In der Diagnose, wie es um das Verhältnis der jüngeren Generationen zur so genannten Klassik bestellt ist, macht der Frankfurter Kritiker und Musikschriftsteller, Hans-Klaus Jungheinrich, darauf aufmerksam, dass inzwischen mindestens eine Generation allein durch die Pop-Kultur sozialisiert ist. Also, wie sollen in diesem Umfeld Impulse, Anregungen und Neugier entstehen? Dieses Defizit wäre sozusagen von oben durch eine klügere Kulturpolitik zu kompensieren, von unten wiederum durch ein erfolgreiches Wirken der allgemeinbildenden Schulen mit ihrem Musikunterricht.
Was wird aus dem Nachwuchs, wenn er kultur- und bildungspolitisch nicht erwünscht scheint? Wenn dann an anderer Stelle in politischen Statements dennoch die geistige Verarmung der Gesellschaft beklagt wird? Es scheint in der Tat hohe Zeit, die Investitionen des Staates genauer zu kontrollieren und die Zielrichtung neu zu bestimmen.
Aufbauend auf dem System früher Ausbildung an Schule und Musikschule schließt sich das berufsqualifizierende Studium an einer der 24 Hochschulen in Deutschland an. Hinzu kom-men Konservatorien und Spezialeinrichtungen wie Schulen für Tanz oder Musical. Das Gesamtangebot ist also sehr breit. Fraglich bleibt dabei, ob noch bedarfsorientiert ausgebildet wird. In manchen Einzelfächern wie Klavier oder auch Gitarre ist über Jahre ohne wirkliche Berücksichtigung der Marktlage ausgebildet worden. Hier handelt es sich ja nicht mehr um den seiner Neigung folgenden Jugendlichen oder Erwachsenen, der an der örtlichen Musikschule Freude und persönlichen Gewinn im Umgang mit Musik findet, sondern um Hoffnungen auf große Karrieren, die wegen der Überfülle des Angebotes nicht mehr realistisch sind.
Musik und Musikausbildung finden nach Einschätzung der Verbände, der Marktteilnehmer und der Fachwissenschaftler immer noch genügend Beachtung. Dass Musik jedoch Bestandteil der Kultur in einem übergreifenden Sinne ist, geht mehr und mehr in der Diskussion verloren. Der künftige Konsument, der ein Wissender sein muss, um sich in der unübersichtlichen Welt der Produkte zurechtzufinden, muss wesentlich stärker eingebunden werden in Prozesse der Kulturgestaltung auf politischer Ebene. Die allgemeine Politikverdrossenheit, am deutlichsten an den Wahlbeteiligungen der jüngsten Zeit ablesbar, macht allerdings wenig Hoffnung darauf, dass gerade junge Menschen eine Diskussion anfachen wollen, deren Auswirkungen in großer Ferne liegen.
Kulturpolitik hat sich demnach für die Lebensfähigkeit des geschilderten kulturellen Systems einzusetzen. Dazu gehört dann auch und vor allem angemessene Grundausbildung in kulturellen Techniken, bezahlbarer Zugang zu Institutionen, die dies verfolgen und ermöglichen. Nicht nur das Spielen, sondern auch das richtige Hören von Musik muss und kann gelernt werden, im Prinzip von allen. Ein Problem benannte 1958 Hanns Eisler in seinem Aufsatz „Über die Dummheit in der Musik“: „Leider muss das Hören von Musik geübt werden. Geschieht das nicht, so bleibt das Hören auch hinter dem fortschrittlichsten gesellschaftlichen Bewusstsein zurück.” Institutionen wie Methoden zum Lernen und Üben der Musikaneignung gibt es viele. Da existieren neben den Massenmedien beziehungsweise technischen Medien die traditionellen Institutionen wie einerseits Oper und Konzert, anderseits die Vereine des Laienmusizierens, in denen man Hören wie Musikmachen lernen und praktizieren kann. Derlei vermitteln auch die Musikschulen wie der Musikunterricht an den allgemein bildenden Schulen. Und eine Vielzahl von Musikanlässen, Gelegenheiten und Kulturformen wie das Kultur- und Kommunikationszentrum, der Jugendtreff, das Stadtteil- oder Musikfest, bei denen Musik mehr als ein bloßer Hintergrund ist.
Das Feature wurde am 1. April 2003 auf Bayern2Radio ausgestrahlt. Der vollständigen Text ist bei der Redaktion der nmz erhältlich.