Am Anfang war das Radio. Heute ist der Bayerische Rundfunk auf allen Kanälen der neuen Medienwelt präsent. Zum 75. Geburtstag gibt es deshalb nicht nur Glückwünsche.
München - Ausgerechnet zum Jubiläum herrscht beim Bayerischen Rundfunk (BR) so viel Unruhe wie selten. Ende Januar feiert der Sender seinen 75. Geburtstag - mitten im politischen Wirbel um die öffentlich-rechtliche ARD und den milliardenschweren Rundfunkbeitrag.
75 Jahre nach der Gründung ist die viertgrößte ARD-Anstalt fast überall präsent: Das klassische Radio- und TV-Programm mit festen Zeiten verschwimmt mit digitalen Streams in Mediatheken, Apps, Social Media und anderen Netzangeboten. Der BR sieht darin seine Zukunft.
Genau das beklagen private Wettbewerber, besonders Zeitungsverlage, als Gefahr für ihr eigenes Geschäft. Denn klassische Zeitungen haben sich ebenfalls zu multimedialen Medienhäusern gewandelt. Ihnen geht die Konkurrenz der Öffentlich-Rechtlichen im Netz viel zu weit, zumal bei dem mit seinem Regionalprogramm im Freistaat tief verankerten BR.
Jubiläum auf allen Kanälen und in allen Regionen
Vor 75 Jahren waren die Medienwelten noch klar getrennt. Am Anfang war beim BR das Radio. Zur BR-Gründungsfeier als Anstalt des öffentlichen Rechts übergab die US-Militärregierung in Bayern am 25. Januar 1949 die Lizenzurkunde an den ersten Intendanten Rudolf von Scholtz. Das Jubiläum feiert der BR am Tag selbst auf allen Kanälen und das Jahr über mit Sondersendungen und Aktionen in allen Regionen.
Radio gab es als Vorläufer des BR aber schon weit früher. Vor 100 Jahren begann Ende März 1924 ein festes Programm mit der «Deutschen Stunde in Bayern» - für «drahtlose Belehrung und Unterhaltung». Keine zehn Jahre später brach die dunkle Rundfunkzeit herein: Durch die Nazis wurden Medien «gleichgeschaltet» und auch Radio in Bayern Teil des zentral gesteuerten NS-Rundfunks. Gleich nach Kriegsende startete im Mai 1945 Radio München als Sender der US-Militärregierung.
Nach dem BR-Neubeginn 1949 als öffentlich-rechtliches Radio läutete der Sender vor rund 70 Jahren im November 1954 auch das weiß-blaue TV-Zeitalter ein. Beiträge zum ARD-Gemeinschaftsprogramm waren der Auftakt (u.a. «München - Bilder einer Stadt»). Wenig später startete der BR mit der «Münchner Abendschau» das Regionalprogramm und sendete nach eigenen Angaben als erste ARD-Anstalt Landesnachrichten im TV.
Aus der einen Radiowelle (heute Bayern 1) wurden über die Jahrzehnte ganz viele - erst nur via Antenne, heute noch mehr auch im Netz. So startete 1971 Bayern 3 - laut BR die erste deutsche Servicewelle mit Verkehrsinfos, Nachrichten und Pop. Später witzelten dort am Mikro heutige Legenden wie Thomas Gottschalk und Günther Jauch. Privatsender als Konkurrenz gingen erst vor 40 Jahren auf Sendung.
Debatte um Staatsferne und Geld
Im Fernsehen sorgte der BR einst mehrmals mit Ausblendungen aus dem ARD-Programm für Aufsehen, etwa zu Zeiten des streitbaren CSU-Chefs Franz Josef Strauß Mitte der 1980er bei einer Folge des Kabaretts «Scheibenwischer» zur Atomkraft. Die Frage der gesetzlich gebotenen Staatsferne begleitete den BR mit am meisten unter den ARD-Anstalten.
So wurde CSU-Mann Ulrich Wilhelm 2010 aus dem Amt als Sprecher der Bundesregierung zum Senderchef gewählt. Viel Kritik gab es zudem, als sich Bayerns heutiger Ministerpräsident Markus Söder (CSU) 2015 als Finanzminister in der BR-Heimatserie «Dahoam is dahoam» selbst darstellen durfte. Allerdings erklärte sie Wilhelm von da an zur Tabuzone für Politiker.
Die aktuelle Intendantin Katja Wildermuth und erste Frau an der Senderspitze ließ Söder in der Debatte um den Rundfunkbeitrag kürzlich wissen: «Ministerpräsidenten stehen nicht über der Verfassung.» Die Staatskanzlei nannte das prompt «unangemessen».
Bayerns Staatsregierung will wie einige andere Länder keine Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Die rund 8,5 Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr müssten reichen, heißt es. Der BR bekommt davon etwa eine Milliarde Euro. Der Sender hat rund 3450 Beschäftigte und 1650 freie Mitarbeiter. In einem Entwurf der zuständigen unabhängigen Finanz-Kommission (KEF) war zuletzt eine Steigerung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro pro Monat im Gespräch.
Alle wollen Reformen - aber welche?
Der Streit um die Öffentlich-Rechtlichen trifft den BR und die ARD insgesamt in einer Zeit kräftigen Gegenwinds. Heftig verstärkt hatte ihn die Affäre rund um den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Das Reformtempo in der ARD hat seither spürbar zugenommen - auch beim BR.
«Der Reformprozess wird 2024 mit der gleichen Energie weitergehen», sagt Wildermuth im Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Wir haben uns schon immer gewandelt und sind genau dadurch unverändert stark geblieben.» Den Beitragsstreit geht sie offensiv an: «Wir führen gerne eine Debatte darüber: Was macht uns wertvoll?»
Kritiker kontern, die Öffentlich-Rechtlichen würden laufend Neues anbieten statt zu sparen. Bayerns privaten Sendern und Medienhäusern ist neben den vielen Digitalangeboten die immer detailliertere BR-Berichterstattung aus allen Winkeln Bayerns ein Dorn im Auge.
«Der BR hat rund 30 Regionalstudios errichtet, mit denen er tief ins Lokale eindringen kann», sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbands Bayerischer Zeitungsverleger (VBZV), Markus Rick. «Das sollte er den Heimatzeitungen und den Lokalsendern überlassen, statt hier teure Doppelstrukturen aufzubauen.»
Beim Programmumbau etwa für mehr junges Publikum und Digitales gibt es stets auch Protest, so zuletzt wegen der Kulturreform im Radio zum April. Im Jubiläumsjahr kocht zudem die Debatte um ein neues Münchner Konzerthaus als Heimat für das BR-Symphonieorchester weiter hoch. Die Staatsregierung will das Projekt wegen der Kosten massiv eindampfen - wenn es überhaupt Realität wird.
Zugleich läuft der Umzug in die neue nach BR-Angaben 360 Millionen Euro teure Senderzentrale Freimann im Norden Münchens. Die Pläne für das markante BR-Hochhaus mitten in der Landeshauptstadt sind im Detail noch offen - auch der Wandel dort ist eine Frage des Geldes.