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Echtheit heißt Natürlichkeit

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Zur Verleihung des „LEOPOLD 1999“ – Gute Musik für Kinder
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Musik für Kinder gibt es zuhauf. Verlage und Tonträgerindustrie haben die jüngste Generation längst als gewinnträchtige Zielgruppe entdeckt und überschwemmen den Markt mit einer Flut von Neuerscheinungen. Im unüberschaubaren Angebot an Musik-Büchern, Cassetten und CDs wird es immer schwieriger, sich zu orientieren und Qualität von Billigware zu unterscheiden. Dabei werden Musikalität und Musikgeschmack bereits im frühesten Kindesalter ausgeprägt – um so wichtiger, daß Kinder von Anfang an mit guter Musik in Berührung kommen. Aus diesem Grund rief der Verband deutscher Musikschulen, VdM, mit Unterstützung des Bundesfamilienministeriums vor zwei Jahren einen Preis ins Leben, der die besten Musikproduktionen für Kinder auszeichnet. Es ist der LEOPOLD – benannt nach Leopold Mozart, dem Vater des Salzburger Genies. Im Rahmen der Auftaktveranstaltung zum Deutschen Musikschultag wurde der LEOPOLD in Köln nun zum zweiten Mal vergeben. Aus zirka 150 Einsendungen wurden neun von einer Fach-Jury für den Preis nominiert und mit einer Empfehlung des VdM ausgezeichnet. Vier Verlage, deren Produkte sich durch besonderen Einfallsreichtum und ein außergewöhnliches Niveau von den allermeisten Veröffentlichungen in diesem Genre unterscheiden, erhielten schließlich den begehrten „Leopold“. Gute Musik für Kinder – ein Qualitätsmerkmal, das bei weitem nicht auf jede Produktion zutrifft. Als Reinhart von Gutzeit, Jury-Vorsitzender und Initiator des Preises, im Kölner Funkhaus des WDR zur Verleihung des LEOPOLD kam, machte er zuvor unmißverständlich deutlich, wie groß der Qualitätsabstand zu den meisten angebotenen Kinderproduktionen ist: „Es macht schon manchmal eine Gänsehaut“, so Gutzeit, „was für dürre Musik Kindern serviert wird: nicht selten am Computer komponiert, auf jeden Fall aber synthetisch realisiert; oder musikalische Märchen, die von einem Schauspieler mit der gnadenlosen Sachlichkeit der Verkehrssendung ,Der siebte Sinn‘ erzählt werden; oder diese überdrehte Comic-Stimmung, von der viele glauben, sie sei kindgemäß.“ Die vier Veröffentlichungen, die aus der Hand von Bundesfamilienminsiterien Christine Bergmann schließlich einen LEOPOLD erhielten, sind von derart mißratenen Experimenten zweifellos meilenweit entfernt. Die Bandbreite reicht von phantasievoll aufbereiteten Opern über Kindermusicals zum Nachsingen bis zur humorvoll ausgestalteten Liedersammlung. Bei den 150 CDs, die in die Vorauswahl kamen, hatten es die immerhin 14 Juroren, darunter Musiker, Journalisten und Musikpädagogen, nicht gerade leicht, sich auf eine endgültige Wahl zu verständigen – so sollte man jedenfalls meinen. Doch die Juroren fanden nach anfänglichen Diskussionen sehr schnell zu einem gemeinsamen Standpunkt. Kindgerechte Musik – hinter diesem gern gebrauchten Attribut verbirgt sich nach Ansicht von Reinhart von Gutzeit nicht nur ein hoher musikalischer Anspruch jenseits aller genretypischen Grenzen, sondern auch so etwas wie Echtheit. „Echtheit heißt Natürlichkeit,“ sagt er, „also Instrumente versus Computer, gesungen versus gequietscht. Echtheit heißt auch liebevolle Arrangements, die nicht kunstvoll sein müssen, aber auch nicht banal sein dürfen. Man kann Kinder nicht einfach abspeisen mit 08-15-Produktionen von der Stange.“ Eine der anspruchsvollsten klassischen Produktionen, die von der Jury mit einer Empfehlung ausgezeichnet wurden, heißt „Die Nachtigall“, ein faszinierendes musikalisches Märchen nach Hans Christian Andersen komponiert vom Niederländer Theo Loevendie – eine CD, die gleichermaßen Kinder wie Erwachsene ansprechen dürfte. Dasselbe Ziel verfolgt und erreicht der Trotz & Träume-Verlag mit seiner prämierten Produktion von „Professor Jecks Tierlieder ABC“, einer äußerst spritzigen und phantasievollen Lieder-CD, deren gesprochene Texte geradezu Morgensternsche Qualitäten haben. Professor Jeck alias Martin Geck ist von Beruf tatsächlich Professor für Musikgeschichte an der Universität Dortmund und gelegentlicher Autor für Kinderbücher. Sein aufwendig produziertes Tierlieder-ABC ist nur eine Liebhaberei, allerdings eine, die ihn über Jahre beschäftigte und bis jetzt ein halbes Vermögen gekostet hat. Das Ergebnis ist eine CD, die den Kindern mehr bieten will als das übliche Einerlei. „Sie haben das Gefühl,“ so Martin Geck, „sie werden hier ernst genommen und nicht mit Oberflächlichem abgespeist. Schon bei den Kleinsten ist da ja schon eine Ahnung, wie mal die richtige Musik klingt und wie der richtige Witz ist. Da hinzuführen, war mir wichtig.“ leopold.jpg (10948 Byte) Ernstgenommen und aufs beste unterhalten wird die kindliche Phantasie auch in einem Kindermusical, das in diesem Jahr bereits als vierte Fortsetzung vorliegt. Die Geschichten vom Ritter Rost, die Felix Janosa und Jörg Hilbert im ConBrio Verlag veröffentlichen, sind ein echter Renner bei den jungen Zuhörern und erhielten fast erwartungsgemäß den LEOPOLD. Ihre Ausstattung, die zur CD auch ein hochwertiges und liebevoll gezeichnetes Bilderbuch inklusive Notendrucken der Songs umfaßt, ist vorbildlich. Gute Musik für Kinder – es gibt sie. Damit streßgeplagte Eltern die CD bei der Fülle von Veröffentlichungen gleich auf einen Blick herausfinden können, gibt es den LEOPOLD – erkennbar, am Aufkleber auf der CD-Hülle. Eine sinnvolle Einrichtung und ein hoher Maßstab für Produzenten, die es sich zu leicht machen wollen.

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