musik die zu dieser Zeit verständliche Ressentiments zu überwinden vermochte: das Rosbaud-Orchester war der beste Botschafter eines neuen Deutschland zu jener Zeit. Und ist es bis heute: In Paris wird das Orchester so begeistert gefeiert wie die Berliner oder die Wiener Philharmoniker.

Die genannten Einzelheiten, denen noch weitere angefügt werden könnten, zeigen vor allem eines: die Arbeit der beiden SWR-Sinfonieorchester reicht über den engen Bereich der Musikherstellung für den eigenen Sender weit hinaus. Die Orchester haben sich zu einem eigenen, untrennbaren Bestandteil des gesamten Musiklebens, des deutschen ebenso wie des internationalen, entwickelt. Sie haben dabei gleichzeitig das Ansehen und das Profil ihrer Funkhäuser gestärkt. Dieses Ansehen aber wird gerade erheblich beeinträchtigt. Die Existenz der Rundfunkorchester war stets eines der wichtigsten Argumente für die Erhebung der Rundfunkgebühren im Sinne des Kulturauftrags.

Die Orchester des Rundfunks haben über die Musik hinaus eine politische Dimension gewonnen, die es der Politik gestatten würde, wenn auch nicht direkt, so doch mahnend in den Prozess einzugreifen. Das bisher weitgehende Schweigen der Politik des Landes Baden-Württemberg zu den Vorgängen in ihrem Landessender irritiert die Musikwelt und nicht nur diese. Ein Wort, das zu neuem Nachdenken, Prüfen, dem Suchen nach anderen Einsparmöglichkeiten für den Sender insgesamt anregt, wäre schon ein Gewinn. Mit Einmischung hätte das nichts zu tun.

Theo Geißler und Gerhard Rohde als Herausgeber, Andreas Kolb und Juan Martin Koch als Chefredakteure

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